1x1 der Wirtschaft

Mini-Schrittchen bei der Arbeitszeitverkürzung

Daniel Lampart

Die letzten grossen Arbeitszeitverkürzungen liegen schon einige Jahre zurück (siehe Grafik). Bis in die 1980er Jahre konnten die Gewerkschaften in Gesamtarbeitsverträgen (GAV) flächendeckend tiefere ­Arbeitszeiten durchsetzen. So ­konnte zum Beispiel die Gewerkschaft Smuv, eine Vorgängerin der Unia, 1958 die 44-Stunden-Woche und 1988 die 40-Stunden-Woche im GAV der Maschinen- und Metall­industrie erkämpfen. In den 1990er Jahren liess die Dynamik nach. Zu einem Stillstand kam es aber nicht. Das zeigt der Bau, der noch vor 30 Jahren neben der Landwirtschaft die Branche war, in der am längsten gearbeitet wurde. Heute arbeiten die Bauleute so lange wie der Schweizer Durchschnitt.

(Quelle: BFS, Betriebsübliche Arbeitszeit)

KLEINE FORTSCHRITTE. Auch in anderen Branchen ging es vorwärts, selbst wenn man nicht an vergangene Erfolge anknüpfen konnte. 2019 verbrachten Vollzeitbeschäftigte in der Schweiz durchschnittlich 1899 Stunden bei der Arbeit, Überstunden eingerechnet. Das sind 122 Stunden weniger als im Jahr 1991. Dahinter stehen nicht nur kürzere vertragliche Arbeitszeiten, sondern auch weniger Überstunden und mehr Ferien. Trotz den erfreulichen Tendenzen bleibt die Schweiz eines der Länder in Europa, in denen die Arbeitnehmenden am längsten ­arbeiten müssen. Zudem gibt es stos­sende Ungleichheiten. Beispielsweise gilt bei den Ferien: Je höher der Lohn, desto länger die ­Ferien. Unter Arbeitnehmenden mit tiefen Löhnen haben nur rund die Hälfte der unter 50jährigen 5 Wochen ­Ferien. Bei den Gutverdienenden sind es hingegen vier von fünf.

VOLLER LOHNAUSGLEICH. Wie früher müssen kürzere Arbeitszeiten über Gesamtarbeitsverträge oder mit gesetzlichen Regeln durchgesetzt werden. Wenn jede oder jeder für sich selbst verhandelt, werden hauptsächlich Gutverdienende profitieren. Keine Alternative ist der Weg über die Teilzeit. Viele Firmen weigern sich, ihre Beschäftigten Teilzeit anzustellen. Vor allem aber können sich längst nicht alle ein tieferes Pensum leisten. Das gilt besonders für Arbeitnehmerinnen in Dienstleistungsberufen, die wenig verdienen und bereits heute schon Teilzeit ­arbeiten. Nur allgemeine Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich können garantieren, dass mehr Freizeit nicht zulasten des Einkommens geht.

Daniel Lampart ist Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB).

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