Jetzt packen die Luzerner Spitex-Mitarbeiterinnen aus:

«Die Chefinnen haben uns schikaniert»

Christian Egg

Barsche Kommandos, ­kleinliche Kontrollen ­und Änderungskündigungen: In der Luzerner Spitex MBS regiert das ­Misstrauen statt der Anstand.

EXODUS: (v. l.) Martina Sidler, Selina Bolliger, Tiziana Schmid sind 3 der 30 Pflegenden, die die Luzerner Spitex MBS in den letzten zwei Jahren verlassen haben. In einem Betrieb von 40 Mitarbeitenden! (Foto: Peter Lauth)

Im Februar hatte Spitex-Pflegerin Tiziana Schmid genug: «Sucht euch einen anderen Trottel!» sagte sie und kündigte. Und sie ist nicht die einzige: In den letzten zwei Jahren haben fast 30 Pflegerinnen entnervt aufgegeben oder wurden entlassen. In einem Betrieb mit rund 40 Mitarbeitenden!

Die Spitex MBS betreut im Auftrag der Luzerner Gemeinden Beromünster, Büron, Rickenbach und Schlierbach Pflegebedürftige zu Hause. Im Gespräch mit derzeitigen sowie ehemaligen ­Mitarbeiterinnen wird rasch klar, weshalb so viele den Betrieb verlassen haben. Tiziana Schmid sagt: «Die Chefinnen behandeln uns ohne jeden Respekt.»

«Ich bin doch nicht der Gango von den Büro­leuten!»

PERMANENTES MISSTRAUEN

Pflegerin Schmid, die seit acht Jahren im Betrieb ist, gibt ein Beispiel: Jahrelang hätten alle ihre Kaffeetassen selber abgewaschen. Plötzlich kam die Weisung, dass die letzte Person, die den Spitex-Stützpunkt verlasse, alle Tassen des Tages abwaschen solle. Und das sei immer eine Pflegerin. Das Büropersonal gehe früher – und wasche seither seine Tassen nicht mehr ab. Schmid: «Ich bin doch nicht der Gango von den Büroleuten!»

Die Pflegerin Selina Bolliger hat genug vom permanenten Misstrauen seitens der Führungscrew. Die Leiterin Pflegedienst gebe immer wieder detaillierte Anweisungen, etwa dass die Pflegerin jetzt den Hausarzt der Klientin anrufen solle und nicht etwa ein E-Mail schreiben. «Wir sind doch nicht doof», nervt sich Bolliger. «Wir haben alle eine Ausbildung und Erfahrung.» Aber die Leiterin sei ein Kontrollfreak, sagt sie und seufzt. Sie hat letzte Woche gekündigt.

TREFFEN OHNE ERGEBNIS

Zu viele Kontrollen hat auch Martina Sidler erlebt, eine weitere Pflegerin. Eines Morgens war sie krank und meldete sich ab. Da rief die Leiterin Pflegedienst an und wies sie an, in Menziken einen Coronatest machen zu lassen. Pflegerin Sidler wollte aber ins Testzentrum in Nottwil, das kannte sie schon. «Da sagte sie mir in barschem Ton: Martina, wenn ich dir sage, du musst nach Menziken, dann gehst du nach Menziken!»

Kaum war der Test gemacht, klingelte das Handy schon wieder. Wann sie denn das Resultat bekomme, wollte die Vorgesetzte von der kranken Sidler wissen. «Am Samstag, sagte ich ihr. Und sie im Befehlston: Also, dann erwarte ich am Samstagnachmittag ein Telefon von dir!»

Auf work-Anfrage schreibt die Geschäftsführerin der Spitex MBS: Es sei «möglich», dass unter dem Druck der Pandemie «der Tonfall auch mal strenger war, was auf jeden Fall unbeabsichtigt war». Und weiter: Ein angenehmes Arbeitsklima sei dem Betrieb «ein grosses Anliegen. Dieses Thema nehmen wir auf jeden Fall aktiv auf.»

Allerdings sagen die Spitex-Frauen, sie hätten die Probleme mehrfach angesprochen, ohne dass etwas passiert sei. Im vergangenen Mai wandten sie sich an die Unia. Die überzeugte die Spitex-Führung und die vier Gemeinden von einem gemeinsamen Treffen. Es endete ohne Ergebnis.

