Drei Verschüttete nach Baugrubeneinsturz. Unia fordert:

«Es braucht endlich mehr unangemeldete Kontrollen!»

Jonas Komposch

Erneut fordert eine unsichere Baustelle ­Menschenleben. work bringt bedenkliche Hintergründe ans Licht.

TRAGISCH: Beim Einsturz einer Betonmauer sterben drei Männer auf einer Baustelle in Feusisberg im Kanton Schwyz. (Foto: Filmstill SRF)

Der Unfall geschieht nach dem Znüni. Drei Männer machen sich in einer Baugrube
in Feusisberg SZ an die Arbeit. Einst stand hier eine bescheidene Garage. Nun soll eine moderne Tankstelle her, dazu ein Motel. Die Grube ist mit einer fünf Meter hohen Betonmauer befestigt. Doch diese ist alt und keine 50 Zentimeter dick. Plötzlich stürzt sie ein. 400 Kubikmeter Erde und Beton begraben die Männer komplett. Sofort rückt ein 90köpfiges Grossaufgebot aus – Polizei, Feuerwehr, Suva, Arbeitsinspek­torat, Bausachverständige und sogar der Gemeindepräsident eilen herbei. Erst Stunden später gelingt es den Suchhunden, die Verunfallten zu orten. Aber es ist zu spät. Die drei Männer (57, 47 und 35 Jahre alt) sind tot.

Nach den Sportprofis haben Bauleute das höchste Unfallrisiko aller Berufsgruppen!

SCHWERSTUNFÄLLE NEHMEN ZU

Baugruben sind Hochrisikozonen. Allen, die Böschungen zu steil erstellen oder Gräben schlecht verspriessen, droht Lebensgefahr. Besonders wenn noch ein schweres Fahrzeug den Boden belastet. Die Suva-Statistik über tödliche Berufs­unfälle ist überdeutlich: Jahr für Jahr sterben 17 Berufsleute durch Verschüttung. Es ist die zweithäufigste Todesursache in der Schweizer Arbeitswelt, gleichauf mit Absturzereignissen. Davon am häufigsten betroffen sind Bauarbeitende. Sie müssen auch sonst ganz besonders aufpassen. Nach den Sportprofis haben sie das höchste Unfallrisiko aller Berufsgruppen! Ein Maurer etwa verunfallt sechsmal häufiger als ein Ingenieur und fünfzehnmal häufiger als eine Bankerin. Und das liegt nicht bloss am relativ gefahrlosen Büroalltag. Es ist der zunehmende Stress, der die Baustellen unnötig gefährlich macht. Auch darüber sprechen die Suva-Zahlen Bände.

Von 2011 bis 2020 haben in der Kategorie «Vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation, Ausbaugewerbe» die schweren Unfälle massiv zugenommen – um 32 Prozent! Und auch Schwerstunfälle gibt es markant mehr (plus 14 Prozent). Ähnlich sieht es im Hoch- und Tiefbau aus. Immerhin: Die Todeszahlen gehen kontinuierlich zurück. Aber noch immer sterben jährlich 22 Bauleute unfallbedingt. Stress ist jedoch nicht das einzige Problem. Das zeigt der Fall Feusisberg.

PROBLEMBAUSTELLE WAR BEKANNT

Schon seit dreizehn Jahren wird auf der Parzelle der Unfallstelle gebaut – auch an einem dreistöckigen Rohbau. Er ist noch fast im selben Zustand wie vor neun Jahren. Das zeigen Bilder von Google Street View. Ebenfalls seit Jahren steht da auch ein Baugerüst. Vertrauenswürdig wirkt es nicht, und ein Firmenname fehlt genauso wie eine Sicherheitstafel.
Unia-Sekretär Franco Basciani sagt dazu: «Alles deutliche Warnsignale!» Ihm ist der Rohbau schon früher aufgefallen: «Es ist eine mysteriöse Baustelle. Seit Jahren stehen Maschinen da, doch Arbeiter sieht man nie.» Bekannt ist das Projekt auch bei der Gemeinde: Mehrere Baubewilligungen seien erteilt, aber auch ein Baustopp verhängt worden, gibt sie bekannt. Nun bringen work-Recherchen noch mehr bedenkliche Hintergründe ans Licht.

AUTOHÄNDLER ALS BAUMEISTER

Keiner der Verstorbenen war ausgebildeter Baufachmann. Das bestätigt die Gemeinde. Dennoch war eines der Opfer, ein Mercedes-Händler und Garagist, nicht nur Bauherr, sondern auch Baumeister. Zumindest auf dem Papier. Denn vor sechs Jahren hatte er eine eigene Baufirma registriert – und zwar exakt an jener Adresse, die heute bloss noch Grube und Bauruine ist.

Ein früherer Geschäftspartner sagt: «Abbruch und Aushub hat er komplett mit seinen eigenen Leuten gemacht.» Möglich war dies, weil der Beruf des Bauunternehmers nicht reglementiert ist und keinerlei Berufsqualifikationen verlangt. Anders etwa in Deutschland: Aus Qualitäts- und Sicherheitsgründen gilt dort eine strenge Meisterpflicht. Für Gewerkschafter Basciani ist auch deshalb klar: «Auf dem Bau braucht es dringend mehr Kontrollen – und zwar unangemeldete!» Gefordert seien nicht nur die Suva und die Arbeitsinspektorate, sondern auch die Behörden. Die Toten von Feusisberg mahnen.

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