Angriff abgewehrt:

Neuer Polier-Vertrag steht

Jonas Komposch

Die Baumeister wollten die Arbeitsbedingungen der Poliere noch mehr deregulieren als jene der Baubüezer – vergebens.

BAU-KAPITÄNE: Die Poliere sorgen dafür, dass es auf der Baustelle läuft. (Foto: Key)

Ob für Baufortschritt, Qualitätsnachweis oder Bauplatzorganisation – verantwortlich sind immer die Polie­rinnen und Poliere. Sie sind die ­«Kapitäne» der Baustellen. Meistens geachtete Respektspersonen mit ­viel Berufserfahrung und kollegialem «Gschpüri», selten gefürchtete «Tätsch­meister» mit direktem Draht in die Chefetage. Seit 1911 haben die Poliere ihren eigenen Gesamtarbeitsvertrag, den «Baukadervertrag». Am 27. Januar wurde seine Neuauflage für drei weitere Jahre besiegelt – von Unia, Syna und dem Baukaderverband einerseits und dem Schweize­rischen Baumeisterverband (SBV) andererseits. Vorausgegangen waren fünf Verhandlungsrunden, weit mehr als üblich. Chris Kelley, Co-Leiter Bau bei der Unia, erklärt: «Insgesamt waren die Verhandlungen mit dem SBV ausserordentlich hart.» Konkret habe der SBV lange die gleichen extremen Forderungen gestellt wie beim Landesmantelvertrag (LMV) – inklusive Abschaffung des Arbeitszeitkalenders, womit eine Planbarkeit von Privat- und Familienleben noch schwieriger geworden wäre. Die Bauarbeiter und auch viele Poliere haben den LMV bekanntlich verteidigt und ge­sichert. Die Verhandlungen über den Baukadervertrag liefen derweil weiter. Und zwar auf absurde Weise!

«Dieses Jahr waren die Verhandlungen aussergewöhnlich hart.»

GEGEN GRATISARBEIT

Denn trotz seiner LMV-Niederlage ging der SBV bei den Polieren in die Offensive. Dazu Chris Kelley: «Sie versuchten Verschlechterungen durchzudrücken, die spezifisch die Poliere betroffen hätten und die noch weiter gegangen wären als bei den Bauar­beitern.» So hätten Firmen von ihren ­Polieren neu 40 Minusstunden und bis zu 120 Überstunden abverlangen dürfen. Kelley: «Das ist deutlich mehr als im LMV, hätte den Druck auf die Poliere erhöht und ihr Privat­leben tangiert.» Zudem wollte der SBV alte Überstunden nicht mehr mit Zuschlag ausbezahlen – auch dies konträr zur Regelung im LMV. Abschaffen wollte er ausserdem die monatliche Schwelle von 25 Überstunden. Und auch die Arbeitszeit­erfassung sollte ab einem bestimmten Polierlohn wegfallen. «Das hätte Tür und Tor geöffnet für noch mehr Gratisarbeit», kommentiert Kelley.

All das konnten die Gewerkschaften abwehren. Stattdessen wird der Baukadervertrag nun analog dem neuen LMV angepasst (siehe: rebrand.ly/lmv23). Hinzu kommt eine Er­höhung aller Mindestlöhne um 100 Franken. Keine Einigung gab es dagegen bei den Effektivlöhnen. Hier empfiehlt die Unia allen Polieren: ­Beharrt auf Teuerungsausgleich plus Reallohnerhöhung! Die Erfolgschancen sind vorzüglich. Poliere sind gesucht wie nie.

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