Basler Ballett-Ensemble feiert Lohnerfolg

«Das war erst die Ouvertüre!»

Jonas Komposch

Tosender Applaus für das Basler Ballett-Ensemble: Mit ihrem Protest haben sich die Tänzerinnen und Tänzer höhere Mindestgagen, gerechtere Lohnstufen und eine Sonderprämie erkämpft. Doch die Tanzszene will mehr.

STARKER AUFTRITT: Mit fulminanten Aktionen und Unterstützung der Unia forderten die Ballerinen und Tänzer des Basler Balletts mehr Lohn – und erreichten einen Etappensieg. (Foto: Unia)

Manche sahen sie schon streiken, doch sie tanzen weiter. So haben es die 30 Ballerinen und Tänzer des Theaters Basel beschlossen – und zwar einstimmig am 12. Juni. Fast genau einen Monat zuvor waren sie mit ihrer Forderung an die Öffentlichkeit getreten: «Faire Löhne fürs Basler Ballett!» Direkt von der Bühne herab lancierten sie eine Kampagne, die für Furore sorgte.

Und nun ist sie da, die Einigung im Lohnkonflikt: Die Theaterleitung hat zugesichert, auf die bereits angekündigte Lohnerhöhung von 150 Franken pro drei Erfahrungsjahre zusätzlich 400 Franken draufzulegen. Zudem werden neu erfahrungsabhängige Lohnstufen eingeführt. Bis anhin verdienten altgediente Ballerinen kaum mehr als Jungtänzer. Mit dem neuen Modell wird schon ab August stärker differenziert und der Durchschnittslohn auf 5050 Franken angehoben. Gegenwärtig liegt dieser rund 500 Franken tiefer. Zwar sind Neueinsteigerinnen und -einsteiger von diesem Schnitt ausgenommen. Doch auch sie profitieren von einer Erhöhung der Mindestgage um 200 Franken auf 4500 Franken. Ausserdem winkt allen Ensemble-Mitgliedern eine einmalige «Sondervergütung» von 1500 Franken. Ein schöner Erfolg, aber keiner auf der ganzen Linie.

«Jetzt habeb wir eine Stimme, die auch respektiert wird.»

«CASHCOW DES HAUSES»

Das Ensemble hatte nämlich im Minimum 5300 Franken für alle gefordert. Kaum zu viel, wenn man bedenkt, dass die meisten Tänzerinnen und Tänzer bereits seit frühem Kindesalter trainieren, nun an sechs Tagen pro Woche arbeiten, aber wegen körperlichen Verschleisses schon bald wieder mit dem Karriereende konfrontiert werden. Tänzer Eric Smith* (33) sagt denn auch: «Vom Ziel sind wir noch weit entfernt. Aber viel wichtiger ist, dass wir als Kollektiv zusammengehalten und jetzt eine Stimme haben, die auch respektiert wird.»

Tatsächlich ist es eine Seltenheit, dass eine ganze Belegschaft an einem Strick zieht. Auch im Ballett. Weder Smith noch seine Kollegin Ana von Hausen* (37) haben je von einem vergleichbaren Lohnkampf gehört. Einigkeit herzustellen sei aber ein Leichtes gewesen, sagt von Hausen. Alles habe mit der Analyse der Geschäftsberichte begonnen. Viele der jungen Tänzerinnen und Tänzer, die mehrheitlich aus dem Ausland stammen, hätten zuvor geglaubt, dass Kultur in der Schweiz schlicht einen tiefen Stellenwert habe. Die Geschäftsberichte hätten aber etwas anderes gezeigt: «Es ist viel Geld vorhanden, nicht zuletzt durch Subventionen.» Und noch eine Erkenntnis hätten die Geschäftsberichte gebracht: «Wir sind wirklich das, als was wir Tänzerinnen und Tänzer intern ständig bezeichnet werden – die Cashcow des Hauses!»

KÜNSTLERVERBAND NÖRGELT

Als Dreispartenhaus vereint das Theater Basel unter einem Dach Oper, Theater und Ballett. Letzteres ist mit Abstand der stärkste Publikumsmagnet. Doch im Lohn zeigt sich dies bislang nicht. Smith sagt: «Wir und das Reinigungspersonal verdienen am schlechtesten vom ganzen Theater. Als wir das realisiert hatten, brauchte es kaum mehr Überzeugungsarbeit.» Sondern Taten! Doch zunächst gab es eine Enttäuschung.

Das Ensemble kontaktierte nämlich Szene Schweiz, den Berufsverband der darstellenden Künste. Viele Tänzerinnen und Tänzer sind dort Mitglied. Und ausserdem ist Szene Schweiz der langjährige Sozialpartner des Theaters. Doch die erhoffte Unterstützung fand das Basler Ensemble nicht. Vom technischen Theaterpersonal kam schliesslich der Tipp, sich an die Unia zu wenden. Dann ging’s zügig voran. Innerhalb eines Monats ging die Gewerkschaft drei Mal an die Medien und unterstützte das Ensemble bei zwei Protestaktionen vor vollem Saal. Das Publikum quittierte die Interventionen jeweils mit tosendem Applaus. Keine Freude hatte dagegen Salva Leutenegger, die Geschäftsführerin von Szene Schweiz. Sie machte auf betupft und kritisierte öffentlich die «Kampfmassnahmen mit dem Holzhammer». Die Tänzerinnen und Tänzer hätten gefälligst die Friedenspflicht zu respektieren. Und die Unia solle besser wieder zurück «auf den Bau», statt dem «gesamten Kulturbetrieb» zu «schaden». Das kam bei den Tänzerinnen und Tänzern nicht gut an.

SZENE JETZT HELLHÖRIG

Von Hausen sagt: «Solche Aussagen finde ich elitär. Als ob Theater nichts für Bauleute wäre! Zudem sind wir ja selbst Handwerkerinnen und Körperarbeiter.» Ohnehin seien alle Aktionen vom Ensemble beschlossen worden und nicht von der Unia. Diese habe vor allem die Verhandlungen mit der Theaterleitung geführt und das Kollektiv mit Know-how unterstützt. Smith und von Hausen loben die Gewerkschaftssekretärinnen sogar in höchsten Tönen: «professionell, motiviert und freundlich». Und überhaupt: Die Einigung zeige ja gerade, dass niemand einen Schaden davongetragen habe. Im Gegenteil, meint von Hausen: «In Basel habe ich nur positive Rückmeldungen bekommen. Und aus der internationalen Ballettszene erreichen uns sehr viele Fragen, wie wir das bloss geschafft hätten.» Die Probleme seien schliesslich überall ähnlich. Dazu Smith: «Wir Theaterleute leisten gesellschaftlich wichtige Arbeit, fördern Demokratie und Utopien, doch unsere eigenen Strukturen verharren im
19. Jahrhundert. Hoffen wir, dass unser Kampf erst die Ouvertüre war!»

* Smith und von Hausen wollen ihre echten Namen nicht in der Zeitung lesen, da sie befristete Verträge haben und somit leichter entlassen werden könnten.

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