Schikanen gegen gesprächsbereite Pflegende der Spitex St. Gallen
Statt eines Gesprächstermins kam Post von der Anwaltskanzlei

Eine Gruppe von Pflegenden will nicht aufgeben und sucht den Dialog mit den Verantwortlichen. Die reagieren erst mit Blockade, dann mit Schikanen.

«NICHT EINMISCHEN»: Stadträtin Sonja Lüthi verweigerte Spitex-Pflegenden den Dialog. (Foto: Keystone)

Es ist Oktober 2022. Wieder einmal haben mehrere Spitex-Mit­arbeitende aus Frust gekündigt. Doch die Pflegenden des Standorts West wollen nicht aufgeben. Die Klientinnen und Klienten ­liegen ihnen am Herzen. Einige haben mehrfach versucht, die ­kritische Situation der Spitex mit Langzeit-Interimsleiterin Anna Ravizza zu besprechen. Ohne ­Erfolg.
Doch sie hocken zusammen und schreiben Ravizza einen Brief. In knapper Form schildern sie, wie sich die Krise auswirkt: «Unsere Kunden werden nicht mehr nach ihren Wünschen gefragt. Es wirkt, als müssten sie froh sein, noch betreut zu werden. Einsätze wurden kurzfristig abgesagt. Manchmal wurden Klienten schlichtweg vergessen.»

Um das zu verbessern, bitten die Pflegenden um ein Gespräch mit Ravizza, dem Verwaltungsrat und den politisch Verantwort­lichen. Diese erhalten eine Kopie des Schreibens. Es schliesst mit den Worten: «Es ist fünf nach zwölf. Wir bieten uns für Lösungen gerne an.» Alle 13 Pflegenden des Standorts unterschreiben.

«Es ist fünf nach zwölf. Wir bieten uns für Lösungen gerne an.»

EINE ABFUHR. Die Antwort kommt von GLP-Stadträtin Sonja Lüthi. Eine klare Abfuhr: «Die Zuständigkeit für alle Arbeitsverhältnisse liegt bei der Spitex St. Gallen AG. Die Stadt wird sich nicht einmischen.» Statt eines runden Tisches folgt ein Briefwechsel mit der ­Spitex-Leitung, der rasch eskaliert. Anfang November erhalten die Pflegenden Post von einer Anwaltskanzlei. Die Leitung sei zu einem Gespräch bereit, heisst es da. Aber: Themen wie die Pflegequalität oder die «angeblich» hohe Personalfluktuation «liegen in der alleinigen Verantwortung der Geschäftsführung und sind nicht mit dem Personal zu diskutieren».

NULL EINSICHT. Das Gespräch habe gar nichts gebracht, so eine Mitarbeiterin im «St. Galler Tagblatt». Bei jedem Punkt habe es geheissen: Nein, das stimme nicht, nein, da sei man dran, nein, das sei kein Problem. Stattdessen habe Ravizza die Unterzeichnenden des Briefs schi­kaniert. Einer Pflegerin seien Kompetenzen entzogen worden, mehrere wurden an andere Standorte versetzt: «Es ging dar­um, uns ‹Aufwieglerinnen› zu trennen.»

Klar, dass in der Folge noch mehr engagierte Pflegende kündigten. Bis zum Frühling dieses Jahres waren vom früheren Team Spitex West gerade noch drei Personen übrig.

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