Ratgeber

Geblitzt, notiert, bestraft: Was tun, wenn Sie eine Busse erhalten?

Martin Jakob

Über 900 Millionen Franken Bussgelder kassiert der Staat jährlich. Die hohle Hand machen aber auch Firmen und verlangen Geld für Schwarz­fahren, Falschparkieren oder Ladendiebstahl. Wer darf Bussen verteilen, und wie wehren Sie sich, wenn die Forderung nicht gerechtfertigt ist?

BUSSE FÜRS LITTERING: Achtloses Wegwerfen wird je nach Kanton unterschiedlich teuer. Im Kanton Aargau: 300 Franken. (Foto: bvse.de)

Da waren Sie gerade mal 7 km/h zu schnell unterwegs: macht 100 Franken Busse. Sie waren mit dem Velo nachts ohne Licht unterwegs: 20 bis 60 Franken. Sind Sie im Park mit einem Joint erwischt worden? 100 Franken. Falls Sie im Kanton Bern über die Polizeistunde hinaus in der Beiz sitzen bleiben: macht 40 Franken fürs «Überhöckle». Und spucken Sie in Volketswil ZH auf öffentlichen Boden, kostet Sie das 30 Franken.

In allen genannten Fällen handelt es sich um Ordnungsbussen. Sie unterscheiden sich von Geldstrafen, die nur ein Gericht verhängen darf, durch ihre geringere Höhe (bis 300 Franken) und dadurch, dass sie direkt von den dazu ermächtigten Amtspersonen verhängt werden. Also zum Beispiel von der Polizei, von Forstwarten und Jagdaufsehern. Die Bussen müssen in einem Katalog ­beschrieben sein, ihre Höhe ist für jede Widerhandlung verbindlich festgelegt und für alle gleich.

«Überhöckle» in der Beiz kostet im Kanton Bern 40 Franken.

422 VERKEHRSSÜNDEN

Die Ordnungsbussenverordnung des Bundes umfasst über 500 Punkte, 422 davon betreffen Übertretungen nach dem Strassenverkehrsgesetz. Zusätzlich haben die Kantone eigene Bussenverordnungen, die sich durchaus voneinander unterscheiden. Zum Beispiel beim Littering: Das Entleeren eines Aschenbechers im Freien kostet im Kanton Luzern 80 Franken, im Kanton Bern 150 Franken, das Liegenlassen von Hundekot im Kanton Zürich 60 Franken, im Luzernischen 80 Franken und bei den Bernern 100 Franken. Und der Kanton Aargau kennt für Littering aller Art nur die Höchststrafe im Ordnungsbussenrecht: ganze 300 Franken. Auch den Gemeinden steht es frei, eigene Bussen zu verordnen. So belegt Grüsch GR im Prättigau das Betreten und Befahren von Äckern oder Heuwiesen während der Vegetationszeit mit 100 Franken Busse, und in Volketswil, wo die 30-Franken-Busse fürs Spucken gemäss dem Polizeichef Roland Vetter letztmals im Jahr 2020 ausgestellt wurde, steht auch das Belästigen oder Erschrecken von Personen und Tieren unter Strafe: 100 Franken Busse.

EINSPRACHE IST RISKANT

Erhalten Sie eine Ordnungsbusse aufgebrummt, stehen Ihnen zwei Möglichkeiten offen:

  • Bezahlen Sie die Busse sofort oder innert der gesetzten Frist (in der ­Regel 30 Tage), ist das Verfahren ohne weitere Folgen abgeschlossen. Der Vorgang wird in kein Register eingetragen und keiner weiteren Amtsstelle gemeldet.
  • Erheben Sie aber Einsprache oder lassen Sie die Zahlungsfrist verstreichen, wird ein ordentliches Strafverfahren eingeleitet. «Ob sich das lohnt, ist bei Ordnungsbussen im Strassenverkehr in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen», sagt Roman Schlatter vom Coop-Rechtsschutz (siehe auch work-Tipp). «Im ordentlichen Verfahren nimmt die Staatsanwaltschaft eine Gesamtwürdigung vor. Kommt sie nach Einblick in die Polizeiakten zum Schluss, dass die beschuldigte Person durch die Widerhandlung jemanden gefährdet, verletzt oder Schaden verursacht hat, besteht sogar das Risiko einer Meldung ans Strassenverkehrsamt. Dieses prüft in einem zweiten Verfahren eigene Massnahmen wie etwa eine Verwarnung oder einen Führerausweisentzug.»

