Ratgeber

Mehrfachbeschäftigung: Mehr als ein Job – mehr als eine Frage!

Martin Jakob

Rund acht Prozent aller Erwerbstätigen in der Schweiz sind mehrfachbeschäftigt. Wenn Sie für mehrere Firmen arbeiten, müssen Sie einige Regeln beachten – und Ihre Rechte kennen.

HEUTE HIER, MORGEN DORT: In der Schweiz hat jede zehnte berufstätige Frau mehr als einen Job gleichzeitig. (Foto: Getty)

Die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die für mehr als einen Betrieb tätig sind, nimmt zu. Waren vor 30 Jahren noch 4 Prozent aller Erwerbstätigen mehrfachbeschäftigt, sind es heute bereits rund 8 Prozent. Bei Männern liegt der Anteil tiefer, ­bei Frauen höher, nämlich über 10 Prozent. Denn immer mehr Firmen schreiben lieber Teilzeitjobs aus. Wer auf mehr Geld im Portemonnaie angewiesen ist, muss sich nach einer zweiten Beschäftigung umsehen.

Am besten vermeiden Sie jede Form von Konkurrenzverboten.

GRUNDSÄTZLICH ERLAUBT

Ob Sie einen Zweitjob annehmen wollen, ist grundsätzlich Ihr Entscheid. Allerdings gibt es Einschränkungen. Die erste steht im Obligationenrecht: «Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses darf der Arbeitnehmer keine Arbeit gegen Entgelt für einen Dritten leisten, soweit er dadurch seine Treuepflicht verletzt, insbesondere den Arbeitgeber konkurrenziert» (Art. 321 a).

Bei Teilzeitjobs gilt dieses Verbot jedoch nur mit klaren Abstrichen. Eine Firma, die Sie Teilzeit anstellt, muss schliesslich davon ausgehen, dass Sie einer weiteren Beschäftigung nachgehen wollen oder müssen. Sind Sie zum Beispiel halbtags als Kassierin in einem Supermarkt tätig, spricht nichts dagegen, einen ähnlichen Zweitjob bei einem Mitbewerber anzunehmen.

Anders sieht es aus, wenn Sie mit Betriebsgeheimnissen in Berührung kommen. Entwickeln Sie zum Beispiel in Ihrem Erstjob Buchhaltungssoftware für ein IT-Unternehmen, wäre es eine Verletzung der Treuepflicht, den gleichen Job in der Konkurrenzfirma auszuüben, deren Produkte um die gleichen Kundinnen und Kunden kämpfen.

Manche Anstellungsverträge enthalten zusätzlich ein ausdrückliches Konkurrenzverbot. Dieses muss aber klar eingegrenzt sein und ist nur verbindlich, wenn die angestellte Person überhaupt Einblick in den Kundenkreis oder in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse erhält und die Verwendung dieser Kenntnisse den Arbeitgeber erheblich schädigen könnte. Dennoch: Lassen Sie sich vor Unterzeichnung eines Konkurrenzverbotes immer von Ihrer Unia rechtlich beraten!

Ausser durch Konkurrenzierung kann eine Verletzung der Treuepflicht auch durch andere Umstände gegeben sein. Zum Beispiel muss sich keine Firma gefallen lassen, dass Sie wegen Ihres Zweitjobs übermüdet zur Arbeit kommen. Das führt zur zweiten Einschränkung: In der Summe Ihrer Beschäftigungen darf die nach Arbeitsgesetz maximale Arbeitszeit nicht überschritten werden, und auch die Ruhezeiten sind einzuhalten. Das heisst: Die Wochenarbeitszeit darf maximal 50 Stunden (Industrie: 45 Stunden) betragen, die tägliche Ruhezeit darf nicht unter 11 Stunden liegen.

TRANSPARENT INFORMIEREN

Die eine Firma zu informieren, dass man einen Zweitjob hat, ist keine Pflicht von Rechts wegen, steht aber vielleicht im Arbeitsvertrag. Zu empfehlen ist es so oder so. Denn wenn Sie mit offenen Karten spielen, wissen beide Firmen, dass sie nicht nach Belieben über Ihre Zeit verfügen können. Sie zeigen auch eher Verständnis, wenn Fe­riendaten zu koordinieren sind oder Sie einmal von den üblichen Arbeitszeiten abweichen wollen. Vorteile können sich überdies bei der Pensionskasse ergeben (siehe Text unten).

Das Recht auf Arbeitslosenentschädigung gilt
auch für Teilzeitjobs.

