Nationalbankchef Jordan gefährdet reale Wirtschaft. Schon wieder!

SNB erhöht Leitzins massiv – Franken noch aufgeblähter

Clemens Studer

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) unter Präsident Thomas Jordan erhöht die Zinsen. Das freut die Finanz­industrie – und schadet der Realwirtschaft.

DUNKLE SCHATTEN: Mit seiner Geldpolitik bedroht SNB-Chef Thomas Jordan die Realwirtschaft und damit die Lohnabhängigen. Wie schon 2015. Damals verpasste work ihm dafür den Titel «Jordan, der Zerstörer». (Foto: Keystone)

Jordan hat’s schon wieder getan: er nimmt ohne Rücksicht auf die reale Wirtschaft eine weitere Aufwertung des bereits überbewerteten Frankens in Kauf. Wiederholt sich jetzt 2015? Damals schickte die SNB die Exportindustrie und den Tourismus mit der überfall­artigen Aufhebung des Franken-Mindestkurses zum Euro in die Krise. Und liess sich am gleichen Tag dafür am Zürichsee von den SVP-Milliardären feiern.

Auch die jetzige Leitzinserhöhung um gleich 0,5 Prozent liess die Finanzindustrie jubeln. Die ­Gewerkschaften dagegen sind sehr besorgt (siehe ­Interview mit SGB-Chefökonom Daniel Lampart unten). Und Bahnunternehmer Peter Spuhler ist empört, denn für ihn als Exporteur bedeutet ein noch überbewerteterer Franken den Verlust von Aufträgen, Arbeitsplätzen und Margen. Im TV-Talk des Wirtschaftsmagazins «Bilanz» sagte er: «Ich weiss nicht, was die geraucht haben!»

DER ZERSTÖRER. work-Cover vom Mai 2015.

ES HAT SYSTEM

Allerdings braucht Jordan gar keine illegalen Sub­stanzen, um seine Politik gegen die Realwirtschaft zu führen. Schon bei seiner Wahl, als er reihum gelobt wurde, bezeichnete ihn Ökonom Ruedi Strahm als «Inflationsneurotiker», dem man in geldpolitischen Fragen «nicht über den Weg trauen kann». Jordans Ideologie ist der Monetarismus. Das ist eine marktradikale Theorie, die – verkürzt – «Wirtschaftspolitik» einzig mit der Geldmenge machen will und Eingriffe des Staates in den «freien Markt» ablehnt. In seiner reinsten Form wurde er in Chile unter dem faschistischen Diktator Augusto Pinochet umgesetzt: mit fatalen Folgen für die Lohnabhängigen und einer Mega-Rezession. Trotz des Scheiterns überlebten Teile der Ideologie bis heute. Unter anderem mit der Fixiertheit auf Teuerungszahlen, die teilweise schon fast wahnhafte Züge annimmt. Sie warnen vor einer Lohn-Preis-Spirale, dabei ist’s eine Gewinn-Preis-Spirale (siehe auch Riegers Europa). Und ignorieren die Bedürfnisse der Realwirtschaft und der Lohnabhängigen.

«Ich weiss nicht, was die ge­raucht haben!»

ZENTRAL IST DIE KAUFKRAFT

Eine moderate Teuerung ist für Lohnabhängige und Rentenbeziehende so lange fast kein Problem, solange der Teuerungsausgleich sichergestellt ist. Dann bleibt ihre Kaufkraft erhalten. Dies ist auch gesamtgesellschaftlich wichtig, weil 60 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus dem privaten Konsum stammen.

  • Darum braucht es höhere Löhne (siehe Box).
  • Darum braucht es den Teuerungsausgleich auf Renten. Die AHV-Renten werde derzeit nur alle zwei Jahre angepasst mit dem sogenannten Mischindex aus Lohnentwicklung und Teuerung. Das nächste Mal wäre das auf den 1. Januar 2023 der Fall. Die SP fordert nun, dass die Teuerung vollständig ausgeglichen wird, weil den Rentnerinnen und Rentnern sonst real massiv weniger Geld bleibt. SP-Ständerat Paul Rechsteiner hat bereits ­einen entsprechenden Vor­stoss eingereicht. Und auch die Mitte will mitmachen. Offen quer stellt sich die SVP, ihr sind die Nöte der Rentnerinnen und Rentner offenbar egal.
  • Darum braucht es mehr Prämienverbilligungen. Auch hier zeichnet sich Erfreuliches ab (siehe Artikel Seite 2).
  • Darum muss die Miet-Abzockerei gestoppt werden. Wohnkosten sind mit Abstand der grösste Ausgabenposten in den Schweizer Haushaltsbudgets. Haushalte mit dem tiefsten Einkommen müssen unterdessen rund 40 Prozent ihrer Einnahmen dafür ­ausgeben. Eine aktuelle Studie des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS, nachzulesen hier: rebrand.ly/bass-mieten) hat untersucht, um wie viel die Mieten zwischen 2006 und 2021 gemäss Mietrecht hätten ansteigen dürfen – und wie stark die Aufschläge tatsächlich waren. Erschreckendes Ergebnis: Allein im vergangenen Jahr bezahlten Mietende schweizweit 10 Milliarden Franken zu viel Miete; das macht pro Monat 370 Franken. Das ist nur möglich, weil dem geltenden Gesetz keine Nachachtung verschafft wird. Die SP will das jetzt ändern und hat entsprechende Vorstösse in beiden Räten eingereicht.