Auch falls im Strafverfahren nur die Ordnungsbusse bestätigt wird, besteht ein hohes Risiko von zusätzlichen Verfahrenskosten, die leicht ein Mehrfaches der Busse betragen. Schlatter rät deshalb, nie «aus Prinzip» Einsprache zu ­erheben, sondern eine genaue Chancen-Risiko-Abwägung vorzunehmen und zu bedenken, dass Gerichte dazu neigen, der Polizei mehr zu glauben als der gebüssten Person, wenn Aussage gegen Aussage steht.

Wer schwarzfährt, zahlt keine Busse. Aber einen Zuschlag.

BUSSEN, DIE KEINE SIND

Der Volksmund nennt sie gern Bussen: die Geldbeträge, welche die SBB fürs Fahren ohne gültigen Fahrausweis, die Ladengeschäfte bei Diebstahl oder Grundeigen­tümer fürs unbefugte Parkieren verlangen. Jedoch: Bussen sind das strenggenommen nicht. Die öffentlichen Verkehrsbetriebe haben das Recht, ertappten Schwarzfahrern einen Zuschlag aufzubrummen (bei den SBB aktuell 90 Franken), und tun das fleissig. Einspruch ist schwierig, freiwillig zeigen sich die Verkehrsbetriebe selten kulant. Unterstützung leistet dann allenfalls die Ombudsstelle öffentlicher Verkehr (rebrand.ly/voev).

Wer im Laden eine Kleinigkeit mitlaufen lässt, ertappt wird und dann neben der Nachzahlung für die Ware auch noch 100 Franken oder mehr «Umtriebsentschädigung» bezahlen soll, hat meist nur die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub: entweder die 100 Franken zu bezahlen oder eine Strafanzeige des Ladens zu riskieren. Der Laden darf zwar mit der Anzeige nicht direkt drohen – das wäre eine strafbare Nötigung –, aber eine Antönung reicht ja auch.

Und schliesslich jene Grundeigentümerinnen und -eigentümer, die Geld für unbefugtes Parkieren verlangen: Haben sie ein richterliches Verbot erwirkt und weisen darauf gut sichtbar hin, können sie Fehlbare anzeigen oder von ihnen eine Umtriebsentschädigung verlangen. Wird diese nicht bezahlt, kann stattdessen die Anzeige erfolgen.

Rechtshilfe von Experten

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Darf mich die Firma büssen? Achtung, Firmen­polizei

Logistikfachmann Henry Huser hat beim Manövrieren mit dem Hubstapler die Signalweste nicht getragen, sein Vorarbeiter meldet das der Chefin: 20 Franken Busse. Disponentin Karin Keller ist beim Rauchen auf der Toilette erwischt worden, obwohl doch das Rauchen im ganzen Firmengebäude strikt verboten wäre: 50 Franken Busse. Aber: Dürfen Firmen überhaupt ein Fehlverhalten von Mitarbeitenden mit Bussen ahnden?

Ja, unter Umständen ist das möglich, obwohl sie gegenüber Angestellten grundsätzlich keine Disziplinargewalt haben. Wobei es sich rechtlich gesehen gar nicht um Bussen handelt, sondern um Konventionalstrafen, also um Strafen für eine Regelverletzung.

VERHÄLTNIS WAHREN. Überdies müssen einige Voraussetzungen zwingend erfüllt sein. Zum einen muss der Bussenkatalog direkt im Arbeitsvertrag oder in einem Reglement stehen, und die Verfehlungen und die Höhe der dafür fälligen Bussen müssen genau definiert sein. Zum andern müssen die Bussen verhältnismässig sein: Das Rauchen einer Zigarette in einem Bürohaus verursacht zwar unangenehme ­Gerüche, gefährdet aber Dritte nicht ernsthaft. Eine Busse über 80 Franken – so viel kostet Rauchen in öffentlichen Gebäuden gemäss Ordnungsbussenver­ordnung des Bundes – wäre da schwer vertretbar. Die gleiche Handlung in einem Raum mit brennbaren Materialien muss dagegen als grobfahrlässig eingestuft werden und kann allenfalls höher gebüsst werden. Von der Firma verhängte Bussen dürfen aber nie den Charakter von Schadenersatzzahlungen haben, denn die Schadenersatzpflicht von Angestellten ist im Obligationenrecht geregelt und muss von der Firma im Einzelfall berechnet und bewiesen werden.

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