Klartext am Baubüezerinnen-Stammtisch:

Hey, Mann, das können wir auch!

Darija Knežević

Auf dem Bau arbeiten nur wenige Frauen. Damit sich das ändert, muss ein Ruck durch die Branche. Wo die Probleme sind, verraten drei Büezerinnen work beim Pizza-Znacht.

BAUFRAUEN: Verschiedene Berufe, aber viele Gemeinsamkeiten haben Rashel Werlen, Fabienne Binggeli, Delia Dällenbach (v. l.). (Fotos: Matthias Luggen)

Treffpunkt: 18.30 Uhr, Pizzeria Piccola Napoli. Was nach warmen Sommernächten in Italien klingt, ist eine Berner Beiz. Hitzig wie im fernen Neapel wird es trotzdem. Denn am Stammtisch packen drei Büezerinnen aus. Sie erzählen, wie es ist, als Frau auf dem Bau zu arbeiten.

Delia Dällenbach (25) freut sich auf ihre Pizza Funghi, denn sie hatte einen strengen Wochenstart. Die Zimmerin in Ausbildung muss um 7 Uhr auf der Baustelle stehen. «Früh aufstehen und draussen arbeiten – daran musste ich mich zuerst gewöhnen.» Denn für die junge Frau ist es die zweite Lehre. Sie absolvierte zuerst das KV und jobbte im Büro. Doch schnell habe sie gemerkt: «Ich muss raus und meine Hände dreckig machen!»

Auch Fabienne Binggeli (31) bestellt eine Pizza Funghi. Diese Entscheidung fiel ihr leicht. Fast wie bei der Berufswahl vor einigen Jahren: «Malerin ist einfach mein Beruf!» Von ihrem letzten Projekt, einem Reihenhaus, erzählt sie begeistert. Sie habe die Hütte «ordentlich in Farbe getunkt». Es gab grüne, blaue und rote Wände. «Das macht tausendmal mehr Spass, als nur mit Weiss zu streichen!» Nicht zuletzt, weil sie auch das Farbkonzept mitgestaltet hat. Binggeli hat sich nach ihrer Lehre unter anderem zur Projektleiterin weitergebildet.

Die Bestellung von Malerin Rashel Werlen (35) bleibt simpel: Pizza Margherita und ein Mineral dazu. Schon nach wenigen Minuten ist das Znacht serviert. Ganz anders war die Stellensuche – die lief für die Malerin und Dreifachmama weit weniger glatt. Dass sie eine Stelle in einem 40-Prozent-Pensum gefunden hat, grenzt fast schon an ein Wunder. Sie sagt: «Im Malerbusiness gibt’s zu wenige Teilzeitstellen. Und wenn sie mit 80 Prozent ausgeschrieben sind, dann ist damit ein ‹Papi-Tag› gemeint. Ohne Witz – das wurde mir bei einer Absage so gesagt.»

Frauenstreikzahl: 40%

der Lernenden im Malergewerbe sind Frauen. Doch viele Verlassen den Beruf wieder, etwa weil Teilzeitpensen für Mütter fehlen. Dadurch sinkt der Frauenanteil in der Branche insgesamt auf 20%.

UNGENÜGENDER MUTTERSCHUTZ

Werlen war die erste Frau, die im Wallis die Doppellehre als Gipserin und Malerin absolviert hat. Seither arbeitet sie ausschliesslich als Malerin – auch während ihrer drei Schwangerschaften. «Schwangere Frauen auf dem Bau haben keinen Schutz», wirft Werlen in die Run­­de. Und fragt: «Wie soll ich hochschwanger schwere Farbkübel tragen oder Leitern besteigen?» Unmöglich sei das. Das sah auch ihre Ärztin so, die sie jeweils im fünften Monat krankschreiben musste. Sie kenne aber Bau­frauen, die bis in den achten Monat arbeiten mussten. «Das mit den 14 Wochen Mutterschutz ist ein schlechter Witz», ergänzt die Malerin. Dällenbach und Binggeli schütteln den Kopf. Auch als Nichtmütter verstehen sie Werlen gut. Der Appetit vergeht ihnen aber nicht. Als Frau auf dem Bau seien sie so einiges gewohnt. Binggeli erzählt: «Kunden und Bauherren fragten mich noch bis vor kurzem ständig, ob ich noch in der Lehre sei.» Dabei hat sie schon viele Jahre Arbeitserfahrung. Aber es sei halt wirklich so, dass viele Malerinnen bald nach der Lehre den Beruf enttäuscht aufgäben. Etwa weil Teilzeitmöglichkeiten so rar seien. Und Binggeli doppelt nach: «Oft sind Auftraggeber überrascht, wenn ich meine Arbeit ohne männliche Hilfe zu Ende bringe.» Zimmerin Dällenbach kennt das nur zu gut: «Ich werde ständig gefragt, ob mir die Arbeit nicht zu streng sei. Der Beruf als Zimmerin ist toll, und ich arbeite gerne körperlich. Aber weil wir Frauen sind, traut man uns nichts zu!»

WENN TOILETTEN FEHLEN

Bauberufe sind von Männern dominiert, deshalb ist auch alles auf sie zugeschnitten. Das merken die drei Frauen. «Das Werkzeug und die Maschinen sind nur für grosse Hände gemacht», sagt Malerin Werlen. Binggeli kennt das Problem bei der Arbeitskleidung: «Zu meiner Lehrzeit gab es keine Kleider, die mir gepasst haben. Ich musste in riesigen T-Shirts arbeiten.» Anders bei Dällenbach. Sie konnte sich vor ihrem Lehrbeginn im vergangenen Sommer mit genügend passenden Arbeitskleidern eindecken. «Mittlerweile gibt es Hersteller, die auch Frauenkleider machen.»

Gröber klemmt es hingegen noch bei der Infrastruktur. Auf vielen Baustellen gibt es zu wenige oder gar keine Toiletten. «Das ist echt übel, besonders während der Periode», sagt ­Malerin Binggeli. Ähnlich schleppend geht es beim Thema Sexismus voran: Alle drei Büezerinnen hatten auf der Baustelle unangenehme Erlebnisse mit Männern. Dazu gehören Machtspiele, dumme Sprüche und Vorurteile.

STREIKEN ALS MUTTER

Die Probleme zeigen: Der Frauenstreik am 14. Juni ist auch auf dem Bau bitter nötig. Was sind die Pläne der Büezerinnen? Malerin Binggeli ergreift als erste das Wort: «Ich habe beim Chef schon lange angekündigt, dass ich nicht auf der Baustelle sein werde. Der Frauenstreik ist für mich Pflichtprogramm!» Ihre Berufskollegin Werlen: «Am Mittwoch habe ich meine Kinder. Als Mutter zu streiken ist nicht so einfach.» Und die Lernende Dällenbach hat schon ein paar Ideen: «Ich möchte früher Feierabend machen und unsere Baustellen lila schmücken. Und vielleicht schaffe ich es, meine Kollegen zu überzeugen, lila Shirts zu tragen und Fahnen aufzuhängen.»

Am 22. April findet in der Unia-Zentrale Bern der Bau-Büezerinnen-Kongress statt. Anmelden können Sie sich unter gewerbe@unia.ch.

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