Ratgeber

Lohn, Versicherung und Kündigungsschutz während der Rekrutenschule

Martin Jakob

Für die Rekrutenschule unterbrechen viele junge Erwachsene in der Schweiz ihre berufliche Laufbahn. work zeigt auf, welche Regeln in dieser Zeit beim Lohn und im Arbeitsrecht gelten.

AUSNAHMEZUSTAND: Der Dienst im Militär hat seine eigenen Regeln – auch finanziell. (Foto: Keystone)

Rund 20 000 junge Erwachsene, davon etwa 400 Frauen, rücken jedes Jahr in die Rekrutenschule ein. Blüht Ihnen demnächst das gleiche? Für vier bis fünf Monate werden Sie dem Kommando der Armee unterstehen und auf viele persönliche Freiheiten verzichten müssen. Doch wie sind Sie in dieser Zeit finanziell gestellt, und welche Rechte haben Sie, wenn Sie einen laufenden Arbeitsvertrag mit einer Firma haben?

DER LOHN

Wie Ihr Einkommen während der Rekrutenschule aussieht, wird durch mehrere Regelwerke bestimmt.

1. Soldskala. Für Rekrutinnen und Rekruten beträgt der tägliche Sold 6 Franken. Sie erhalten ihn auch während der allgemeinen Urlaube und für die Reisetage. Am Ende der 12. RS-Woche werden Sie zur Soldatin oder zum Soldaten befördert und erhalten für den Rest der RS 7.50 Franken pro Tag.

2. Erwerbsersatzordnung (EO). Von der EO ist Ihnen während der ganzen Rekrutenschule ein tägliches Einkommen von 69 Franken sicher, unabhängig davon, ob Sie vor dem Einrücken erwerbstätig waren oder nicht. Haben Sie Kinder und sind Sie nicht erwerbstätig, erhalten Sie eine Kinderzulage und nachgewiesene Betreuungskosten vergütet, maximal aber 138 Franken pro Tag. Haben Sie Kinder und sind erwerbstätig, steht Ihnen während der ganzen RS die EO-Leistung in Höhe von 80 Lohnprozenten zu, plus Kinderzulage von 22 Franken pro Tag und Kind.

Ihre Mindesteinnahme in der RS: 75 Franken pro Dienstag.

3. Obligationenrecht (OR). Das OR regelt Ihr Anrecht auf Lohnfortzahlung während der RS, falls Sie beim Einrücken in einem Arbeitsverhältnis stehen. Hat das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert oder ist es für mehr als drei Monate eingegangen worden, schuldet Ihnen die Firma während einer beschränkten Zeit eine Fortzahlung des Lohns in Höhe der vollen EO-Entschädigung. Das sind 80 Lohnprozente. Diese erhalten Sie im ersten Dienstjahr für drei Wochen und danach für eine «angemessene längere Zeit». Was «angemessen» heisst, wird durch eine Skala bestimmt, die je nach Kanton unterschiedlich ist. Arbeiten Sie nach der Berufslehre im gleichen Betrieb weiter, gelten die Lehrjahre ebenfalls als Dienstjahre.

Ein Beispiel: Sie sind nach der dreijährigen Lehre in der Firma geblieben, stehen also im 4. Dienstjahr, verdienen seit dem Lehrabschluss 5000 Franken pro Monat und rücken nun für 18 Wochen in die RS ein. Sind Sie kinderlos, haben Sie nach der Berner Skala (sie wird am häufigsten verwendet) während zweier Monate 80 Prozent des Lohns zugute, also je 4000 Franken, für den Rest der RS aber nur noch 69 Franken pro Tag, das sind rund 2000 Franken pro Monat. Besser abgesichert sind Sie, wenn Sie Kinder haben (siehe EO).

Beachten Sie: Bezahlt die Firma während der RS einen Lohn, der Ihrem Guthaben aus der EO entspricht oder höher liegt, gehen die Leistungen der EO an die Firma.

4. Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Untersteht Ihr Arbeitsverhältnis einem Gesamtarbeitsvertrag? Schlagen Sie dort nach, ob dieser auch die Lohnfortzahlung während militärischer Dienste regelt. Manche GAV enthalten für Rekrutinnen und Rekruten bessere Bedingungen als die gesetzlich garantierten. Der Landesmantelvertrag (LMV) zum Beispiel – der GAV fürs Baugewerbe – sichert Ledigen während der gesamten RS-Dauer mindestens 50 Prozent des Bruttolohns, Verheirateten und Ledigen mit Unterstützungspflichten 80 Prozent (alle GAV zum Nachschlagen unter: gav-service.ch).

Arbeitslos vor der RS

Ist die Zeit zwischen der Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung (ALV) und dem Beginn der RS kurz (ca. drei Monate), kann Ihre Chance sehr klein sein, einen ­Arbeitsplatz zu finden. Die ALV wird Sie orientieren, ob Sie als vermittelbar eingestuft werden (und damit Anspruch auf Arbeitslosengeld haben) oder nicht. Zur Jobsuche während der RS können Sie sich an den Sozialdienst der Armee wenden. Er ist verpflichtet, Rekruten bei der Stellensuche zu helfen. Zudem können Sie für Bewerbungsgespräche Urlaub beantragen. Nach der Rekrutenschule ­haben Sie Anspruch auf Arbeits­losengeld. Mehr Infos: Broschüre der Unia «Jung und arbeitslos – meine Rechte» (kostenlos): rebrand.ly/jungund

5. Arbeitsvertrag. Ob mit oder ohne GAV, ist es Ihnen freigestellt, mit der Firma über die Lohnfortzahlung während der RS zu verhandeln und eine möglichst vorteilhafte, individuelle Lösung zu finden.

