Der Dumping-Dienst kommt in Genf mit einem blauen Auge davon

Uber zahlt – aber viel zu wenig!

Christian Egg

Uber muss in Genf für seine Fahrerinnen und Fahrer rund 20 Millionen Franken nachzahlen. Weit weniger, als diese gefordert hatten.

DER UBER-KOMPLEX: Im August berichtete work ausführlich über das Dumping-System von Uber-Gründer Travis Kalanick (links), zu dessen Freunden Frankreichs Präsident Macron (rechts) zählt. (Montage: Ninotchka.ch)

Der Kanton Genf akzeptiert den Vorschlag von Uber. Der Dumping-Taxidienst verpflichtet sich, rund 20 Millionen Franken an Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen nachzuzahlen. Im Gegenzug darf er weiter in Genf tätig sein.

In der epischen Uber-Saga endet damit ein Kapitel, das diesen Juni begonnen hat. Damals entschied das Bundesgericht: Uber ist Arbeitgeber und war es von Anfang an (work berichtete: rebrand.ly/rotekarte). Es folgten Vereinbarungen, Verhandlungen und Ende August eine erste Zahlung von Uber an die Fahrerinnen und Fahrer (knapp eine Million Franken). Mit den jetzigen Zusagen, so der Kanton, komme Uber seinen Verpflichtungen aus der Vergangenheit nach. Der Grossteil des Geldes geht allerdings nicht direkt an die Fahrerinnen und Fahrer. Rund 15 Millionen sind Arbeitnehmenden­beiträge an die Sozialversicherungen.

«Der Kanton Genf ist Uber zu weit entgegen gekommen.»

4,6 statt 45 Millionen Franken

Den Genfer Fahrerinnen und Fahrern wird Uber insgesamt 4,6 Millionen Franken überweisen. Ein Bruchteil der tatsächlichen Schulden, wie eine Berechnung der Unia zeigt: Bei einem Stundenlohn von 28 Franken und Autospesen von 70 Rappen pro Kilometer müsste Uber ihnen 45 Millionen zahlen, also zehnmal mehr.

Damit nicht genug. Die beiden Beträge, 15 plus 4,6 Millionen, sind exakt diejenigen, die der US-Konzern bereits im September als «letztes Angebot» auf den Tisch gelegt hatte, als er mit den Gewerkschaften verhandelte. Die Fahrerinnen und Fahrer lehnten es mit deutlichen Worten ab: Die Beträge seien «erniedrigend» tief und «völlig losgelöst» von ihrer Arbeitsrealität. Roman Künzler, Unia-Branchenleiter Transport und Logistik, kritisiert: «Da ist der Kanton Genf Uber zu weit entgegengekommen.»

Mit einem simplen Rechentrick liess der Konzern sein Angebot schöner aussehen, ohne einen Rappen mehr zu bieten. Denn eine wichtige Frage lautet: Wie werden die 4,6 Millionen unter den Fahrerinnen und Fahrern verteilt? In den Verhandlungen sagte Uber noch: auf Basis aller Fahrten der letzten 5 Jahre. Im Vorschlag an den Kanton verkürzte Uber diese Zeit flugs auf weniger als 3 Jahre. Und erreicht so eine höhere Entschädigung pro Kilometer. Und das Okay des Kantons. Für die Betroffenen heisst das aber: Wenn sie das Angebot von Uber annehmen, zählt alle Arbeit, die sie vor 2019 geleistet haben, für die Entschädigung nicht.

Erfolg bei Arbeitszeit

Denn bis Ende Jahr will Uber allen den Betrag mitteilen, den sie zugute haben. Dann lautet der Deal: Wer das Geld annimmt, verzichtet auf alle weiteren Ansprüche. Unia-Mann Künzler: «Die Chauffeurinnen und Chauffeure müssen sehr genau überlegen, ob sie ihre Forderungen nicht lieber vor Arbeitsgericht einklagen wollen.» Und verrät: «Mehrere Fahrer haben sich bereits entschieden, das zu tun.»

Aller Enttäuschung zum Trotz: Künzler kann dem Genfer Entscheid auch Positives abgewinnen. Etwa wie die Regierung die Arbeitszeit berechnete: Nicht nur vom Ein- bis zum Aussteigen des Fahrgasts, wie es der Uber-Partner MITC heute noch praktiziert (siehe Kasten). Sondern dazu schon die Anfahrt – und dann die beiden Zeiten mal zwei, weil Rückfahrt und Leerzeiten auch entlöhnt werden müssen.

Und das sei, so Künzler, «eine Vorlage für andere Kantone». Auch dass Uber in Genf jetzt die AHV-Beiträge der Mitarbeitenden selber zahle, und zwar rückwirkend seit 2014, helfe allen Fahrerinnen und Fahrern, so Künzler: «Das setzt einen Standard. Mit weniger dürfen sich andere Kantone nicht abspeisen lassen.»

Neue Kontrolle: Jetzt geht’s um die Wurst

Auch wenn Genf Uber jetzt gegen eine Zahlung von 20 Millionen von seinen vergangenen ­Sünden losspricht: fürs Hier und Jetzt gilt das nicht. Ungeklärt bleibt: Sind die Verträge, mit denen die Uber-Taxis jetzt in Genf herum­kurven, überhaupt legal?

NEUES PARTNER-SYSTEM. Zur Erinnerung: Nur zwei Wochen nach dem Bundesgerichtsurteil zauberte Uber die «Partnerfirma» MITC aus dem Hut. Diese übernahm alle rund 800 ­Arbeitsverträge und leiht die Mitarbeitenden seither an Uber aus. Bezahlt aber nur die Minuten, in denen ein Fahrgast befördert wird. Das ­widerspricht den Regeln des Personalverleihs.

Eine Kontrolle durch die Genfer Behörden läuft. Das Ergebnis dürfte den Rest der Schweiz inter­essieren: Uber hat nämlich angekündigt, das umstrittene «Partnerfirmen»-Kon­strukt auf die ganze Schweiz auszuweiten. (che)

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