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Filmisches Denkmal für eine engagierte Gewerkschafterin

Ralph Hug

In «La Syndicaliste» kämpft Filmstar Isabelle Huppert unter Lebensgefahr gegen einen kriminellen Filz von Wirtschafts- und Staatsinteressen an. Ein packender Thriller, basierend auf einer wahren Gewerkschaftsgeschichte.

ALLEIN UNTER MÄNNERN: Die französische Gewerkschafterin Maureen Kearney (Isabelle Huppert) deckte einen geheimen AKW-Deal auf. «La Syndicaliste» erzählt ihre Geschichte, wenn auch etwas klischeehaft.(Foto: Filmcoopi)

Er lässt an Klassiker wie «Z» von Costa-Gavras (1969) oder «Der Fall Mattei» von Francesco Rosi (1971) denken: Der französische Autor Jean-Paul ­Salomé tritt mit seinem neuen Werk «La Syndicaliste» (Die Gewerkschafterin) in die Fussstapfen solcher berühmten Politthriller. Salomé bietet zwei Stunden Hochspannung. Es geht um Konzernmacht, Staatsaffären, Whistleblowing – und um die patriarchale Gewalt an Frauen, die in allen In­stitutionen sitzt. Das Packendste: Im Zentrum steht die wahre Geschichte einer engagierten Gewerkschafterin, die fast zerbricht. Aber eben nicht ganz.

Polizei und Justiz verhinderten, dass die Wahrheit ans Licht kam.

AUS RACHE VERGEWALTIGT

Maureen Kearney, gespielt von Filmstar Isabelle Huppert, ist Angestellte beim französischen AKW-Milliardenkonzern Areva. Sie ist auch Delegierte der Gewerkschaft CFDT. Leidenschaftlich kämpft sie für die Rettung bedrohter Arbeitsplätze. Als sie von geheimen Plänen erfährt, wonach Frankreich und sein Staatskonzern EDF mit China einen Deal planen, dem Areva mit seinen 50 000 Angestellten zum Opfer fallen würde, schlägt sie Alarm. Doch niemand will ihr glauben. Nach an­onymen Drohanrufen und mysteriösen Zwischenfällen wird Maureen im eigenen Haus von Unbekannten überfallen und vergewaltigt. Letzte Warnung. Es sind Profis, sie hinterlassen keine Spuren.

Wer die Täter waren, bleibt bis zum Ende unklar. Doch sicher ist, dass die Gewalt von Mächtigen ausgegangen sein muss. Sogar vom Staat selbst? Diese Ahnung hängt wie eine dunkle Wolke über der Story. Aber auch über Frankreich selbst. Denn der Fall Maureen Kearney hat sich 2012 tatsächlich zugetragen. Er ist real, keine Fiktion. Salomés Film stützt sich auf die Recherchen der Investigativ-Journalistin Caroline Michel-Aguirre, die dazu ein Buch verfasst hat. Auf der Anklagebank sitzen letztlich auch die beiden Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy und François Hollande. In ihre Amtszeit fiel diese Affäre, die bis heute ungeklärt ist.

ALS LÜGNERIN DIFFAMIERT

Im Film wird deutlich: Polizeibehörden, die einseitig ermitteln, und eine politisch unter Druck stehende Justiz verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Maureen wird sogar vom Opfer zur Täterin verkehrt: Plötzlich steht sie als Lügnerin da, die eine Vergewaltigung nur vorgetäuscht habe, um sich wichtig zu machen. Psychoterror, demütigende Untersuchungen und sexistische Übergriffe zwingen sie zu einem falschen Geständnis. Maureen kassiert wegen falscher Anschuldigung eine bedingte Gefängnisstrafe und bleibt jahrelang traumatisiert.

Doch gebrochen ist sie nicht. Das zeigt der zweite Teil des Films. Er schildert, wie Maureen trotz allem Mut schöpft, eine Wiederaufnahme des Verfahrens bewirkt und mit Hilfe weniger Verbündeter und einem guten Anwalt vor Gericht doch noch einen Freispruch erreicht. Aber nicht, ohne weiterhin um ihr Leben fürchten zu müssen: Ihr Ferienhaus in Annecy geht in Flammen auf, die Schuldigen werden nie gefasst. Am Ende des Thrillers bleibt die düstere Einsicht, dass Maureens Kampf gegen den kriminellen Machtfilz aus Kapital- und Staatsinteressen chancenlos war. Wenigstens blieb sie aber am Leben.

CHANCE VERPASST

Salomés Thriller ist spannend, jedoch auch plakativ und klischeehaft. Die Darstellung von Gewerkschaftsarbeit erscheint aufgesetzt und unrealistisch. Und wenn Isabelle Huppert stets perfekt ­geschminkt und gekleidet durch die Szenen läuft, wirkt sie trotz souveräner schauspielerischer Leistung gespenstisch unecht. Salomé hat es verpasst, die Kraft der Solidarität aufscheinen zu lassen, von der die Macht der Gewerkschaften zehrt. Zu sehr bleibt er einem individualistischen Blick verhaftet. Aber das Krimi-Handwerk, das beherrscht der Filmemacher zweifellos.

Der Film läuft ab dem 8. Juni in verschiedenen Kinos. Alle Vorführungen unter: rebrand.ly/syndicaliste.

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