All diese Massnahmen brächten und bringen reale Hilfe für die von der Teuerung besonders Betroffenen. Die Aufwertung des Frankens verschärft sie nur.

Lohnrunde: Teuerungsausgleich plus

Die Teuerung ist zurück. Und sie muss ausgeglichen werden auf Löhnen und Renten. Denn sonst haben Lohnabhängige und Rentnerinnen und Rentner weniger Geld im Portemonnaie. Sie verlieren real Geld und können sich von ihrem Lohn oder ihrer Rente weniger kaufen. So weit, so klar. Besonders ernst ist die Lage dabei für kleine und mittlere Einkommen. Wer heute schon prekär verdient, muss ohne Teuerungsausgleich noch prekärer leben. Gleichzeitig zum Teuerungsausgleich verlangen die Gewerkschaften auch die Erhöhung der realen Löhne. Denn, so Unia-Präsidentin Vania Alleva: «Viele Arbeitgeber ­verweigerten in den letzten Jahren substantielle Lohnerhöhungen. Sie gaben die Produktivitätssteigerungen schlicht nicht weiter an die ­Arbeitnehmenden. Das müssen wir dringend korrigieren. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür!» Die Forderungen der Gewerkschaften sind nicht abwegig, wie manche Arbeitgeber behaupten. Ein gutes Beispiel ist die Gastro-Branche.

GASTRO MACHT’S VOR. Diese musste während der Pandemie wirklich schwer untendurch. Trotzdem kam es jetzt zu einem fairen Abschluss mit dem Teuerungsausgleich für alle Lohnkategorien und zudem fast 1 Prozent Reallohnerhöhung für die allermeisten Lohnklassen. Ein konkretes Beispiel: Mitarbeitende mit einer Berufslehre erhalten bei einem Mindestmonatslohn von 4203 Franken und bei einer angenommenen Jahresteuerung von 2,6 Prozent ab nächstem Jahr 149 Franken mehr Lohn pro Monat (Teuerungsausgleich und Reallohnerhöhung zusammen).


SGB-Chefökonom Daniel Lampart: «Was die SNB macht, ist äusserst riskant»

work: Die Schweizerische Natio­nalbank (SNB) erhöht die Leitzinsen um 0,5 Prozent. Die Gewerkschaften kritisieren das. Warum?

SGB-CHEFÖKONOM DANIEL LAMPART: «Aufwertung kostet Arbeitsplätze.» (Foto: Keystone)

Daniel Lampart: Die im Zeitpunkt und in der Höhe überraschende Zinserhöhung ist tatsächlich ein Zinsschock. Dazu kommt die Ankündigung der Nationalbank, dass sie eine Aufwertung des Frankens will. Das ist sehr riskant. Der Franken kann ausser Kontrolle ­geraten. Umgekehrt sind Teuerungsgefahren in der Schweiz überschaubar. Zumal die Hypothekarzinsen bereits bei rund 3 Prozent liegen. Die höheren Preise sind vor allem durch Sondereffekte ­infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und die anhaltenden Folgen der Corona-Pandemie verursacht. Die SNB hat jetzt trotzdem voll in den Inflationsbekämpfungsmodus geschaltet und blendet die Konjunktur- und Wechselkursrisiken weitgehend aus. Dabei spielt der Wechselkurs bei der Inflationsbekämpfung nicht einmal eine so grosse Rolle: eine 10prozentige Aufwertung des Frankens lässt die Teuerung in der Schweiz gerade mal um 1 Prozent sinken.

Was sind die Folgen des Zinsschocks?
Die Zinserhöhung und die Ankündigung, allenfalls sogar Devisen­reserven einzusetzen, um den Franken noch stärker zu machen, sind starke Signale an die Devisenmärkte, dass die SNB eine mas­­si­ve Frankenaufwertung zu­las­sen würde. Eine Aufwertung des Frankens um 10 Prozent kostet die Schweiz 3 Prozent Wirtschaftswachstum und entsprechend Arbeitskräfte vor allem in der Exportwirtschaft, der Industrie und dem Tourismus. Gerade in einer Phase, in der alles fragil ist, bringt die Nationalbank also neue Un­sicherheit rein.

Was hätte die SNB stattdessen tun sollen?
Sie wäre besser beraten gewesen, den Zinsschritt gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank zu machen. Denn bereits die steigenden Hypozinsen bremsen die Wirtschaft. Dieses Vorgehen hätte weniger Aufwertungsrisiken für den Franken gebracht. Und wie gesagt: Aufwertung kostet Arbeitsplätze. Das haben wir zuletzt 2010 und 2015 erlebt, als die SNB ebenfalls mit voreiligen Massnahmen die Wechselkurssituation destabilisiert hat.

Unterschreiben! Am besten gleich jetzt die Initiative «National­bankgewinne für die AHV» unterschreiben! Online ­unter: rebrand.ly/snb-ahv

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