Ein übermütiger Spruch und viel Selbstvertrauen – so fand Carmen Horat den Beruf, der sie happy macht. Als Chauffeurin ist sie allein unterwegs und doch Teil einer starken Gemeinschaft.
MINI-PARKPLÄTZE bringen Chauffeurin Carmen Horat (37) nicht aus der Ruhe. (Foto: Nicolas Zonvi)
Sprüche und Vorurteile ist Carmen Horat gewohnt. Wenn aus der Kabine des Vierzigtönners mit Anhänger eine Frau steigt, reagieren viele mit Erstaunen, erzählt die 37jährige Chauffeurin. Zu sagen, es mache ihr nichts aus, wäre untertrieben: Es amüsiert sie. Und sie gibt gerne noch einen drauf. Etwa, wenn ihr bei einer Firma erklärt wird, wie sie an die Abladerampe hinfahren müsse, und die Frage folgt: Meinst du, du kannst das?
Wart du nur, denkt sie dann und antwortet: Also, ich weiss nicht. Ich probier’s mal. Und fährt in einem Zug an die Rampe. «Dann staunen sie», sagt sie und lacht. Wenn sie anschliessend die Palette auslade und die schweren Kartons umhertrage, hörten die Sprüche definitiv auf. Aber eigentlich, findet Horat, sei das völlig doof: «Das würden sie einen Mann nie fragen!»
PARKPLATZSUCHE XXL. Ihr Arbeitstag beginnt um 5 Uhr morgens. Vor dem riesigen Verteilzentrum der Firma Planzer Transport im aargauischen Villmergen startet sie ihren klimatisierten Anhängerzug, voll mit Lebensmitteln, Medikamenten, Zahnpasta. Zusammen mit zwei Kolleginnen und einem guten Dutzend männlichen Fahrern beliefert sie den Westen der Schweiz, alles zwischen Bern und Genf. Der frühe Start passt ihr: «Während des Fahrens sehe ich im Rückspiegel den Sonnenaufgang. Und wenn mir Freundinnen um halb acht einen guten Morgen wünschen, kann ich zurückschreiben: Bin im Fall schon in Genf.»
Dort angekommen, liefert sie die Ladung aus, meist in 15 bis 20 Stops: «Private, Apotheken, ein Uni-Institut, ein Polizeiposten – jeder Tag ist wieder anders.» Klar, das Navi zeigt den Weg – aber nur zum Haupteingang. Den Lastwagen abstellen kann sie dort meist nicht. Jetzt ist sie gefordert: Wo findet sie einen Platz zum Abladen? Ohne dass sie ein volles Palett 500 Meter weit ziehen muss? «Das muss ich entscheiden, während ich am Fahren bin und auf den Verkehr achte. Und dann kommt ein Torbogen, der nicht hoch genug ist, und ich brauche einen neuen Plan.»
Ja, das sei stressig und brauche volle Konzentration. Aber es mache auch den Reiz des Jobs aus. Bevor sie zu Planzer wechselte, sass sie für einen Milchproduzenten am Steuer. Mit fixen Touren, immer die gleichen Stops. «Das war mir zu langweilig. Ich habe gern e chli Stress, sonst schläft mein Hirn ein.»
Foto: Nicola Zonvi
TRUCKER-FEELING. Anfang Nachmittag ist der Lastwagen leer, nun geht’s ans Laden und dann wieder heimwärts. Von Bern oder Neuenburg fährt sie am gleichen Tag nach Villmergen zurück, vom Wallis oder von Genf nur ein Stück des Wegs und übernachtet dort, im Schnitt zweimal pro Woche. Dann erlebt sie, wie sie sagt, das «Trucker-Feeling». Denn Znacht essen Chauffeurinnen und Chauffeure oft in den gleichen Restaurants, und sie erkennen einander an den Firmenkleidern. «Dann gehe ich immer hin und frage: ‹Ist bei dir noch frei, oder willst du lieber alleine sein?›. Und sehr oft habe ich dann ein super Gespräch mit einem Menschen, den ich vorher nie gesehen habe.»
Denn obwohl jeder und jede allein fahre, sässen doch alle im gleichen Boot. Egal, für wen sie fahren. «Und das», sagt Horat und kommt ins Schwärmen, «das ist es, was diesen Beruf so schön macht. Ich bin Teil einer Gemeinschaft. Wir sind wie eine grosse Familie.»
FEUERWEHR. Gelernt hat Carmen Horat Fotografin, machte die Handelsschule, arbeitete im Verkauf. Dass sie Profi-Fahrerin wurde, hat mit Übermut zu tun. Im Dorf, erzählt sie, wurden Leute gesucht für die Feuerwehr. «Und ich sag denen, halb als Witz: Ich komme nur, wenn ich das Löschfahrzeug fahren kann!»
Sie wagte den Quereinstieg und fing als Chauffeurin an, für 4500 Franken brutto im Monat. Sie gab sich ein Jahr. Unterdessen sind es zehn Jahre. Mit der Erfahrung stieg ihr Lohn auf 6000 Franken – «fair», findet sie, auch weil dazu noch Spesen kommen und ein Bonus von maximal 400 Franken, ausser während Ferien und abzüglich Schäden, die sie verursacht hat. Was heute selten vorkomme.
Was Horat an ihrer Arbeit nicht gefällt: die Geringschätzung, die ihr als Chauffeurin entgegengebracht wird. Etwa, wenn sie in einer Firma etwas anliefert: «Dann kommt oft die Reaktion: Ah, muss die jetzt die Sachen bringen! Statt dass sie sich freuen, dass sie die Ware bekommen, die sie bestellt haben.» Und wenn sie dann zehnmal einen schweren Karton durch die Bude trage, «dann kann so ein Typ steincool dort stehen und mir zuschauen. Als wäre er etwas Besseres, nur weil ich Arbeitshosen anhabe.»
Sie zuckt die Schultern. Chauffeurin, das sei ein Leidenschaftsberuf. «Ich mache das, weil ich’s gern mache.»
Carmen HoratChilbi, Party, Open Air
Wenn Carmen Horat am Steuer sitzt, läuft Rock- oder Metal-Musik. «Aber hey, ich bin in den 80ern und 90ern aufgewachsen. Da hört man alles, auch DJ Bobo», sagt sie und lacht. Oft habe sie das Radio an, so bleibe sie auch politisch auf dem Laufenden.
GRÖNEMEYER. Musik hat auch in der Freizeit einen hohen Stellenwert. Regelmässig geht sie an Konzerte, «grosse und kleine, meistens Rock, aber kürzlich auch Herbert Grönemeyer». Daneben wandert und gärtnert sie gern. Aus der Feuerwehr ist sie dagegen ausgetreten, ebenso aus der Kulturkommission ihres Wohnortes Kallern AG: Zu oft habe sie einen Einsatz oder eine Sitzung verpasst, weil sie noch unterwegs war.
FESTDORF. In Kallern ist sie aufgewachsen, heute lebt sie mit ihrem Freund dort, einem Mechaniker und Maschinisten für Landmaschinen. Eins lässt sie sich nicht nehmen: Zusammen mit anderen ehemaligen Feuerwehrleuten organisiert sie die Feste im Dorf. Chilbi, Party, Open-Air-Kino… «Es wohnen zwar nur 400 Leute im Dorf – aber wir sind ein richtiges Festdorf.»
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