PFLEGERIN SOLL BÜROS PUTZEN

Delegierte der Mitarbeitenden an dem Treffen waren Martina Sidler und Selina Bolliger. Wenige Wochen später legt die Chefin Sidler eine Änderungskündigung vor: Ihr Pensum soll von 80 auf 60 Prozent reduziert werden. Und die Fachfrau Gesundheit solle fortan zweimal pro Woche die Büros der Spitex putzen, als Teil ihrer Arbeit. Offiziell soll beides dazu dienen, ihre Minusstunden abzubauen. Aber für Sidler ist klar: «Das war Schikane. Die wollten mich los werden.» Sie unterschrieb nicht. Ende April 2022 endet ihr Arbeitsverhältnis. Roberto Lotz von der Unia Zentralschweiz: «Eine Delegierte so unter Druck zu setzen ist inakzeptabel!» Die Spitex-Chefin sieht darin kein Pro­blem: «Eine Fachfrau Gesundheit kann auch einmal beauftragt werden, Aufgaben der Hauswirtschaft zu übernehmen.»

Eine Änderungskündigung kassiert auch Conny G. Im Mai 2020 steigt sie in der Spitex MBS als Leiterin Administration ein. Nach einem halben Jahr wurde sie befördert, bekam eine Lohnerhöhung. «Dann habe ich angefangen, einige Sachen zu hinterfragen.» Worauf die Änderungskündigung erfolgt: Fortan sollte sie die Buchhaltung erledigen, ohne Kaderfunktion – und dazu noch weniger Lohn erhalten, als sie ursprünglich hatte. Sie lehnte ab.

Jetzt wehren sich die Spitex-Frauen mit einer Petition (siehe Kasten oben). Und das tut gut, sagt Pflegerin Selina Bolliger: «Die Treffen mit der Unia haben uns zusammengeschweisst!»

Spitex-Petition: Viel Solidarität

Die Spitex-Mitarbeiterinnen appellieren an die Solidarität der Bevölkerung in den vier Luzerner Gemeinden: Am 22. März haben sie, unterstützt von der Unia, eine Petition lanciert. Diese fordert die Spitex MBS und die vier Trägergemeinden zum Dialog auf.

DIALOG. Die Spitex-Chefin Daniela ­Hunziker schreibt auf work-Anfrage, man sei «selbstverständlich» an einem Dialog interessiert. Die vier Gemeinden sehen dagegen die «Personalverantwortung» bei der Spitex MBS.

In der Bevölkerung erfahren die ­Pflegerinnen jedenfalls viel Unterstützung: Bis Redaktionsschluss haben 500 Per­sonen die Petition unterzeichnet.

4 Kommentare

  1. Daniel

    Und die Vetreter der betroffenen Gemeinden schauen alle weg und/ oder „decken“ einander: Das ist die alte Politik der CVP. (neu „Mitte“)

  2. Mona Basler

    Das fühlt sich nicht gut an – wo sind denn die geschulten Führungskräfte – es gibt genug gute Coach‘s und das gute Pflegepersonal sollte es einer Einrichtung wert sein mit ihnen eine Mediation durchzuführen 🥰🤩

  3. Angelina Horber

    Es erstaunt mich, dass der Vereinsvorstand der Spitex nicht einschreittet und mit der Leitung das Gespräch sucht. Der Vorstand stellt die Geschäftsleitung ein, ist somit deren Vorgesetzter. Es ist schade, dass gerade im Bereich der Spitex, in welchem mit soviel Herzblut gearbeitet wird, solche Arbeitsbedingungen vorkommen. So ist es ein Vorteil, wenn auch das Kader immer wieder mal auch am Wochenende am Bett arbeitet um den Fokus nicht zu verlieren.

  4. cichowlas Simone

    Ich finde es sehr gut, man kann sich nicht Alles gefallen lassen! Leider ist dies nicht die einzige Spitex mit solchen Problemen.. ich musste auch wechseln. In der jetzigen Spitex bin ich viel zufriedener und werde mit Anstand und Respekt behandelt.

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