Security-Frau Tanja Gehrig (37) kam mit ihrem Lohn gerade so über die Runden – dann fehlten plötzlich 500 Franken:

«Zwei Wochen gab’s nur noch Teigwaren»

Christian Egg

Das Security-Unternehmen Daru-Wache schluckt eine gut laufende Berner Firma. Seither bekommen die Mitarbeitenden Ende Monat nicht mehr den ganzen Lohn ausgezahlt. Tanja Gehrig machte dieses Spiel nicht mit – und wehrte sich.

ENTSCHLOSSEN: Tanja Gehrig liess sich die faulen Lohntricks ihres ehemaligen Arbeitgebers, der Daru-Wache, nicht gefallen. (Foto: Matthias Luggen)

Lange war Tanja Gehrig zufrieden mit ihrem Arbeitgeber. Die 37jährige arbeitet seit 14 Jahren für die Sicherheitsfirma GSD Gayret Security. Auf Andreas Gayret, deren Gründer und langjährigen Geschäftsführer, lässt sie nichts kommen: «So einen Chef kannst du weit suchen», sagt sie. Die Organisation sei top gewesen, die Stimmung gut und die Löhne immer pünktlich.

Bis zum April dieses Jahres. Da verkaufte Gayret die Firma. Und zwar an die Daru-Wache, mit über 300 Mitarbeitenden einer der grössten Player in der Branche. Der Firmenname GSD blieb, aber die Daru setzte einen neuen Chef ein. Der habe, so Tanja Gehrig, die knapp 30 GSD-Mitarbeitenden beruhigt: «Er sagte, für uns würde sich nichts ändern.»

Die Firma legte allen neue Verträge vor und drohte mit der Kündigung.

2025 FRANKEN BRUTTO

Ein leeres Versprechen, wie sich im Juli zeigte. Denn seither zahlt die Daru Ende Monat nicht mehr den vollen Lohn aus. Sondern nur noch 80 Prozent. Den Rest gibt’s erst am 15. des nächsten Monats. Auch die Lohnabrechnung kommt erst dann. Besonders dreist: Dort werden die fristgerecht ausgezahlten 80 Prozent als «Lohnvorzahlung» bezeichnet. Das geht aus Lohnabrechnungen hervor, die work vorliegen. Warum Daru Ende Monat nicht den ganzen Lohn zahlt, bleibt ihr Geheimnis: Die Fragen von work wollte sie nicht beantworten. Statt guter Stimmung herrschen jetzt Wut und Frust in der Firma. Susanne Trösch*, eine weitere GSD-Mitarbeiterin, sagt: «Als sie das mit dem Aufteilen des Lohnes bekanntgaben, haben wir alle reklamiert. Die Antwort war, das sei einfach so.»

Für Tanja Gehrig hatte das neue ­Regime gravierende Folgen. Sie ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern im Primarschulalter und arbeitet 45 Prozent. Zu ­einem Bruttolohn von 2025 Franken im Monat – 13. Monatslohn bereits inklusive. Sie sagt: «Ich lebe am Existenzminimum, aber es geht grad. Solange ich den Lohn rechtzeitig erhalte.»

WER NICHT PARIERT, FLIEGT

Im Juli schildert sie dem Chef ihre Lage. Dieser zahlt Gehrig 500 Franken Vorschuss in bar. Statt den gesamten Lohn fortan pünktlich zu bezahlen, verspricht er ihr, künftig Ende Monat 90 Prozent zu überweisen. Auch das hält er nicht ein. Gehrig: «Es kommen sogar weniger als 80 Prozent, manchmal gar nur 70!» Damit fehlt es ihr ständig an Geld, sie kann Rechnungen nicht mehr pünktlich bezahlen. «Und den Kindern muss ich noch öfter sagen: Dafür reicht es nicht.»

Mitte Oktober kommt es noch schlimmer. Gehrig rechnet mit dem Rest des Septemberlohnes, nicht ganz 400 Franken. Doch jetzt zieht ihr die Daru den Vorschuss vom Juli ab. Statt Lohn ergibt das ein Minus von 127 Franken. Gehrig war verzweifelt: «Klar muss ich den Vorschuss vom Juli zurückzahlen. Aber so ohne Vorwarnung, das ist mehr als unfair!» Der Rest des Oktobers sei brutal gewesen. Bei den Kindern habe sie nicht noch mehr gespart. «Aber ich musste zwei Wochen von Teigwaren und Tiefkühlfood leben.»

