Cilag in Schaffhausen: Voller Teuerungsausgleich durchgesetzt

«Ich habe jetzt 1000 Franken mehr im Sack»

Jonas Komposch

In der Schaffhauser ­Pharmafabrik Cilag gibt’s den Teuerungs­ausgleich laut Vertrag komplett und automatisch. Doch das hatte die Geschäftsleitung «vergessen». Wache Mitarbeitende mussten ihr auf die Sprünge helfen.

UNABDINGBAR: Rund 1500 Angestellte sichern in Schaffhausen die Pharma-Produktion der Cilag. (Symbolbild: Cilag)

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das gilt auch beim Lohn, wie etliche Mitarbeitende der Schaffhauser Cilag merken mussten. Ausgerechnet! Denn die Fabrik für pharmazeutische Wirkstoffe und Medikamente geniesst eigentlich einen guten Ruf. 1936 als «Chemisches Industrielles Laboratorium» gegründet, produziert sie noch immer in der Munotstadt. Und das mit reichlich ­Erfolg. Im letzten Jahr ist die Belegschaft um etwa 100 Mitarbeitende gewachsen – auf neu rund 1500 Arbeiterinnen und Arbeiter. Ermöglicht hatte das auch der US-Multi Johnson & Johnson (J & J), zu dessen pharmazeutischer Marke Jannsen die Cilag gehört. 2021 glänzte J & J mit einem historischen Rekordgewinn von fast 21 Milliarden Dollar. Das Aktionariat erfreute sich üppiger Dividenden. Doch unten kam vom Glanzergebnis deutlich weniger an. Das zeigte sich im Frühjahr 2022.

Dank GAV erhalten die Schaffhauser Cilag-Mitarbeitenden jetzt 3 Prozent Teuerungsausgleich.

EIN STARKER GAV

Die Cilag-Geschäftsleitung gab allen Mitarbeitenden ihre individuelle Lohnentwicklung bekannt. Da staunten manche nicht schlecht: Ihre Löhne stiegen nur minim. Andere stagnierten sogar. Das kam nicht gut an, wie Michel Krögel (43) von der Betriebskommission (BK) weiss: «Wir waren irritiert. Denn der Unternehmenserfolg kommt nicht nur dank dem Aktionärskapital zustande. Geld arbeitet ja nicht.»

Die Fragezeichen waren umso grösser, als die Inflation bereits spürbar wurde. Und weil im mindesten der volle Teuerungsausgleich hätte gewährt werden müssen. Das garantiert ein Paragraph, der in Gesamtarbeitsverträgen (GAV) selten geworden ist. Bei der Cilag aber, wo der von der Unia ausgehandelte GAV «Einheitsvertrag» heisst, steht unter Paragraph 18: «Die individuellen Löhne werden jährlich dem Landesindex der Konsumentenpreise angepasst.» Und: «Massgeblich ist der Index per Ende Oktober.» Ende Oktober 2021 betrug die Teuerung 1,2 Prozent. Aber nicht in jedem Fall stiegen die Löhne um diesen Satz. Auch bei Maschinentechniker Krögel nicht: «Ich hatte null Prozent.» Die Belegschaft wandte sich an die Gewerkschaft. Und dann ging’s los.

«CILAG-SPIRIT» IN GEFAHR?»

Der Unia-Branchenverantwortliche Johannes Supe und sein Team baten die Geschäftsleitung um ein Treffen. Dort stiess Supe auf taube Ohren. Er erklärt: «Sie argumentierten, die Teuerung im Schnitt der letzten Jahre ausgeglichen zu haben.» Doch das genügt nicht: Die Löhne müssen laut GAV «individuell» und «jährlich» der Teuerung angepasst werden, nicht im Schnitt oder über die Jahre verteilt. Supe stellte den Gang ans Schiedsgericht in Aussicht. Darauf zahlte die Cilag. Aber erneut gab’s einen Haken. Supe erklärt: «Einige Mitarbeitende erhielten bloss eine einmalige Pauschalzahlung und nicht eine Lohnerhöhung, wie das der GAV vorschreibt.» Eine weiteres Treffen – und auch dieser Fehler war bereinigt.

Maschinentechniker Krögel freut’s: «Ich habe jetzt rund 1000 Franken mehr im Sack.» Er betont aber, dass J & J grundsätzlich ein guter Arbeitgeber mit anständigen Löhnen sei. Das sieht auch Brian Darnell (63) so. Der Materialwart ist schon im 25. Dienstjahr und verweist auf die langjährige Sozialpartnerschaft: «Gerade die letzte GAV-Verhandlung brachte gute Lohnerhöhungen und war sehr zufriedenstellend.» Den bewährten «Cilag-Spirit» sieht Darnell aber in Gefahr.

EINBRINGEN LOHNT SICH

Dies wegen der zunehmenden Integration in den Mutterkonzern. Darnell: «Die HR-Abteilungen aller Standorte wurden zusammengelegt, und vom Betriebsrat wird heute erwartet, alles abzunicken.» Da sei eine starke Gewerkschaft im Rücken elementar. Dieser Meinung ist auch ­Betriebsratspräsident Ralf Keser (46), auch er ein alter Cilagianer: «Die Beziehung zur Geschäftsleitung ist in der Regel gut, auch dank dem Einheitsvertrag. Doch der ist nicht vom Himmel gefallen, sondern das Resultat langer und teils zäher Auseinandersetzungen.» Deshalb rät er allen Kolleginnen und Kollegen: «Lest den Vertrag genau – und bringt euch ein. Es lohnt sich!»

Dass Keser damit recht hat, beweist die letzte Lohnrunde: Von den über 4300 Mitarbeitenden an den neun Schweizer J & J-Standorten profitieren nur die Schaffhauser vom vollen Teuerungsausgleich von 3 Prozent. Denn nur sie haben eine starke gewerkschaftliche Organisation und einen Einheitsvertrag. Dem Rest gewährt der Konzern bloss individuelle Erhöhungen, wobei diese im Schnitt dem «Richtwert 2,5 Prozent» entsprechen sollen.

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