1x1 der Wirtschaft

Pharma: Hohe Produktivität dank teuren Medikamenten

David Gallusser

Die Arbeitsproduktivität in der Schweizer Pharma ist in den letzten 10 Jahren stark gestiegen. Pharmafirmen schufen 2019 mit einer vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerin durchschnittlich Waren und Dienstleistungen im Wert von 828 000 Franken (vgl. Grafik). Das ist über einen Drittel mehr als noch 2011 und mehr als viermal so viel wie im Schweizer Durchschnitt. Kurz: Mit Anstieg und Niveau der Produktivität stellt die Pharma alle anderen Branchen in den Schatten. Ausnahme ist einzig der vermutlich noch produktivere Rohstoffhandel.

HOHE MEDIKAMENTENPREISE. Die eindrückliche Produktivität wirft unweigerlich die Frage auf, was die Pharma ­anders mache. An einer strafferen ­Arbeitsorganisation oder stärkeren ­Automatisierung kann es kaum liegen, da dies keine branchenspezifischen Merkmale sind, sondern andernorts genauso vorkommen. Der grosse ­Unterschied zu den anderen Branchen liegt vielmehr in der Macht der ­Pharma, die eigenen Preise zu setzen. Diese Macht konnte sie zudem ausbauen, indem sie Medikamente gegen bisher schwer behandelbare oder seltene Krankheiten entwickelte. Für diese Produkte ist nicht nur die Zahlungsbereitschaft grösser, sondern auch die Konkurrenz bisher kleiner. Das gilt auch für die neuen Immuntherapien, die für einzelne Patienten individuell hergestellt werden müssen. Zudem hat sich die Branche stärker auf die USA ausgerichtet, wo bei der Preissetzung von patentgeschützten Medikamenten noch weniger Grenzen gesetzt sind als in Europa. Wohl kein anderes Medikament versinnbildlicht diese Entwicklung mehr als Zolgensma: Das Präparat wird gegen eine seltene erbliche Erkrankung des Rückenmarks eingesetzt und erlaubt es Novartis, in den USA für eine Behandlung über 2 Millionen Franken in Rechnung zu stellen.

NACHHOLBEDARF BEIN LOHN. Die ­höhere Arbeitsproduktivität schlägt sich in den Löhnen nieder. Der Durchschnittslohn in der Pharma ist zwischen 2011 und 2019 um einen Fünftel gestiegen. Das ist zwar ansehnlich, aber trotzdem weniger als der Produktivitätsanstieg. Deshalb geht heute ein grösserer Teil der Wertschöpfung ans Aktionariat. Noch bedenklicher ist, dass längst nicht alle vom Lohn­anstieg profitierten. Die mittleren ­Löhne der Beschäftigten ohne Kaderposition sind nämlich zuletzt kaum gestiegen. Das muss sich ändern: Die Produktivität würde längst bessere Löhne für alle erlauben.

David Gallusser ist Ökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB).

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