Neue Volksinitiative gegen den Lohnbschiss der Chefs:
Tessiner wollen höheren Mindestlohn

Dumpingfirmen können den neuen Tessiner Mindestlohn umgehen – leicht und sogar legal! Eine Volksinitiative will dem eine Ende setzen.

LÜCKENLOS: SP-Mann Fabrizio Sirica verlangt einen Mindestlohn ohne Ausnahmen. (Foto: Ti-Press / Alessandro Crinari)

Erst seit Januar ist er in Kraft – der Tessiner Mindestlohn von (nur) 19 Franken pro Stunde. Doch in seiner Oktobersession muss das Kantonsparlament in Bellinzona bereits über die Bücher. Denn die gewerkschaftliche Volksinitiative «Für einen sozialen Mindestlohn» ist gültig. Zu diesem Schluss kam am 13. September Roberto Di Bartolomeo, der Chefjurist des Parlaments. Die Initiative, die von über 13 000 Tessinerinnen und Tessinern unterzeichnet und bereits im Februar eingereicht worden war, verlangt: Der Mindestlohn dürfe niemals tiefer sein als die höchstmöglichen Ergänzungsleistungen aus AHV und IV. Auf aktuell 21 Franken 50 müsste der Mindestlohn damit angehoben werden – und zwar ausnahmslos.

Noch dürfen Firmen den kantonalen Mindestlohn unterschreiten, wenn sie über ­Gesamtarbeitsverträge (GAV) verfügen, die vor 2022 unterzeichnet worden sind. Dieses Schlupfloch hatten die Tessiner Gewerkschaften schon im Gesetzgebungsprozess scharf kritisiert. Zu Recht, wie sich letzten Herbst zeigte.

Es braucht im Minimum 21.50 Franken pro Stunde.

LEGA-LOHNDUMPER

Findige Industriebetriebe aus dem Südtessin nutzten die Gesetzeslücke schamlos aus. Freundliche Unterstützung bekamen sie dabei von der rechtspopulistischen Lega dei Ticinesi, die kurzerhand eine Pseudogewerkschaft namens «Tisin» aus dem Boden stampfte. Ihre einzige Aufgabe bestand darin, mit den Lohndrücker-Firmen noch vor dem 1. Januar 2022 Dumping-GAVs abzuschliessen. In manchen Fabriken des Mendrisiotto sind 16-Franken-Löhne daher nach wie vor verbreitet (work berichtete: rebrand.ly/tisin). Solchen Hungerlöhnen will die Initiative nun definitiv den Garaus machen. Doch das bürgerlich dominierte Parlament könnte auch diesmal versuchen, das Begehren zu verwässern. Eine Volksabstimmung wäre in diesem Fall allerdings programmiert. So sagt Fabrizio Sirica (33), SP-Co-Präsident und Mitglied des Initiativkomitees: «Zu Kompromissen sind wir nicht mehr bereit. Denn wenn Löhne tiefer sind als die staatlichen Ergänzungsleistungen, handelt es sich schlicht um Ausbeutung!»

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