Trotz Mega-Gewinn: Der «orange Riese» drückt die Reallöhne

Migros-Verkäuferinnen bald noch ärmer

Jonas Komposch

668 Millionen Franken Gewinn machte der Migros-Konzern zuletzt. Jetzt kürzt er seinen Mitarbeitenden die realen Löhne – und verkauft es als Fortschritt.

Foto: Keystone

Faule Medienschaffende lieben Pressemitteilungen. Ein bisschen kopieren hier, ein wenig umformulieren da, und fertig ist der Artikel. Die Absender freut’s. Zum Beispiel die Migros.

Der Genossenschaftsbund kommunizierte seine gescheiterten Lohnverhandlungen jüngst so: «Migros steigert Personalvergütungen um bis zu 2,8 Prozent und erhöht erneut die Mindestlöhne.» Sofort titelten Zeitungen landauf, landab: «Migros erhöht Löhne und Vergütungen.» Ein perfektes Echo für den Konzern!

MINILÖHNE SINKEN WEITER

Was aber nicht mithallte: die Teuerung beträgt 3 Prozent. Und auch im neuen Jahr werden die Preise weiter ansteigen. Real werden die Migros-Löhne also nicht «erhöht», sondern gesenkt! Das ist den Mitarbeitenden sehr wohl bewusst. Die Zürcher Verkäuferin Dorothe Meier * (59) etwa sagt: «Mal schauen, ob ich so noch über die Runden komme, ich mit meinem Nettolöhnli von 3500 Franken!» Schon heute sei sie von ihrem Partner abhängig. «Ohne seinen Zustupf ginge es nicht», sagt Unia-Mitglied Meier. Von der Migros sei sie zunehmend enttäuscht. Mit ­gutem Grund.

Zuletzt erzielte der Konzern nämlich einen Reingewinn von 668 Millionen Franken. Vor zwei Jahren waren es sogar 1,75 Mil­liarden. Gemäss Statuten muss der gesamte Gewinn in den Konzern reinvestiert werden. Aber jetzt soll nicht einmal der Teuerungsausgleich drinliegen? Migros-Sprecherin Carmen Hefti sagt dazu: «Die wirtschaftliche Situation ist in diesem Jahr besonders schwierig.» Beweise bleibt sie allerdings schuldig. Und noch etwas irritiert: Die ­Erhöhung des Nominallohns um 2,8 Prozent wird wohl nur den wenigsten Angestellten bezahlt werden. Denn: Erstens sind nur rund die Hälfte der 97 500 Mitarbeitenden dem Migros-Gesamtarbeitsvertrag unterstellt. Und zweitens können die einzelnen Unternehmenseinheiten selbst entscheiden, wie stark sie die Lohnsumme anheben wollen. Die Bandbreite liegt zwischen 2 und 2,8 Prozent. Die Hälfte davon darf die Migros ausserdem in Form von Migros-Gutscheinen entrichten. Für Anne Rubin, Detailhandelsverantwortliche der Unia, ein absolutes No-Go: «Gutscheine haben in Lohnverhandlungen nichts zu suchen! Sie führen weder zu nachhaltigen Lohnerhöhungen, noch können sie frei verwendet werden.»

ZUMBRUNNEN VS. «DUTTI»

Das sieht auch der Kaufmännische Verband so. Der sonst brave Sozialpartner hat die Migros-Lohnrunde prompt platzen lassen. Keine Einwände hatte ­dagegen der Metzgereipersonalverband. Er unterschreibt seit Jahren fast alles, was ihm der Konzern vorlegt. Und die Unia? Sie ist dem Management zu unbequem und daher seit 2004 von allen Verhandlungen ausgeschlossen – trotz ihren rund 2000 ­Mitgliedern bei der Migros.

Und a propos Manager: Das Salär von Noch-CEO Fabrice Zumbrunnen (52) ist seit seiner Wahl an die Migros-Spitze 2018 jedes Jahr um 10 000 Franken angewachsen. Zuletzt sackte er 920 000 Franken ein. Was dazu wohl Gottfried Duttweiler gesagt hätte? Der Migros-Gründer schrieb einst in seinem «Brückenbauer»: «Das Kapital unserer Gesellschaften soll stets für die Schwachen einstehen (…) gegen die Starken, die ihre Macht missbrauchen.»

*Name geändert

1 Kommentar

  1. Rolli

    Es ist eine Frechheit immer auf die kleinen und wenig Verdiener
    Ich überlege mir nicht mehr bei Migros einzukaufen

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