VORSORGE, VERSICHERUNG

Ob eine oder mehrere Anstellungen gleichzeitig: bei jedem Lohn, den Sie verdienen, werden AHV/IV/EO-Beiträge sowie Beiträge an die Arbeitslosenversicherung abgerechnet. Verlieren Sie eine von mehreren Stellen, haben Sie an­teilig die gleichen Rechte auf Arbeitslosenentschädigung wie Versicherte, die ihre Vollzeitstelle ­verlieren. Das frühere Gesamteinkommen aus allen Jobs gilt dann als versicherter Verdienst, die verbleibenden Stellen werden als ­Zwischenverdienst betrachtet. Mit dem Bezug der Arbeitslosenentschädigung verpflichten Sie sich, eine neue Teilzeitstelle im bisherigen Umfang zu suchen.

Gegen Arbeitsunfall und Unfälle auf dem Arbeitsweg sind Sie in jedem Job von der ersten Arbeitsstunde an versichert, der Abschluss dieser Versicherung ist für die Firmen Pflicht. Freizeitunfälle sind aber nur in jenen Firmen ­mitversichert, in denen Sie mindestens acht Stunden pro Woche arbeiten.

Ist es Ihnen wegen einer Erkrankung nicht möglich, zur Arbeit zu erscheinen, müssen Sie dies allen Firmen, für die Sie tätig sind, melden und deren Vorschriften zur Vorlage eines Krankheitszeugnisses erfüllen. Verfügen alle Firmen über eine Krankentaggeldversicherung, haben Sie genau wie Vollzeitangestellte während der krankheitsbedingten Absenz den auf diese Zeit entfallenden Lohn zugute (je nach Versicherung 80 bis 100 Prozent des vertraglichen Lohns während bis zu zwei Jahren). Auch eine Firma ohne Krankentaggeldversicherung ist zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Dann gilt, was im Arbeitsvertrag steht, mindestens aber das Gesetz: In den ersten drei Monaten eines neuen Arbeitsverhältnisses ist keine Lohnfortzahlung geschuldet, im ersten Dienstjahr sind es mindestens drei Wochen. Mit dem Dienstalter nimmt auch die Zahlungsdauer zu und kann bis zu etwa einem halben Jahr reichen.

Kleine Pensen, Viele Pflichten

Seien Sie vorsichtig, wenn Sie eine Stelle angeboten erhalten, die Ihnen nur ein kleines Pensum offeriert, gleichzeitig aber grosse Flexibilität bezüglich Ihrer Arbeitseinsätze fordert und vielleicht sogar mit einem Konkurrenzverbot verbunden ist. Denn im schlechten Fall bedeutet dies ein massives Handicap bei der Suche nach ­einer oder mehreren weiteren Teilzeitbeschäftigungen. Falls Sie auf eine zweite Stelle angewiesen sind, sollten Sie weder an ein K­onkurrenzverbot gebunden sein noch bei der einen oder sogar bei beiden Stellen unberechenbare Einsatzzeiten haben.


Teilzeit und Pensionskasse Grosse Lücke

Das Gesetz über die berufliche Vorsorge (BVG) enthält mehr als einen Konstruktionsfehler. Für Teilzeitarbeitende der schlimmste ist der sogenannte Koordinationsabzug. Er beträgt zurzeit 25’095 Franken und wird bei der Berechnung der Pensionskassenbeiträge vom Jahreslohn abgezogen, den Sie in einem Job erzielen. Verdienen Sie also in zwei Jobs in zwei verschiedenen Firmen je 40’000 Franken, reduzieren ­beide Pensionskassen den versicherten Lohn auf je 15’000 Franken – von Ihren rund 80’000 Lohnfranken bleiben unterm Strich nur 30’000 Franken, auf denen Sie und die ­Firma Sparbeiträge für die ­zweite Säule einzahlen. Entsprechend mager fällt später einmal Ihre Rente aus. Was können Sie tun?

  • Es gibt Firmen, deren Pen­sionskasse den Koordinationsabzug für Teilzeitbeschäftigte freiwillig proportional reduziert – er beträgt dann beispielsweise bei einer 50-Prozent-Anstellung nur 12’550 Franken. Fragen Sie bei der Bewerbung deshalb auch nach der Pensionskassenregelung bei Teilzeit, und bevorzugen Sie jene Firma, die ein faires Reglement hat.
  • Falls es die Reglemente der verschiedenen Kassen zulassen, können Sie die Pensionskasse eines Arbeitgebers als BVG-Stelle angeben und die restlichen Kassen bitten, die Beiträge dort einzuzahlen.
  • Falls Ihr bei mehreren Firmen erzielter Jahreslohn höher liegt als die Eintrittsschwelle von 21’510 Franken (Stand 2022), können Sie sich zur individuellen Vorsorgeversicherung bei der Auffangeinrichtung des Bundes anmelden. Sobald Sie über ein Konto dort verfügen und dies den Firmen melden, werden diese beitragspflichtig (web.aeis.ch).

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