Trotz Personalnot: Wirte- und Hotelverbände knausern bei Mindestlöhnen 2024

Ein Minischritt, der die Gastro-Branche keinen Millimeter weiterbringt

Christian Egg

Im Gastgewerbe halten die Mindestlöhne mit der Teuerung Schritt. Real steigen sie aber nur um 5 Franken. Völlig ungenügend, sagt Mauro Moretto, Gastro-Verant­wort­licher bei der Unia.

SO WAS KOMMT VON SO WAS: Wegen der miesen Arbeitsbedingungen im Gastro laufen den Beizen immer mehr Mitarbeitende davon. (Foto: Keystone)

Die Mindestlöhne für alle, die im Service, in der Küche oder im ­Hotel arbeiten, steigen im Januar 2024: Sie werden an die Teuerung angepasst und erhöhen sich zusätzlich um 5 Franken im Monat. Genau stehen die neuen Löhne noch nicht fest, da die Teuerungsprognose vom September als Basis gilt. Aber Stand heute würde der Mindestlohn für Ungelernte von 3582 Franken pro Monat (13 Mal ausbezahlt) um 88 Franken ansteigen. So haben es Gewerkschaften und Arbeitgeber ausgehandelt.

Was den Teuerungsausgleich angeht, so könnten sich die So­zialpartner der Gastrobranche das Verhandeln eigentlich sparen. Denn wenn die Verhandlungen scheitern, entscheidet ein Schiedsgericht über die Mindestlöhne. Und dieses hat bisher immer mindestens die Teuerung ausgeglichen. Letztmals war das 2018 der Fall. Das heisst: die Gewerkschaften Unia, Syna und die Berufsorganisation Hotel & Gastro Union würden einen Vorschlag nicht akzeptieren, der unterhalb der Teuerung liegt.

NUR GRAD EIN FÜNFLIBER

Aber die Arbeitgeberverbände (Gastrosuisse, Hotelleriesuisse und Swiss Catering Association) scheinen genau das zu denken.­Jedenfalls sagt Mauro Moretto, Branchenverantwortlicher bei der Unia: «Wir mussten dieses Jahr lange darum feilschen, ob überhaupt die Teuerung ausgeglichen werden soll.» Am Schluss gab es auf allen Mindestlöhnen den Teuerungsausgleich plus 5 Franken.

Das sei «völlig ungenügend», kritisiert Moretto. «Die Leute und die Branche hätten etwas ganz anderes gebraucht, nämlich eine deutliche Aufwertung.» Denn landauf, landab suchen Beizerinnen und Hoteliers verzweifelt nach Mitarbeitenden – und finden sie oft nicht. Weil mehr und mehr Menschen genug haben von der Branche mit ihren unregelmässigen Arbeitszeiten und den tiefen Löhnen.

«Unbegrenzt billige Arbeitskräfte aus dem Ausland — das ist zum Glück vorbei.»

AKUTER PERSONALMANGEL

Ausgerechnet der Wirteverband Gastrosuisse, für die Arbeitsbedingungen mitverantwortlich, musste kürzlich feststellen: Betriebe ohne Personalsorgen sind unterdessen die Ausnahme. Zwei Drittel gaben in einer Mitgliederumfrage an, sie seien unterbesetzt. Diese Sommersaison traf es auch Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer: In seinem Hotel in Kandersteg BE fand er keinen Küchenchef, wie er gegenüber dem Onlineportal nau.ch ausführte. Und zu Lehrbeginn am 2. August war das Gastgewerbe nach dem Bau die Branche, in der am zweitmeisten Lehrstellen unbesetzt blieben, nämlich mehr als 1500.

Und trotzdem: Zu mehr als einem Fünfliber realer Mindestlohnerhöhung waren die Arbeitgeberverbände nicht bereit. Da lüpfte es auch dem Berufsverband Hotel & Gastro Union die Kochmütze. «Mickrig» sei dies, titelte er in der Mitgliederzeitung. Die Verbände der Patrons «verkennen die Situation der Branche».

Für Unia-Mann Moretto ist es «pure Ideologie», dass die Verbandsspitzen keine besseren Mindestlöhne wollen. Er sagt: «Die Mentalität der Verantwortlichen stammt noch aus den Zeiten des Saisonnierstatuts. Damals gab es einen fast unbegrenzten Nachschub von billigen Arbeitskräften aus dem Ausland. Aber diese Zeiten sind vorbei – zum Glück!»


GastgewerbeAlle Löhne rauf!

Die Verhandlungen im Gastgewerbe betreffen nur die Mindestlöhne. Über alle Löhne, die darüberliegen, entscheiden die Betriebe. Für ­viele Betroffene heisst das: Sie ­haben 2023 gar keinen oder nicht den vollen Teuerungs­ausgleich erhalten – was einem Reallohnabbau gleichkommt.

6 PROZENT. Die Unia fordert deshalb von den Betrieben, dass sie auf Anfang 2024 für Löhne, die über den Mindestlöhnen liegen, mindestens die Teuerung dieses und des letzten Jahres ausgleichen. Für alle, die heute noch die gleiche Zahl auf dem Lohnzettel ­haben wie letztes Jahr, wären dies mindestens 6 Prozent mehr Lohn. (che)

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