Jodelgruppe für moderne Volksmusik

«Echo vom Eierstock» räumt die Jodelszene auf

Darija Knežević

Die Schweizer Volksmusik ist verstaubt und voller alter Rollenbilder. Jetzt stimmt ein Nidwaldner Frauenchor ganz neue Töne an –  und sorgt damit für grosses Aufsehen.

JODEL UND FEMINISMUS? Klar geht das! Die Jodlerinnen vom «Echo vom Eierstock» zeigen, wie. (Foto: ZVG)

Nicht Gamsstock, nicht Chaiserstock und auch sonst kein Berggipfel diente dieser Jodlerinnenkapelle als Namensgeber. Denn was im Pfarreiheim zu Stans (NW) gesungen wird, ist schweizweit einmalig, etwa Zeilen wie diese: «Immer wenni wider zwenig Lohn überchumä, wehri mi und bliibe nid stumm!» So tönt das «Echo vom Eierstock» – die Frauengruppe will Jodelmusik mit einer guten Portion Feminismus modernisieren.

Von Anfang an dabei war auch die passionierte Jodlerin Maja Schelldorfer (57). Sie sagt zu work: «Die Jodellieder haben mir von der Melodie oft sehr gefallen, konnten mich berühren. In meiner Generation war es aber klar ein Männerding.» Sie kennt die Traditionsmusik noch von ihrem Grossvater und vom Vater. Entsprechend wurden auch die Texte nur von Männern geschrieben. Teilweise sind die Themen sehr veraltet oder sogar sexistisch. Und genau hier setzt das «Echo vom Eierstock» an: «Natürlich haben auch Frauen Spass am Jodeln – wenn die Texte stimmen, umso mehr. Der Zeitgeist soll auch da Einzug halten, Klischees und Sexismus können wir nicht besingen», sagt Schelldorfer.

FEMINISTISCHE NEUAUFLAGE: Alte Liedtexte lila verschönert. (Foto: ZVG)

MEHR ALS EIN HOBBY

Damit zeigt der Chor Mut, denn Volksmusik zu verändern stösst besonders in konservativen Kreisen auf starken Widerstand. Eigentlich vergeblich. Denn Schelldorfer sagt: «Durch die Anpassung der Texte in unseren Zeitgeist verstehen wir uns nicht als Konkurrenz der traditionellen Jodelvereine, sondern eindeutig als Ergänzung.»

Die Idee entstand spontan bei einer Gruppe Frauen aus dem Kanton Nidwalden. Mittlerweile musizieren regelmässig rund 50 Frauen gemeinsam. Und die Gruppe ist bunt durchmischt. Dazu Schelldorfer: «Die jüngsten Frauen sind Mitte Zwanzig, die ältesten 60 Jahre alt. Es sind Freundinnen oder auch Schwestern.» Dabei reisen Frauen aus allen Ecken der Schweiz nach Stans. Zum Beispiel aus dem Zürcher Oberland.

Die Jodelgruppe ist längst mehr, als nur ein Hobbyverein: Die musikalische Leitung sowie das Dirigieren übernimmt Simone Felber, eine studierte Sängerin. Gejodelt wird vierstimmig und der Chor schreibt selber Lieder in modernen Varianten. Jodlerin Schelldorfer: «Wir haben sehr schöne Volks- und Jodellieder, welche durchaus breiter Gefallen finden könnten, wenn sie etwas entstaubt werden.»

Der Chor zeigt Mut, denn Volksmusik zu verändern stösst in konservativen Kreisen auf Widerstand.

ALLEINE DER NAME PROVOZIERT

«Neben dem vielen positiven Echo erhalten wir auch zum Teil wüste Reaktionen per Mail oder Postkarte, meist anonym», sagt die Sängerin. Manche betiteln die Musikgruppe als Männerhasserinnen und vieles mehr aus der Schublade, in die feministische Anliegen schnell landen. «Oder uns wird vorgeworfen, dass wir die alte Tradition verunstalten. Da kann ich nur raten, uns einmal zuzuhören», sagt Schelldorfer.

Denn einige fühlen sich alleine schon durch den Namen «Echo vom Eierstock» angegriffen. Dazu führt Schelldorfer aus: «Dass im Voraus so Einiges in den Köpfen abgeht mit der Kombination vom Chornamen und dem feministischen Jodelchor, zeigt eigentlich, wie richtig wir liegen.»

Die Jodelgruppe sorgt für viel Aufsehen, auch auf eine positive Art. Viele sind begeistert von der Idee eines feministischen Jodelchors. «Nach unserem Auftritt an den Stanser Musiktagen waren so manche überrascht, wie «brav» wir seien und wie schön wir gesungen hätten!», erinnert sich Schelldorfer. Der Saal war mit 370 Zuschauerinnen und Zuschauern rappelvoll. «Es war ein unerhört schönes Gefühl unter uns Frauen auf der Bühne», sagt Schelldorfer.

 AM 14. JUNI WIRD GESTREIKT

Der nächste grosse Auftritt ist bereits in Planung, und zwar im Herbst. Zurzeit bekommt der Jodelchor viele Anfragen für Auftritte. Alle zu realisieren ist organisatorisch eine Herkulesaufgabe, denn beim Jodeln ist jede Stimme wichtig. Deshalb können die Frauen stets nur komplett auftreten. Und was ist am 14. Juni, dem grossen Frauenstreik, geplant? Dann streiken auch die Jodlerinnen vom «Echo vom Eierstock». Auftritte haben sie daher keine geplant. Doch die Sängerinnen freuen sich auf den Streiktag. «Dass wir dann vor Freude spontan in einer kleineren Gruppe eines unserer Lieder jodeln, ist nicht unwahrscheinlich», sagt Jodelrin Schelldorfer.

1 Kommentar

  1. Peter Bitterli

    „Der Zeitgeist soll auch da Einzug halten, Klischees und Sexismus können wir nicht besingen.“ Aha! Wieso heissen die dann so wie sie heissen?

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