Am 21. Oktober entscheidet der Kongress über das Reformprojekt Unia 2.0

Gibt sich die Unia-Basis mehr Macht?

Jonas Komposch

Weiter wie bisher? Oder kleine Anpassungen? Oder eine grosse Statutenreform? Der ausser­ordentliche Unia-Kongress stellt die Weichen für die Zukunft.

ZUKUNFT GESTALTEN: Die Delegierten entscheiden am Kongress, wie gross die Reformschritte
zur Organisation der Unia ausfallen werden (Foto: Unia-Kongress 2022).  (Foto: Unia)

Der Auftrag des ordentlichen Kongresses von 2021 ist klar: Die Unia soll sich weiter in Richtung einer interprofessionellen Gewerkschaft für alle entwickeln. Sie soll den Ressourceneinsatz verbessern. Und sie soll wachsen, bei den Arbeitenden bekannter werden und ihre Ver­ankerung an den Arbeitsplätzen stärken. Über diese Ziele besteht Einigkeit. Hingegen ist die Frage noch nicht ganz geklärt, inwiefern die Unia-Strukturen hierzu ein Update brauchen.

Aufgrund des Kongressauftrags lancierte die Geschäftsleitung (GL) zusammen mit dem Zentralvorstand (ZV) einen Diskussionsprozess, in dem sich alle Gewerkschaftsgremien mehrmals äussern konnten. Auch sämtliche Mitglieder hatten Gelegenheit, sich in insgesamt rund dreissig Online-Meetings einzubringen. Eingegangen sind dabei zahlreiche Vorschläge. Daraus wurden verschiedene Varianten für eine Statutenreform erarbeitet, die schliesslich vom ZV in Form von vier inhaltlichen «Reformpaketen» in eine formale Konsultation an die Regionen, Sektoren und Interessengruppen gegeben wurden.

Ein Update für die Strukturen der Unia.

Die finale Entscheidung darüber liegt beim (diesmal ausserordentlichen) Kongress, also dem obersten Organ der Unia. An diesem sind ausschliesslich die delegierten Basismitglieder stimmberechtigt. Am 21. Oktober werden somit über 300 Delegierte aus der ganzen Schweiz zuerst diskutieren und schliesslich abstimmen. Zur Auswahl steht ihnen jeweils eine «kleine» und eine «grosse» Reformvariante. Oder aber die Möglichkeit, alles beim Alten zu belassen. Und darum geht es konkret:

Reformpaket I: Führungsgremien

Paket 1 betrifft die gewerkschaftlichen Führungsgremien, also die Delegiertenversammlung (DV), den ZV und das Gremium GL-RS ­(Geschäftsleitung mit Regiosekretärinnen und -sekretären). Dazu gehört beispielsweise die Frage, ob der ZV nicht mehr bloss «die erweiterte Exekutive der Unia» ist, sondern neu «das strategische Führungsorgan der Unia». Ebenso gilt es über die künftige Zusammensetzung des ZV zu entscheiden. Heute gibt es darin mehr Unia-Kader als Basismitglieder. Die «kleine ­Reform» sieht nun ein grösseres Mischgremium vor, in dem die Basis überwiegt. Die «grosse Reform» will sogar ein reines Basis-Gremium. Unia-Mitarbeitende wären damit nur noch beratend im ZV vertreten, also nicht mehr stimmberechtigt. Auch die Aufgaben des ZV können neu bestimmt werden. So schlagen beide Reformen vor, der ZV solle künftig Kampagnen beschliessen und strategische Ziele setzen können. Auch über die Lohnpolitik für die GL-Mitglieder soll er entscheiden können. Die Verabschiedung der allgemeinen Arbeitsbedingungen in der Unia unter Berücksichtigung der Mitbestimmungsrechte des Personals soll dagegen nicht mehr beim ZV, sondern bei der GL-RS liegen. Philipp Müller, ­Präsidialsekretär der Unia, erklärt: «Die Reform sieht vor, dass sich der ZV stärker auf strategische Fragen konzentriert und sich nicht mit operativen Umsetzungsfragen aufhalten muss. Diese Verantwortung liegt bei der nationalen ­Geschäftsleitung und den Regioleitungen.»

Reformpaket II: GL und Sektoren

In Paket 2 weisen beide Reformvarianten ­der GL mehr personalpolitische Kompetenzen ­gegenüber den Regiosekretärinnen und -sekretären zu, also gegenüber den Leitenden der ­Regionen.

Die Strukturierung der Unia in verschiedene Sektoren (heute: Bau, Gewerbe, Dienstleistungen, Industrie) bleibt bestehen. Die «grosse» Reformvariante sieht die Beibehaltung von Sektoren vor, lässt aber die DV über die Sektoranzahl und die Branchenein­teilung entscheiden.

Reformpaket III: Regionen

Auf der Ebene der Unia-Regionen (aktuell 13) sollen die Milizgremien (Regio-DV und Regio-Vorstand) strategische Entscheide zu Kampa­gnen und gewerkschaftspolitischen Positionen fällen und die Regioleitung für deren Umsetzung zuständig sein. In den regionalen GL sollen daher nur noch professionelle Führungspersonen Einsitz nehmen. Sie müssen aber von ­einem regionalen Milizgremium ratifiziert werden. Die Idee ist auch hier die klare Trennung der Gremien: Die Zielsetzung ist Sache der Basis, die Umsetzung verantworten die Unia-Mitarbeitenden.

Reformpaket IV: Urabstimmung

Paket 4 will schliesslich die demokratischen Hürden für eine Urabstimmung senken. Heute kommt es zu einer schriftlichen Stimmabgabe der Gesamtmitgliedschaft, wenn dies nach ­einem Sachentscheid zwei Drittel des Kongresses (oder der DV) verlangen. Neu bräuchte es nur noch ein einfaches Mehr.

 

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