Kächs Konter

Winterhitze

Marius Käch

Marius Käch ist Bauarbeiter in Zürich und Gewerkschafter.

Die Bilder der Polizeigewalt im deutschen Lüzerath haben mir einiges aufgezeigt. Zum Beispiel, dass es einigen dieser beamteten Gewaltmonopolisten wohl eine wahre Freude war, mit dem Knüppel in der Hand für einen Energiekonzern ins Schlachtfeld zu ziehen. Doch die Ausweitung des Braunkohleabbaus ist nur ein unschönes Teilstück in der langen Reihe der Umweltzerstörung im modernen Kapitalismus. Langsam, aber sicher müssen wir uns bewusst werden: Es geht nicht mehr um etwas abstrakt Schlimmes, das in ferner Zukunft schlummert und uns – wenn überhaupt – erst im hohen Alter einholen wird. Für uns Berufsleute, die bei jedem Wetter draussen arbeiten, hat das Problem jedenfalls längst den Alltag erreicht.

Auf dem Bau spüren wir den Klimawandel längst.

VOLLGAS. Den grossen Hitzesommer haben wir alle noch in Erinnerung. Und jetzt haben wir diesen warmen Winter. Bei uns auf der Baustelle hatten wir bis jetzt nur während zweier oder dreier Wochen Wintermassnahmen. Das heisst: Nur in diesen Wochen mussten wir Schalungen beheizen, enteisen oder Wasserleitungen frostsicher machen. Das bedeutet in erster Linie, dass wir weniger Aufwand haben und ohne Frost und Eis auch weniger Unfälle bauen. Die Kehrseite der Medaille ist aber, dass wir immer noch während 9 Stunden arbeiten können – wie im Sommer. Dafür sind die Tage eigentlich zu kurz. Aber das lässt sich ja mit riesigen Energiefresserlampen an den Kranen lösen. So können wir nun auch im Winter mit Vollgas arbeiten und dürfen fleissig Überstunden klotzen.

Bisher war die Intensivphase der Arbeit auf den Sommer limitiert. Dank Väterchen Frost konnten wir endlich einmal durchschnaufen und am Abend wieder Zeit mit der Familie verbringen.

ZU VIEL! Neun Stunden Bauarbeit plus Reisezeit plus Pausen plus Umziehen – das ist einfach zu viel! Nun weitet sich das Ganze immer mehr aus. Wegen der Klimakatastrophe. Und der nächste irre Sommer folgt bestimmt. Dürren und extrem lange Hitzeperioden kennen wir ja bereits. Dann draussen zu arbeiten ist alles andere als toll, das sollte allen klar sein. Es bringt aber noch eine ganze Reihe weiterer Pro­bleme mit sich. Etwa stärkere und häufigere Stürme. Gearbeitet wird dann trotzdem. Oder die wachsende UV-Strahlen-Belastung. Mit ihr häufen sich auch die Fälle von Hautkrebs. Oder die steigenden Ozonwerte. Die Lunge lässt grüssen. Die Liste ist längst nicht fertig. Fest steht aber, dass wir unser Leben an die Wand fahren werden – ausser wir ändern, wie wir als ­Gesellschaft funktionieren, wie wir arbeiten und wie wir den Reichtum verteilen. Lützerath wurde zwar geräumt, aber es war erst der Anfang!

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