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Klima und Krieg: Die Schweizer Armee ist ein Eisberg, der nicht schmilzt, sondern wächst und wächst

Die Schweiz will immer mehr für Rüstung und Armee ausgeben. Anstatt die entsprechenden Mittel halbwegs sinnvoll einzusetzen. Und in neue erneuerbare Energien zu investieren.

BLAUSEE-MITHOLZ: Wegen der Munitionsräumung der Armee verlieren die Anwohnenden ihre Heimat. Was bleibt, ist ein Miniatur-Nachbau im Alpinen Museum. (Foto: Alpines Museum)

Viele gingen davon aus, dass Russland die Ukraine überrollen werde. So wie es das vor acht Jahren mit der Krim gemacht hat. Daraus wurde aber nichts: Das System Putin erleidet militärisch eine Niederlage nach der andern.

Die russischen Waffensysteme sind denen des Westens klar unterlegen. Eigentlich logisch, weil die USA zehn Mal mehr für die Armee ausgeben, als Putin ausgeben kann. Und Europa mindestens das Doppelte Russlands. Warum wir angesichts dieser Ausgangslage noch mehr für die Aufrüstung ausgeben sollen, verstehe, wer kann.
Bei den Ausgaben für die Armee gilt es mehrere Dinge zu unterscheiden:

Eisberg 1: In der Schweiz werden bei Armeeausgaben bei den internationalen SIPRI-Vergleichen immer nur jene Kosten ausgewiesen, die sich im Bundesbudget finden. Doch wir haben ein Milizsystem – und darum tauchen rund 3 Milliarden Franken pro Jahr dort nicht auf. Wir müssen sie also dazuzählen. Die Schweiz wird für die Armee nächstens 10 Milliarden Franken pro Jahr ausgeben. Pro Kopf mehr als jedes andere Land Europas.

Eisberg 2: Die Schweiz hat ein hohes Bruttoinlandprodukt pro Kopf, weil wir ein reiches Land sind. Doch dieser Reichtum ist verdammt ungleich verteilt. Alle Vergleiche – wie den obigen – müssen wir sinnvollerweise in Dollar, Euro oder Franken pro Kopf anstellen. Das kommt heute übrigens wegen des starken Frankens praktisch auf das gleiche heraus.

Eisberg 3: In der Ukraine testen die Nato einerseits und die Russen andererseits die eigenen und die eingekauften Waffensysteme. Welche bewähren sich und welche weniger? Welche Systeme verursachen pro investierte Million Franken am meisten militärische und zivile Opfer? Bevor sich hier der Nebel der Grausamkeiten nicht lüftet, müssten wir – so Frau Armeeministerin Viola Amherd denn an militärische Abschreckung glaubt – alle Rüstungsvorhaben vorerst stoppen.

Eisberg 4: Atomkraftwerke sind die dreckigen Atombomben des Gegners im eigenen Land. Wer beschiesst das ukrainische AKW Saporischja? Die Russen oder die Ukrainer? Oder beide zu unterschiedlichen Tageszeiten? Wir wissen es nicht, noch nicht. Wir wissen nur eines: Wer die Schweiz militärisch verteidigen will, muss die bestehenden Atomkraftwerke so schnell wie möglich vom Netz nehmen. Und darf keine neuen bauen.

Eisberg 5: Während diese Zeilen geschrieben werden, sind 70 Prozent der Haushalte in Kiew ohne Strom, ohne Fernwärme und ohne Trinkwasser. Wie soll man so den Winter überstehen? Wer die Schweiz ernsthaft auf Krisen vorbereiten will, müsste – anstatt aufzurüsten – zwei Dinge tun: Erstens in neue erneuerbare Energien investieren. Und zweitens alle Quartiere und Unternehmen mit Notstromaggregaten ausrüsten. Käme erst noch billiger.

Etwas irritiert. Politisch warnt fast nur Noch-Finanzminister Ueli Maurer vor zu hohen Militärausgaben. Vielleicht hat er die Gripen-Niederlage noch nicht verdaut. Oder aber die Aufrüstungs­spirale macht ihm wirklich Sorgen.

Eisberg 6: Überall, wo die Armee die Finger im Spiel hat, explodieren die Kosten. Im IT-Bereich des VBS steigen sie von 155 Millionen auf 314 Millionen Franken. In Sachen Aufräumarbeiten in Blausee-Mitholz sind wir inzwischen bei 2,5 Milliarden Franken angelangt. Und nächstens wird die Armee die ganzen Munitionsrückstände im Genfer-, Thuner-, Brienzer- und Vierwaldstättersee aufräumen müssen. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) müsste hier mit einem eigenen, ferngesteuerten U-Boot endlich mal etwas Staub und Schlamm aufwirbeln.

Links zum Thema:

  • rebrand.ly/mitholz Heimat ist vielfach dort, wo wir aufgewachsen sind. Die einen ziehen weg, andere bleiben. In Blausee-Mitholz müssen nächstens alle wegziehen, weil die Armee ihren Dreck – konkret: 3 Millionen Kilo Munition – nicht entsorgt hat. Eine Ausstellung des Alpinen Museums in Bern versucht sich diesem Verlust anzunähern. Ein Besuch lohnt sich.
  • rebrand.ly/gsoa-zeitung Es lohnt sich, die neuste GSoA-Zeitung zu lesen!

 

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