Anstatt die Anliegen der Mitarbeitenden ernst zu nehmen, setzte die Daru Druck auf. Sie legte allen Beschäftigten einen neuen Arbeitsvertrag vor, wo die verzögerte Lohnzahlung festgeschrieben ist. Verbunden mit einer Kündigungsandrohung. Susanne Trösch: «Die Botschaft war: Entweder du unterschreibst, oder du kannst gehen.» Fast alle hätten unterschrieben. Tanja Gehrig weigerte sich. Am nächsten Tag hatte sie die Kündigung im Briefkasten.

«Ich muss meinen Kindern immer öfter sagen: Dafür reicht es nicht.»

GEGEN DAS GESETZ

Doch hier endet die Geschichte nicht. Denn die GSD-Mitarbeitenden wandten sich an die Unia. Und es stellte sich heraus: Die Daru-Wache handelt widerrechtlich. Regula Dick, Leiterin des Rechtsdienstes der Unia: «Laut Bundesgericht darf zwischen der Arbeit und dem Lohn nicht mehr als ein Monat verstreichen. Wenn die Daru die Arbeit von Anfang September erst am 15. Oktober entlöhnt, ist genau dies der Fall.» Damit sei auch die Klausel in den neuen Arbeitsverträgen ungültig.

Die Unia-Mitglieder Gehrig und Trösch sagen: Das mit den Löhnen sei nur das krasseste Beispiel vom Chaos, das die neuen Daru-Chefs in der Firma angerichtet hätten. Trösch erzählt: «Die definitiven Dienstpläne gelten nur für eine Woche, und wir bekommen sie am Freitag vorher um 18 Uhr! Die Stundenabrechnungen sind total unübersichtlich, manchmal fehlen Einsätze, die ich geleistet habe.»

Julien Mayor von der Unia Bern nahm mit den Daru-Chefs Kontakt auf. Im September traf er sie und forderte gesetzeskonforme Lohnzahlungen spätestens ab Oktober. Doch die Daru hält an ihrer Praxis fest. Aktiv sind dagegen die beiden Mitarbeiterinnen. Susanne Trösch verlangt jetzt auf rechtlichem Weg eine gesetzeskonforme Lohnzahlung. Die Unia unterstützt sie dabei. Ebenso Tanja Gehrig – sie geht gegen ihre Kündigung vor. Juristin Regula Dick stellt klar: «Sie weigerte sich, eine rechtswidrige Vertragsbedingung zu akzeptieren. Ihr deswegen zu kündigen ist missbräuchlich.»

*Name geändert

3 Kommentare

  1. Hanspeter Morgenegg

    Ich kann dem Kommentar von Tanya Gehrig nur zustimmen.
    Für das Verhalten der Geschäftsleitung der Daru Wache
    gibt es keine Rechtfertigung. Was die sich gegenüber den Mitarbeitern erlauben dafür gibt es keine Worte. Zum Glück für mich. Wenn es dafür Worte geben würde ich für meine Meinungsäusserung gleich die Todesstrafe bekommen. Ich kündigte bei der Daru Wache aus Mitleid mit unserer lieben und Warmherzigen Disponentin Hannah Liptow und das war mein Glück. Ich wollte ihr damit beweisen dass man auch mit über 60 mit etwas Glück noch eine tolle Stelle finden kann. Ich arbeite jetzt bei einer super tollen Sicherheitsfirma die voll auf Erfolgskurs ist.

    • Chröppler

      Wenn das schon alles wäre…

      – jedes zweite wochenende frei, stimmt nicht
      – trotz pause alle 10min das diensthandy berühren wegen totmannalarm, das ist keine erholsame pause (bezahlt wird diese ja auch nicht)
      – das diensthandy wollte eines tages plötzlich vitaldaten aufzeichnen! Privatsphäre?! geht’s noch?!
      – zu kurze objektzeiten, stress pur und 0 qualität
      – zusätzliche rapporte (zB wegen längerem arbeiten) gehen teilweise unter oder verschwinden
      – uniformdepot abzüge (aber bereits defekte kleidung erhalten)

      Und ich bin überzeugt davon, dass es noch mehr Sachen gibt.

  2. Schöttli

    Es ist immer noch das gleiche.Auch ich habe bei der Daru mit meiner Frau zusammen gearbeitet.Zusammen haben wir 160% Dienst geleistet und sind Brutto auf ein Einkommen von knapp 5000.-gekommen.
    Natürlich nach dem Modell der Daru wie im Bericht beschrieben.Immer noch das selbe in dieser Scheiss Firma…

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