Welche Gewerkschaft für welche Zukunft?

Die Unia-Reform kommt voran

Johannes Supe

Kann man eine Organisation mit 180 000 Mitgliedern umbauen? «Unia 2.0» zeigt: Ja, aber es braucht «e länge Schnuuf». work zeigt, wo das Umbau­projekt heute steht.

GEMEINSAM STARK: Für eine schlagkräftige Gewerkschaft – auch in der Zukunft – überdenkt die Unia ihre Strukturen. (Foto: Manu Friederich)

Vor sieben Monaten war der Optimismus gross. «Unia 2.0», das bedeutende Umbauvorhaben der Gewerkschaft, war mit viel Elan gestartet. Eine erste Runde des offenen Austauschs war beendet, und die Geschäftsleitung hatte erste konkrete Vorschläge ausgearbeitet. Am 4. März zeigte sich Hans Hartmann, der die Reformdebatte koordiniert, gegenüber work zuversichtlich: «Ich finde, wir kommen gut voran. Im Statutendickicht kann man sich leicht verrennen. Das ist zum Glück nicht passiert.» Und heute? Wie steht es jetzt um die Gewerkschaftsänderung?

Zur Erinnerung: Mit «Unia 2.0» soll die ­Gewerkschaft fit für die Zukunft werden. Gremien sollen auf den Prüfstand gestellt, den Mitgliedern mehr Entscheidungsmacht übertragen werden. Dafür hatte die Geschäftsleitung Anfang des Jahres Änderungsvorschläge in drei Bereichen vorgelegt: solche, die die Sektoren der Unia betreffen (1), Vorlagen, die Regionen der Gewerkschaft berühren (2), und Änderungen, die die nationalen Führungsgremien umgestalten sollen (3).

Die Diskussion in den vergangenen sieben Monaten hat klar gezeigt…

GROSSE ODER KLEINE REFORM?

In den vergangenen sieben Monaten ist dar­über rege diskutiert worden, und alle Regionen, Sektoren und die Interessengruppen (IG) der Unia haben ihre Rückmeldungen zu den ersten Reformvorschlägen eingereicht.

Nach der ersten Konsultationsrunde lässt sich ein Zwischenfazit ziehen: Einen radikalen Umbau mit ungewissen Folgen will niemand. Eine Abschaffung der Sektoren steht also ebenso wenig an wie eine «Einheitsgrösse» der Regionen. Geblieben sind oft feine, dafür aber austarierte Vorschläge. Etwa die Umgestaltung des Zentralvorstandes, in dem bislang Unia-Mitarbeitende überwiegen, hin zu einem Milizgremium. Und noch etwas ist klar: Dem ausserordentlichen Kongress im Oktober 2023, der letztlich entscheidet, sollen je eine weitergehende «grosse» und eine eher zurückhaltende «kleine Reform» vorgelegt werden.

Eine grosse Veränderung wäre es, wenn zum Beispiel im Zentralvorstand künftig nur noch Basismitglieder der Gewerkschaft stimmberechtigt wären und gleichzeitig die Milizorgane der Organisationseinheiten besser in die Vorbereitung der Entscheide einbezogen würden. Zurückhaltender wäre es hingegen, wenn neben den Unia-Mitarbeitenden mehr Vertrauensleute Einsitz in den Zentralvorstand erhielten. Reformvarianten werden auch in Bezug auf die Sektoren und Regionen erarbeitet.

Zur Diskussion stehen etwa die Festlegung strategischer Kompetenzen für regionale Milizgremien, die periodische Wiederwahl der Regioleitung, die Bestimmung der Position der Sektorleitung in der Geschäftsleitung oder der Status der Sektoren in den Statuten.

…einen radikalen Umbau mit Folgen, die ungewiss sind, will niemand.

GEMEINSAME PERSPEKTIVEN STÄRKEN

Eine «perfekte Reform» sollte man sich gemäss Hartmann allerdings nicht erhoffen, denn dafür seien die Perspektiven innerhalb der Organisation einfach zu vielfältig.

Das zeigen auch die Antworten aus den Regionen oder Sektoren, die ganz unterschiedliche Anliegen formulierten. Dennoch bleibt Hartmann optimistisch, dass verbesserte Statuten die Organisation letztlich stärken werden: «Wir können strategische und operative Entscheide klarer unterscheiden als bisher. Die Rolle der Miliz in den Entscheidungsprozessen stärken und unsere Leitungsgremien so aufbauen, dass sie einen guten Plan für die gesamte Unia entwerfen können.»

Ganz unabhängig von den Kongressentscheiden hält Hartmann die Statutendiskussion per se für nützlich. Zwanzig Jahre nach der Gründung der Unia sei es sinnvoll, die Organisationsverfassung einmal grundsätzlich zu überprüfen statt immer nur punktuell und nur dann, wenn etwas nicht funktioniere. Die Debatten auf dem Weg zur Reform seien dabei ebenso notwendig wie der Umbau selbst. «Sie werden jedenfalls zu einem besseren gegenseitigen Verständnis der unterschiedlichen Perspektiven beitragen und damit die Zusammenarbeit fördern.»

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