Riegers Europa

Italiens neue Regierung: Grausiges ­Kabinett

Andreas Rieger

Andreas Rieger

Faschismus? Postfaschismus? National-Konservativismus? Noch ist nicht klar, wohin das neue Regime in Italien geht. Massenaufläufe von faschistischen Schwarzhemden, wie vor 100 Jahren unter Benito Mussolini, gibt es nicht. Die bisherigen Strukturen der Demokratie bestehen weiterhin. Die Gewerkschaft CGIL findet, sie habe schon viele grausige Regierungen erlebt, sie würde auch Ministerpräsidentin Giorgia Meloni an ihren Taten messen.

Präsidentin Meloni hetzt gegen Arbeitslose.

ABSURDE ANSAGEN. Die Berufung der neuen Ministerinnen und Minister spricht jedoch Bände: Der Gesundheitsminister Orazio Scillaci erklärt die Corona-Pandemie für beendet und will wieder «Normalität», ohne Maskenpflicht in Spitälern und ohne Impfpflicht für das Gesundheitspersonal. Die neue Arbeitsministerin Marina Calderone ist Anhängerin der neoliberalen Flexibilisierung, welche Italien schon Millionen prekäre Jobs beschert hat. Massnahmen für mehr Lohngleichheit für die Frauen will sie nicht, denn sie belasteten Arbeitgeber angeblich mit zusätzlicher Bürokratie.

Familienministerin Eugenia Roccella ist eine ultrakonservative Katholikin. Abtreibung, Ehe für alle und Sterbehilfe sind für sie des Teufels. Der neue Erziehungsminister Giuseppe ­Valditara meint, dass das Römische Reich an Überfremdung zugrunde gegangen sei, und befürchtet ähnliches für Italien. Mit dem neuen Minister für Transport, Matteo Salvini, ist er in bester Gesellschaft. Dieser will Flüchtlinge übers Meer vertreiben, indem er Italiens Häfen dichtmacht. Und Ministerpräsidentin Meloni selbst greift die Arbeitslosenhilfe und die Arbeitslosen an. Sie sollten sich endlich mal um Arbeit bemühen.

EU-MILLIARDEN. Wirtschaftspolitisch gibt sich die Regierung pragmatisch: Steuersenkungen sind zwar Regierungsprogramm, im verschuldeten Italien wären sie aber genauso Sprengstoff, wie sie es im verschuldeten Grossbritannien der zurückgetretenen Liz Truss waren.

Auf die von der EU versprochenen Hunderte Milliarden Euro aus dem Investitionsfonds will die neue Regierung nicht verzichten – sonst fällt Italien schnell in eine tiefe Rezession. Der Staat soll zudem weiterhin die Explosion der Energiepreise deckeln – sonst sind Protestbewegungen sicher. Genauso sind Massenbewegungen der Gewerkschaften programmiert, sobald die Regierung mit dem Sozialabbau beginnt. Deshalb wird sich das Gruselkabinett von Giorgia Meloni voraussichtlich austoben, indem es die Rechte von Flüchtlingen, Arbeitslosen und von gesellschaftlichen Minderheiten mit Füssen tritt.

Andreas Rieger war Co-Präsident der Unia. Er ist in der europäischen Gewerkschafts­bewegung aktiv.

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