Bitteres Nachspiel nach WM-Sieg der spanischen Fussballerinnen

Derbes Derby: Luis Rubiales vs. Jenni Hermoso

Anne-Sophie Zbinden

Der Kuss, den ­Verbandschef ­Rubiales der Stürmerin ­Hermoso aufdrückte, ging um die Welt. Er ist der gut sichtbare Auswuchs einer Macho-Fussballkultur, wie ­Rubiales ungewollt in seiner Verteidigungsrede bestätigt.

STELLT DIE MACHO-KULTUR INS ABSEITS: Fussball-Weltmeisterin Jennifer Hermoso. (Foto: Keystone)

Eigentlich haben sie allen Grund zum Feiern: Sie haben gestreikt, gespielt und gewonnen. Die Fussballerinnen der spanischen Nationalmannschaft holten sich den Meisterinnentitel. Nicht nur in sportlicher Hinsicht an der Weltmeisterschaft in Australien, sondern im Vorfeld auch mit Streiks und erfolgreichen Lohnforderungen auf dem heimischen Rasen. Doch ein Mann überschattet den Sieg der Frauen und wirft ein trübes Licht auf die spanische Fussballkultur: Luis Rubiales (46), Chef des spanischen Fussballverbandes (RFEF). Er küsst die Stürmerin Jennifer Hermoso (33) ungefragt auf den Mund, langt sich unverblümt an die Hoden und macht schlüpfrige Anspielungen über eine angebliche Hochzeit von ihm und Hermoso auf Ibiza.

Luis Rubiales. (Foto: Keystone)

Nach heftigen Reaktionen in Spanien und weltweit veröffentlichte der spanische Fussballverband zunächst eine Mitteilung, die den Kuss relativiert. Hermoso wird darin zitiert, es habe sich um eine «natürliche Geste der Zuneigung» gehandelt. Wenig später folgt die Klarstellung auf Instagram, wo Hermoso schreibt, sie habe keinenfalls in den Kuss eingewilligt, sei Opfer einer Aggression geworden und fordert Nulltoleranz gegenüber solchem Verhalten. Ihr Post endet mit: #SeAcabó. Das Spiel ist aus.

NATIONALELF IM STREIK

Wenig später stellt die Fifa Rubiales frei, und Spaniens Staatsanwaltschaft kündigt ein Verfahren gegen ihn wegen sexueller Belästigung. ­Arbeitsministerin Yolanda Díaz fordert seinen Rücktritt. Sogar die Uno interveniert und fordert ein Ende von sexueller Gewalt im Sport. Tausende gehen in Spanien auf die Strasse, auf ihren Plakaten steht: #SeAcabó. Weltweit solidarisieren sich Fussballerinnen mit Hermoso. Und die spanischen Nationalspielerinnen treten in Streik. Sie wollen erst wieder für Spanien auflaufen, wenn Verbandschef Rubiales zurücktritt. Offene Unterstützung findet Rubiales nur noch in den Reihen der rechtsextremen Partei Vox.

Sogar die UNO schaltete sich inzwischen ein.

ENTLARVENDE ERKLÄRUNG

Doch Rubiales klammert sich (bis Redaktionsschluss am 30. 8.) an die Macht, obwohl ihn der Verband mittlerweile zum Rücktritt aufgefordert hat. Gleich fünfmal beteuert er in einer Rede, er werde nicht zurücktreten. Diese halbstündige Erklärung an der Krisenkonferenz des Fussballverbandes ist entlarvend: den Beginn widmet Rubiales dem Trainer des Frauenteams Jorge Vilda. Genau, das ist jener Mann, der seiner Assistentin an die Brust gegriffen hat. Seinetwegen hatten im Herbst 2022 15 Nationalspielerinnen gestreikt. Weil er inkompetent sei, sie permanent überwache und wie Kinder behandle. Natürlich erhielt Vilda von seinem Verbandschef Rubiales Rückendeckung. Dieser sprach dann später in seiner Rede über falschen Feminismus, und an seine drei im Saal anwesenden Töchter gewandt, er hingegen sei ein echter Feminist. Und überhaupt, die ganze Angelegenheit sei nichts anderes als eine Einschränkung seiner Freiheit.

Sein Verhalten rechtfertigt Rubiales mit dem Freudentaumel ob des Meistertitels. Kinder und Betrunkene sagen die Wahrheit, so ein Sprichwort. Vielleicht gilt das auch für Fussballfunktionäre, die trunken vor Freude tief in ihre Macho-Männlichkeit blicken lassen.

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