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Alpine Energie: Sind Wasserstoffspeicher die neuen Stauseen?

ETH-Professor Andreas Züttel will gigantische Wasserstoffspeicher in den Granit sprengen lassen. Das gäbe Arbeit für das Baugewerbe. Vielleicht liegt Züttel gar nicht so falsch.

IN FELS GEBAUT: So funktioniert ein Gasspeicher, der auch für Wasserstoffspeicherung verwendbar ist. (Grafik: Gaznat / work)

Wir leben in turbulenten Zeiten, auch was die Energiepolitik betrifft. Versuchen wir wenigstens teilweise zu begreifen, was möglicherweise abgeht.

Die Sanktionen gegen Ukraine-Angreifer Russland funktionieren anders als gedacht. Denn jene Länder, in denen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt, machen bei den Sanktionen nicht mit. Darunter neben China auch Indien, Israel, Südafrika und Brasilien. Russland muss sein Öl wegen der westlichen Sanktionen trotzdem unter dem Weltmarktpreis verkaufen. China nutzt das brutal aus. In der Sprache der Spötter ist Russland inzwischen die Billigtankstelle der chinesischen Kommunisten.

Putin glaubte, das russische Gas als todwirksame Waffe einsetzen zu können. Vorerst explodierten die Preise in Europa auch. Viele gingen von einer drohenden Gasmangellage aus. Doch aktuell sind die gros­sen Gasspeicher Europas, die sich vorab in Deutschland und Italien befinden, so voll wie noch nie in den vergangenen zehn Jahren. Und die Preise fürs Gas sausen in den Keller. Zurzeit kostet die Kilowattstunde nur 3 Rappen. Das entspricht umgerechnet 30 Rappen für einen Liter Benzin. Wer Speicher hat, kann diese jetzt zu Spottpreisen füllen. Nur leider hat die Schweiz keine nennenswerten Speicher.

DAS PROBLEM. Wer einen Speicher anlegen will, sollte das Gas mit einem Druck von nur 200 Bar lagern. Warum nicht mit 700 Bar, um pro Kubik­meter mehr Gas speichern zu können? Ganz einfach: Weil sonst die notwendige Überdeckung des Speichers nicht 150 Meter Granit betragen muss, sondern fast 1000 Meter. Geht also nicht.

Das Schweizer Energieversorgungsunternehmen Gaznat plant oberhalb von Oberwald VS einen Gasspeicher für 1,5 Milliarden Kilowattstunden. Zum Preis von 400 Millionen Franken. Vielleicht geht es auch bedeutend billiger.

Gas kann zum Beispiel bei der Stromgewinnung durch Wasserstoff ersetzt werden. Wenn Wasserstoff mit klimaneutraler Energie hergestellt wird, ist er auch klimaneutral. Nicht so die fossile Energie Gas. Überschüssiger Strom aus Sonnen- und Windkraftwerken kann als Wasserstoff gespeichert und bei Bedarf klimaneutral zurückverstromt werden.

Wasserstoffspeicher sind zwar baugleich mit Gasspeichern. Nur können sie pro Kubikmeter rund einen Drittel weniger Energie speichern. Finanziell kein Beinbruch für die reiche Schweiz.

DAS TECHNOLOGIE-RENNEN. ETH-Professor Andreas Züttel, der sich im Vorfeld der kommenden Abstimmung über das Klimaschutzgesetz mit dem ETH-Professor Reto Knutti herumzofft, geht davon aus, dass wir in der Schweiz zwanzig Mal so viele Wasserstoffspeicher brauchen wie der in Oberwald VS geplante Gasspeicher. Und zusätzlich 6 Gaskraftwerke der 1000-Megawatt-Klasse, die auch mit Wasserstoff betrieben werden müssten. Sicher ist sicher.

Es gibt einen Wettbewerb der Technologien. Gewinnen wird, wer Strom günstig und weitgehend klimaneutral produziert. Das Rennen ist offen. Und wenn die Freunde der neuen, erneuerbaren Energien nicht bald konkrete Konzepte auf den Tisch legen, droht uns sogar der Bau neuer Atomkraftwerke.

Vielen geht das ganze Hin und Her auf den Keks. Dabei ist alles nicht komplizierter als die Abseitsregeln im Fussball. Nur interessiert Fussball mehr als Energiepolitik. Noch.

Links zum Thema:

  • rebrand.ly/speicher-kritik Die Umweltorganisationen sind gegen einen Gasspeicher in Oberwald VS. Offene Frage 1: Sind sie auch gegen baugleiche Wasserstoffspeicher? Offene Frage 2: Wie viel Geld muss zu Recht in die Kassen der betroffenen Gemeinden Oberwald und Guttannen strömen?
  • rebrand.ly/marti-schotter Pro Jahr braucht die Schweiz für Schiene und Strasse eine Million Kubikmeter Hartschotter. Die Baufirma Marti will in Därligen BE – dank einer Konzession des Kantons Bern – eine grosse unter­irdische Kaverne in den Berg sprengen. Und mit dem so gewonnenen Hartschotter Geld verdienen. Und dann gleich noch ein zweites Mal – mit der Nutzung der Kaverne als Deponie.
  • rebrand.ly/eth-zuettel Wer Zeit hat und Englisch kann, sollte diese Folien von ETH-Professor Andreas Züttel durchgehen. Sie haben allerdings noch Luft nach oben.

 

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