1x1 der Wirtschaft

Falsche Behauptungen über «faule» Teilzeitarbeitende

Hans Baumann

Neoliberale Ökonomen wie der ­Luzerner Professor Christoph Schalt­egger oder rechte Politiker wie FDP-Präsident Thierry Burkart wollen uns weismachen, dass in der Schweiz zu wenig gearbeitet werde. Die offiziellen Zahlen ergeben aber ein ganz ­anderes Bild: 2022 stieg die Anzahl aller geleisteten Arbeitsstunden in der Schweiz um 1,3 Prozent auf ­rekordhohe 7,9 Milliarden Stunden.

SCHLECHTGERECHNET. Europaweit liegt die Schweiz mit einer Vollzeit-­Arbeitswoche von über 42 Stunden einsam an der Spitze, der europäische Durchschnitt liegt bei einer 38-Stunden-Woche. Werden neben den Vollzeit- auch die Teilzeitbeschäftigten berücksichtigt, sinkt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit hierzulande auf knapp 36 Stunden. Das ist aber nicht etwa besonders wenig, sondern liegt ziemlich genau im europäischen Durchschnitt. Der einzige Unterschied: In der Schweiz gibt es überdurchschnittlich viele Teilzeitangestellte. Und das sind vor allem Frauen. Sie übernehmen zu Hause den Löwinnenanteil der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit – und büssen dafür an Lohn ein.

Es ist bezeichnend, dass die rechten Kritiker diese riesige Menge an ­Gratisarbeit in Haushalt, Familie und Pflege nie erwähnen. Klar ist aber auch: Wenn sie das täten, dann ginge ihr Märchen von den «faulen Teilzeitern» nicht mehr auf. Schliesslich übersteigt die unbezahlt geleistete Arbeit mit fast 10 Milliarden Stunden sogar die Zahl der Erwerbsstunden.

SENKUNG ÜBERFÄLLIG. Auch bei der Erwerbsquote – also dem Anteil Erwerbstätiger, gemessen an der Bevölkerung zwischen 15 und 65 Jahren – steht die Schweiz an der Spitze. Genauso beim Anteil der Arbeitsstunden, gemessen an der Gesamtbevölkerung (22,8 gegenüber 19,5 Arbeitsstunden im europäischen Vergleich). Kein Wunder, ist auch die Arbeits­produktivität rund einen Viertel höher als im europäischen Durchschnitt.

Allen Behauptungen zum Trotz gehört die Schweiz also nach wie vor zu den Ländern mit der längsten Arbeitszeit und der höchsten Erwerbsbeteiligung. Und die hohe Arbeitsproduktivität würde es längst erlauben, die generelle Arbeitszeit zu verkürzen. Und zwar ohne Lohneinbussen! Etwa mit einer 4-Tage-Woche. So, dass Familie und Beruf besser vereinbar sind und die unbezahlte Arbeit gerechter aufgeteilt werden kann.

Hans Baumann ist Ökonom und Publizist.

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