Es könne einfach nicht mehr so weitergehen, schrieb Altenpflegerin Elitsa Petkova-Hadzhieva (55) per Mail. Und sie bat work um baldigen Rückruf.
PFLEGEHELFERIN ELITSA PETKOVA-HADZHIEVA: «Um einen Menschen rund um die Uhr zu betreuen, braucht es mehr als eine Pflegerin.» (Foto: Daniel Ammann)
Das Gespräch dauerte mehr als zwei Stunden. So viel hat die Pflegerin, die 2013 aus Bulgarien kam, um hier ältere Menschen rund um die Uhr und zu Hause zu pflegen, schon erlebt. Und so vieles, was ihr immer mehr zusetzt. Elitsa Petkova-Hadzhieva hat bei verschiedenen Arbeitgebern in der Branche gearbeitet und sagt dennoch: «Leider sind die Bedingungen überall etwa gleich schlecht.» Im Auftrag einer Zürcher Firma pflegte sie zum Beispiel einen fast 90jährigen Mann. Petkova-Hadzhieva: «Er war ein Hektiker. In der Nacht war er immer wach.» Als Betreuerin war sie 24 Stunden für ihn verantwortlich und lebte im gleichen Haushalt. «Ich konnte nicht sagen: Jetzt bin ich müde, ich gehe in mein Zimmer und tschüss.» Vielmehr musste sie auch in der Nacht mehrmals aufstehen und sich um den Mann kümmern. Auf Dauer halte das niemand durch, sagt sie. Und schon gar nicht für 26 Franken Stundenlohn. Brutto! «Wenn ich dreimal in einer Nacht aufstehen muss, dann habe ich die ganze Nacht gearbeitet und kann mich nicht erholen!» Doch die Firma wollte Petkova-Hadzhieva nur die einzelnen Stunden zahlen und nicht die ganze Nacht.
«Ich hatte keine Chance auf Schlaf.»
KEINE ERHOLUNG
Ganz ähnlich bei einer Patientin am Zürichsee, die sie später für einen anderen Arbeitgeber betreute. Auch diese Seniorin war nachtaktiv, wollte sich bis spät mit ihrer Betreuerin unterhalten. Petkova-Hadzhieva: «Und danach lief der Fernseher in voller Lautstärke, so dass ich nebenan keine Chance auf Schlaf hatte.» Laut Vertrag betrug die Arbeitszeit nur neun Stunden, tagsüber. Petkova-Hadzhieva: «Mehr wollte der Arbeitgeber nicht bezahlen.» Eigentlich sei es logisch, sagt die Frau, die auch Unia-Mitglied ist: «Um einen Menschen rund um die Uhr zu betreuen, braucht es mehr als eine Pflegerin.» Aber das kostet. Und genau das sei der Kern des Problems: «Niemand will für eine anständige Pflege bezahlen.» Eine weitere Schwierigkeit: Bei kranken Menschen könne immer etwas passieren. Zwar böten die Firmen meist einen Pikettdienst für die Pflegenden an. Doch im Notfall sei darauf kein Verlass. Das hat Petkova-Hadzhieva beim rastlosen Senior erleben müssen: Mitten in der Nacht habe sie ein dumpfes Geräusch gehört. «Ich schreckte auf und ging nachsehen. Der Mann lag am Boden und blutete stark.» Offensichtlich war er umgefallen.
KEINE UNTERSTÜTZUNG
Umgehend rief Petkova-Hadzhieva die Sanität und kontaktierte den Pikettdienst. Doch dort nahm niemand ab. Erst fünf Stunden später habe der Pikettdienst zurückgerufen und wollte wissen, was los sei. «Da war der Mann längst im Spital.» Die Diagnose: eine Kopfverletzung und drei Rippenbrüche. Petkova-Hadzhieva betont: «In der Ausbildung zur Pflegehelferin wurde uns eingeschärft: Weiterleiten ist ein Muss!» Zwar hat Petkova-Hadzhieva beim Roten Kreuz die Ausbildung zur Pflegehelferin gemacht, dennoch habe sie nicht dasselbe fachliche Rüstzeug wie eine diplomierte Pflegefachfrau, sagt sie. Also hat sie ihren Vorgesetzten immer gemeldet, wenn sich an der Gesundheit ihrer Patientinnen oder Patienten etwas änderte. Doch die schienen sich dafür nicht zu interessieren: «Sie machten einen gelangweilten Eindruck, wenn ich etwas berichtete. Sie warfen mir sogar vor, ich rufe zu oft an.»
So etwas ist belastend. Ob sie das noch lange mitmacht, weiss Petkova-Hadzhieva deshalb nicht. Gelernt hat sie eigentlich Dolmetscherin. Sie spricht nicht nur fliessend Deutsch und Bulgarisch, sondern auch Russisch, Serbisch und Kroatisch. Sie überlegt sich jetzt, ihr Dolmetscherinnendiplom in der Schweiz anerkennen zu lassen. Am Anfang habe es schon gepasst, ältere Menschen zu betreuen. «Aber so, wie die Arbeitgeber mit den Pflegenden umspringen, macht die Arbeit einfach keine Freude mehr.»
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