Entlassungen beim Subunternehmer Simple Pay

Unia-Anwalt entlarvt Smood-Manöver

Christian Egg

Über das Marionetten-Unternehmen Simple Pay will der Essenslieferdienst Smood ganze 10 Millionen Franken einsacken, die den Fahrerinnen und Fahrern gehören. Doch diese sagen: «Nicht mit uns!»

FALSCH ABEGBOGEN: Über ein Subunternehmerkonstrukt versuchte Smood, seine Fahrerinnen und Fahrer um ihren Lohn zu bringen. (Foto: PD)

Mindestens 10 Millionen Franken könnten Multimillionär Marc Aeschlimann und die Migros mit der Entlassung von 218 Simple-Pay-Mitarbeitenden einsparen, schätzt die Unia. Denn ihnen gehört der Essenslieferdienst Smood. Aber der Smood-Gründer und der Grossverteiler müssten dazu erst die Lohnschulden des Subunternehmens Simple Pay los werden. Und deshalb hat Simple Pay alle seine Fahrerinnen und Fahrer entlassen. Ohne Sozialplan. Doch fangen wir vorne an.

«Smood muss als Arbeitgeber für die Lohnforderungen geradestehen.»

ILLEGALE VERTRÄGE

Lange war Simple Pay der Motor für den Aufstieg von Smood im umkämpften Foodkurier-Markt. Die Firma funktionierte als Personalverleiherin und hatte in den besten Zeiten fast 1000 Fahrerinnen und Fahrer in der ganzen Westschweiz unter Vertrag. In Smood-Uniformen lieferten sie Smood-Bestellungen aus. Smood strich den Profit ein und gab Simple Pay gerade genug, um die miesen Löhne zu zahlen. Den Augustlohn hat der Simple-Pay-Fahrer Maher Bouazizi sogar erst im September erhalten, wie er gegenüber work berichtet. Bis zum Konkurs von Simple Pay scheint es derzeit nicht mehr weit.

Der historische Fünf-Wochen-Streik bei Smood und Simple Pay im letzten Winter (rebrand.ly/smoodstreik) war der Anfang vom Ende für Simple Pay. Nach dem Streik stellte die Genfer Schlichtungsstelle fest: Die Verträge von Simple Pay sind illegal. Denn die Firma bezahlte die Lieferfahrten nur minutenweise anstatt die gesamte Schicht. Jetzt haben die Fahrerinnen und Fahrer Anrecht auf hohe Lohnnachzahlungen. Food-Kurierinnen und -Kuriere sind eigentlich dem Gastro-GAV unterstellt. Doch Smood weigert sich, dies umzusetzen, und hat lieber einen Hinterrücks-GAV mit der Gewerkschaft Syndicom abgeschlossen (rebrand.ly/hinterruecks-gav).

Rückwirkend seit der Firmengründung 2018 belaufen sich die Nachzahlungen allein im Fall von Fahrer Maher Bouazizi auf 61 000 Franken, die er jetzt, unterstützt von der Unia, vor Gericht einfordert (rebrand.ly/smood-klage). Insgesamt dürften die Lohnrückstände zehn Millionen Franken oder mehr ausmachen.

Weder Smood noch Simple Pay haben auf die Fragen von work reagiert. Die bisherige Erfahrung zeigt: Smood tut alles, um nicht zahlen zu müssen. Bei einem Konkurs von Simple Pay könnte Smood jetzt sagen: Ätschpätsch, Simple Pay ist pleite. Und wir waren nicht der Arbeitgeber.

PERSONELLE VERFLECHTUNGEN

Doch jetzt zeigt sich: Das verfängt nicht. Im Auftrag der Unia vertritt der Genfer Anwalt und SP-Nationalrat Christian Dandrès mehrere Simple-Pay-Fahrer. In seinen Klagen weist er nach: Simple Pay war nur eine Mario­nette. «Smood hatte alle Fäden fest in der Hand», so Dandrès gegenüber work. Misstrauisch machten ihn zuerst die engen personellen Verflechtungen zwischen den beiden Firmen: Die Gründerin und Geschäftsführerin von Simple Pay, Ariana Grammatopoulo, war 2012 Co-Gründerin von Smood und sass fünf Jahre in seinem Verwaltungsrat.

«Denken die wirklich, ich lasse mir das weiter gefallen?»

JETZT REICHT’S!

Für die Fahrerinnen und Fahrer sei Simple Pay nicht fassbar gewesen, so Dandrès weiter: «Sie bekamen die Anweisungen von Smood, mussten sich bei Beschwerden an Smood wenden, Smood erklärte die Abrechnungen. Simple Pay hatte nichts zu melden.» Der Schwindel flog auf, als Anwalt Dandrès Simple Pay einen Besuch abstattete. «Am Gebäude gab es kein Firmenschild. Der Firmensitz befindet sich im Untergeschoss, in der Nähe des Abstellraums für die Abfallkübel. Es ist ein ausgebauter Keller mit zwei Räumen. Ein paar Möbel, zwei Computer, eine Kaffeemaschine. Es war offensichtlich, dass die Firma mit bis zu knapp 1000 Mitarbeitenden nicht von dort aus geleitet wurde, sondern von Smood.» Sein Antrag ans Gericht ist somit klar: Smood müsse als Arbeitgeber für die Lohnforderungen geradestehen.

Wie alle bei Simple Pay hat auch Fahrer Maher Bouazizi die Kündigung erhalten. Smood sagt, man habe etwa hundert Entlassene direkt angestellt. Aber Bouazizi denkt nicht daran: «Ich habe für die Firma fast drei Jahre lang ge­chrampft. Sie weigert sich, mir zu zahlen, was mir zusteht. Denken die wirklich, ich lasse mir das weiter gefallen?»


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