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Neue Studie belegt: Steuersenkungen für Reiche sind nutzlos und schädlich

Ralph Hug

Englische Forscher weisen nach, dass Steuergeschenke für Reiche der Wirtschaft nichts nützen. Ganz im Gegenteil: Sie fördern Ungleichheit und Gier.

CHAMPAGNER FÜR ALLE? Von wegen! Senkt der Staat die Steuern für die Reichen, nützt das nur ihnen selbst. (Foto: Keystone)

Es ist das ewige Mantra der Bürger­lichen: Steuerentlastungen für die Reichen würden die Wirtschaft befeuern, und dies komme wiederum allen zugute. Denn Wachstum fülle auch die Portemonnaies der breiten Bevölkerung. Man nennt das «Trickle down»-Effekt. Was oben eingefüllt wird, kommt auch unten in der breiten Masse an. Die Rechten rechtfertigen so ihre Steuergeschenke an die Reichen. Und das schon seit mindestens dreier Jahrzehnte.

Nur: Bewiesen wurde diese «Trickle down»-These noch nie. Im Gegenteil! Gerade mehren sich die Studien, die sagen: Steuersenkungen für Reiche nützen nur ihnen selbst!

Die höchsten Steuersätze sind um 20 Prozent gesunken.

GLOBALES STEUERDUMPING

So hat schon der französische Ökonom Thomas Piketty (51) in seinem berühmten Werk «Das Kapital im 20. Jahrhundert» dargelegt, dass die Ungleichheit in den letzten Jahren enorm angewachsen ist. Nicht zuletzt wegen der falschen Steuerpolitik zugunsten der Vermögenden.

Und jetzt legen zwei englische Forscher nach. David Hope und ­Julian Limberg rechneten am King’s College in London Berge von Daten durch. Konkret nahmen sie 18 OECD-Staaten – darunter die Schweiz – unter die Lupe und untersuchten alle Steuersenkungen, die von 1965 bis 2015 durchgeführt wurden. Es zeigte sich: Die höchsten Steuersätze sanken in dieser Zeit von durchschnittlich 60 Prozent auf heute noch 40 Prozent. In der Schweiz liegen sie bekanntlich noch viel tiefer, weil sich unser Land geradezu fanatisch dem internationalen Steuerdumping verschrieben hat. Der tiefste Einkommenssteuersatz liegt hierzulande bei 22 Prozent im Kanton Zug.

Hat diese Politik nun also die Wirtschaft angekurbelt, wie stets behauptet wird? Nicht die Bohne, sagen Hope und Limberg. Wissenschaftlich ausgedrückt klingt das so: «Wir haben starke Evidenzen dafür gefunden, dass Steuerentlastungen für Reiche keinen Effekt auf das Wirtschaftswachstum oder die Arbeitslosigkeit haben.»

Kein Hinuntertröpfeln («trickle down») also. Dafür machte jede markante Steuersenkung jene, die zum bestverdienenden Prozent der Bevölkerung gehören, im Schnitt um 0,8 Prozent reicher. Das können Hope und Limberg ganz klar be­ziffern.

Den Vorteil ihrer Studie sehen die beiden Autoren darin, dass ihre Resultate nicht nur für ein paar ausgewählte Staaten, sondern für alle Industrieländer gelten. Die Studie veranschaulicht ausserdem ganz ­detailliert, wann und wie sich die Steuerpolitik zugunsten der Vermögenden grossflächig durchzusetzen begann.

So wurden die Steuern für die Reichen etwa ab Mitte der 1980er Jahre stark gesenkt. Die Kurve weist ab 1985 klar nach unten. Das waren genau die Jahre, in denen die englische Premierministerin Margaret Thatcher und in ihrem Gefolge US-Präsident Ronald Reagan ihre neoliberale Politik in die Tat umsetzten: weg mit Vorschriften, weg mit Gesetzen, runter mit den Steuern, mehr Freiheit für Private und weniger Staat. So lauteten die Parolen dieser Revolution von rechts. Diese Ideologie setzte eine Steuerspirale nach unten in Gang, die bis heute andauert.

GEFÄHRLICHE UNGLEICHHEIT

Kein Wunder also, wuchs die Ungleichheit in den letzten Jahrzehnten klar an. Und sie dürfte noch grösser werden. Denn gemäss Ökonom Piketty fördert die neoliberale Steuerpolitik noch einen weiteren Effekt. Einen zeimlich unerwünschten: Steuergeschenke stärken die Gier nach mehr. Das heisst: Grossverdienende fühlen sich durch sie ermutigt, noch mehr Geld für sich zu raffen – und zwar auf Kosten derer, die unter ihnen in der Einkommens­pyramide liegen.
Dass die wachsende Ungleichheit eines der grossen politischen Probleme der Gegenwart ist: diesem Befund stimmen inzwischen auch Konservative durchaus zu. Die Lösung wäre einfach und ist als Schlachtruf in immer mehr Ländern zu hören: «Tax the rich!» Besteuert die Reichen!

David Hope, Julian Limberg: The Economic Consequences of Major Tax Cuts for the Rich. Working Paper 55, December 2020, The London School of Economics and Political Science. Download unter: rebrand.ly/steuerstudie-oecd (nur in Englisch verfügbar).

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