Laura mal laut

Laura und die ­Reklamationen

Laura Gonzalez

Laura Gonzalez Martinez ist Verkäuferin in Zürich und Gewerkschafterin.

Ich stand eines Morgens im Lager und schnitt in Windeseile den Zopf am Meter und war mit meinen Gedanken schon bei der nächsten Aufgabe. Als meine Vorgesetzte mit hochrotem Kopf neben mir stand und aus den Ohren rauchte. Was los sei, fragte ich. «Nichts.» Um die Rauchschwaden zu besänftigen, erwähnte ich irgendwas Banales. Die Taktik, sie mit dem Wetter abzulenken, funktionierte nicht. Sie explodierte, und zwar total: Man kann es niemandem recht machen! Und das ständig! Die Kundschaft beschwert sich, dass wir das und jenes nicht mehr haben. Warum wir im Winter keine Beeren anbieten oder ­Limetten gerade nicht lieferbar sind. Dass wir Verkäuferinnen weder das Sortiment, die Lieferzeiten, das saisonale Geschäft noch die vier Jahreszeiten beeinflussen können, wollen diese Kundinnen und Kunden nicht hören. Was Konsequenzen für uns hat. Wenn unzufriedene Kundschaft sich beim Kundendienst beschwert, beschwert sich dieser wiederum bei uns. Und wir rasen mit jeder Reklamation in der internen Rankingliste abwärts, tief in den roten Bereich. Ja, da hat meine Chefin recht, der Druck ist enorm. Und wir können es nie allen recht machen. Manches ist einfach so, wie es ist. Punkt.

Mit jeder Reklamation rasen wir in der internen Rangliste abwärts.

ROLLI-CHRAMPF. Ich kenne das nur zu gut. Meistens nehme ich die Lieferung an und steuere mit mehreren schwerbeladenen Rollis durch den klitzekleinen Verkaufsraum. Und das will geübt sein, das sage ich euch. Mittlerweile sind der Chauffeur und ich ein eingespieltes Team, und das Prozedere geht maximal 10 Minuten. Vorausgesetzt, es kommt nichts dazwischen: zum Beispiel ein umgekippter Rolli auf der Rampe oder eine ganze Fussballmannschaft im Gang. Jedesmal kriege ich von der Kundschaft zu hören, dass ich im Weg stehe. Zur Erinnerung: Das hier ist auch ein Arbeitsplatz!

HEISSE LUFT. Ganz ehrlich: hätte ich Superkräfte, würde ich die Rollis ins Lager beamen, und wir hätten das ganze Jahr über Beeren. Das Brot hätte ich mit einem Augenzwinkern eingepackt und eingeräumt. Ich stünde niemandem im Weg, und meine Vorgesetzte hätte keine schlaflosen Nächte. Einiges wäre leichter. Superkräfte haben wir aber nicht. Hinter den gefüllten Regalen steckt harte Arbeit, in der Logistik arbeiten ganz viele Superheldinnen Tag und Nacht daran, dass alles funktioniert. Oft habe ich das Gefühl, das geht vergessen. Etwas mehr Wertschätzung und Verständnis wäre schön, wäre nötig. Nötig sind auch die Rückmeldungen, das ist klar, nur so können wir gewisse Dinge verbessern. Aber manchmal sind sie auch nur heisse Luft.

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