DIE VERSICHERUNG

Während der RS versichert Sie das Militär gegen Unfall und Krankheit. Dauert Ihr Dienst länger als 60 Tage, müssen Sie für die gesamte Dienstzeit keine Prämie für die obligatorische Grundversicherung der Krankenkasse bezahlen. Um von der Prämienzahlung befreit zu werden, senden Sie der Kasse acht Wochen vor Dienst­beginn eine Kopie des Marsch­befehls. Haben Sie Zusatzversi­cherungen, laufen ihre Prämien ­hingegen weiter – natürlich aber auch die Leistungen der Kasse.

DIE FERIEN

Sind Sie fest angestellt, haben Sie einen gesetzlichen Ferienanspruch von vier Wochen – oder von fünf Wochen, wenn Sie noch nicht 20jährig sind. Falls Sie einem GAV unterstellt sind, haben Sie möglicherweise mehr Ferientage zugute.

Generell gilt aber: Die Firma darf Ihnen aufgrund Ihrer Dienstzeit den Ferienanspruch kürzen. Und zwar für den zweiten und jeden weiteren vollen Monat Ihrer dienstlichen Abwesenheit um je ­einen Zwölftel. Dauert die RS 18 Wochen, entspricht das vier Monaten, und die erlaubte Kürzung beträgt drei Zwölftel. Bei vier Wochen Ferienanspruch bedeutet das eine Woche weniger Ferien.

Die Firma darf wegen der Rekrutenschule Ihre Ferien kürzen.

DER KÜNDIGUNGSSCHUTZ

Ist Ihre Probezeit abgelaufen, darf Ihnen die Firma bei Diensten ab einer Dauer von 12 Tagen nicht kündigen – und zwar während Ihrer gesamten Dienstzeit sowie vier Wochen vorher und nachher. Erhalten Sie in dieser Sperrfrist eine Kündigung, bleibt sie wirkungslos. Trifft die Kündigung vor der Sperrfrist ein und ist die Kündigungsfrist bis zum Beginn der Sperrfrist noch nicht abgelaufen, steht die Kündigungsfrist still und läuft erst nach dem Ablauf der Sperrfrist weiter. Kündigt Ihnen die Firma zwar noch vor der Sperrfrist, tut dies aber offensichtlich und nachweisbar wegen des Militärdiensts, ist die Kündigung missbräuchlich. Erheben Sie in diesem Fall Einsprache. Falls dann die Firma ihre Kündigung nicht zurückzieht, gilt diese zwar, Sie können aber eine Entschädigung verlangen; gerichtsüblich sind drei bis maximal sechs Monatslöhne.


Zivildienst statt RS  Ähnliche Regeln

Rund 3500 diensttaugliche Männer pro Jahr entscheiden sich bei der Rekrutierung aus Gewissensgründen für den Zivildienst, etwa 800 fällen diesen Entscheid während der RS, etwa 2000 nach bestandener RS. Sie alle nehmen damit eine längere Dienstzeit in Kauf: Die im Militär noch nicht geleisteten Pflichttage, mit dem Faktor 1,5 multipliziert, ergeben die Anzahl Pflichttage im Zivildienst.

BESSER NACH DER RS. Aus der Erwerbsersatzordnung (EO) erhalten kinderlose Zivildienstleistende, die keine ganze RS absolviert haben, für die ersten 124 Tage – so lange hätte die RS gedauert – auch nur die ­Minimalentschädigung von 69 Franken. Jenen, die sich erst nach der RS umteilen lassen, stehen vom ersten Zivildiensttag an 80 Prozent ihres beruf­lichen Einkommens zu. Für ­Berufstätige mit laufendem ­Arbeitsvertrag gelten die gleichen Regeln des Obligationenrechts (OR) wie für jene, die die RS ­absolvieren.

Genau wie im Militärdienst sind Zivildienstleistende bei der Militärversicherung gegen Unfall und Krankheit versichert, und während Diensten, die länger als 60 Tage dauern, entfällt die Prämie für die Krankengrundversicherung. Auch arbeitsrechtlich ist der Zivildienst dem Militärdienst gleichgestellt. Er untersteht darum den gleichen ­Bestimmungen zum Kündigungsschutz, und die Firma darf bei dienstbedingten Abwesenheiten von mehr als zwei Monaten die Ferien kürzen.

ZIVILSCHUTZ. Wer wegen Dienstuntauglichkeit weder Militär- noch Zivildienst leisten kann, wird je nach Gesundheitszustand zum Zivilschutzdienst mit insgesamt kürzerer Dienstzeit verpflichtet. In Bezug auf Entschädigung und Kündigungsschutz gelten auch hier die Vorgaben der EO und des OR.

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