Ratgeber

Das strenge Regime der Arbeitslosenversicherung: Kürzungen, die ganz schön wehtun können

Martin Jakob

Die Arbeitslosenversicherung kennt kein Pardon.­ Wer sich nicht an die Regeln hält, wird mit Einstelltagen bestraft. 10 Tipps, wie Sie Fehler vermeiden, die zu finanziellen Einbussen führen.

DISZIPLIN IST GEFRAGT: Das RAV erwartet von Stellensuchenden die genaue Einhaltung der Regeln. (Foto: Getty)

«Jetzt schmeisse ich den Bettel hin!» dachte Disponentin Bettina R., als die Chefin wieder mal laut wurde und ihr zum x-ten Mal die gleichen, nach Frau R.s Meinung völlig unhaltbaren Vorwürfe machte. Kaum zu Hause, setzte sich Bettina R. deshalb hin und schrieb die Kündigung: «Finde ich nicht gleich eine neue Stelle, kann ich immer noch stempeln gehen!» Aber Achtung: Wer seine Stelle kündigt, ohne sich zuvor eine neue gesichert zu haben, und deshalb arbeitslos wird, den trifft nach Gesetz ein Verschulden an der Arbeitslosigkeit. Deshalb wird die Arbeitslosenentschädigung in der Regel für 31 bis 60 Tage gestrichen. Wobei jeweils 5 Tage eine ganze Woche bedeuten, die Entschädigung also bis zu drei Monate lang ausbleiben kann. Ein harter Verlust. Die Kassen haben in der Bemessung der Einstellzeit zwar einen Spielraum (siehe work-Tipp), sind aber auch verpflichtet, die Umstände einer Kündigung objektiv zu prüfen – aufgrund von Dokumenten und der Anhörung beider Seiten.

Wer ohne neue Anstellung kündigt, muss mit Einstelltagen rechnen.

Immerhin bei rund 9 Prozent aller Neuanmeldungen werden Einstelltage wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit verfügt. In dieser Zahl sind auch jene Fälle inbegriffen, in denen die Firma die Kündigung wegen Verfehlungen der angestellten Person ausspricht. Wer also die Kündigung erhält, weil die Firma zu Unrecht ein Fehlverhalten behauptet, hat ein doppeltes Interesse daran, sich zu wehren: Denn neben der schlechten Referenz droht auch die Einstellverfügung der Arbeitslosenkasse.

  • Tipp 1: Empfinden Sie die Arbeitsbedingungen an Ihrer aktuellen Stelle als unzumutbar und helfen auch Gespräche nicht, schauen Sie sich ohne langes Zögern nach einer neuen Stelle um.
  • Tipp 2: Sind die Verhältnisse am Arbeitsplatz derart zerrüttet, dass Sie gesundheitliche Probleme haben, konsultieren Sie vor der Kündigung Ihre Ärztin, damit diese die Unzumutbarkeit der Fortführung des Arbeitsverhältnisses schriftlich bestätigen kann. Melden Sie sich beizeiten bei der Arbeitslosenkasse und legen Sie dieses Zeugnis vor.
  • Tipp 3: Wehren Sie sich gegen eine Kündigung, welche die Firma mit einem Fehlverhalten von Ihrer Seite begründet, falls die Vorwürfe nicht gerechtfertigt sind. Ebenso gegen eine Kündigung ohne Beachtung der vertraglichen Kündigungsfrist. Die Unia Ihrer Region berät Sie bei Bedarf.

Zwischenverdienste zu unterschlagen gilt als Pflichtverletzung.

EINE «TATZE» VOM RAV

Sobald Sie als arbeitslos angemeldet sind, haben Sie eine Reihe von Pflichten. Vernachlässigen Sie diese, machen Sie mit den Sanktio­nen der Regionalen Arbeitsvermittlung (RAV) Bekanntschaft. Ungenügende Arbeitsbemühungen sind neben selbstverschuldeter ­Arbeitslosigkeit der zweite Hauptgrund für Einstelltage. Die häufigsten Verstösse sind zu wenige oder zu wenig ernsthafte Bewerbungen, Nichteinhalten von Kon­trollfristen oder Gesprächsterminen, das Schwänzen vereinbarter Kurse, aber auch Nichtanmeldung von Zwischenverdiensten.

  • Tipp 4: Melden Sie sich frühzeitig bei der Arbeitslosenkasse an, noch während Ihr Anstellungsverhältnis andauert.
  • Tipp 5: Halten Sie bereits während der Kündigungsfrist die Vorgaben zur Stellensuche ein (Faustregel: 10 bis 12 Bewerbungen pro Monat). Ungenügende oder keine Arbeitsbemühungen während einer dreimonatigen Kündigungsfrist können zu 9 bis 18 Einstelltagen führen. Noch strenger werden ungenügende Arbeitsbemühungen danach geahndet.
  • Tipp 6: Halten Sie sich an vereinbarte Termine. Nur schon das unentschuldigte Fernbleiben von einem Beratungstermin beim RAV kann Sie 5 bis 8 Einstelltage kosten! Und falls Sie den monatlichen Nachweis Ihrer Arbeitsbemühungen zu spät einreichen, setzt es gleich viele Einstelltage ab, wie wenn Sie sich gar nicht um eine Anstellung bemüht hätten.
  • Tipp 7: Dokumentieren Sie Ihre Korrespondenz. Reichen Sie wichtige Akten per E-Mail ein, drucken Sie den E-Mail-Verkehr zur Sicherheit aus. Bei Bewerbungen per E-Mail vergewissern Sie sich bei Unsicherheit per Telefon, ob die Sendung eingetroffen ist.
  • Tipp 8: Reagieren Sie sofort, ­falls Ihnen das RAV die Annahme eines Stellenangebots vorschreibt, das Sie für unzumutbar halten. Nennen Sie möglichst objektive Faktoren für die Unzumutbarkeit ­(Arbeitsweg und familiäre Verhältnisse, Über-/Unterqualifizierung usw.). Denn eine ungenügend begründete Nichtannahme der Stelle führt beim ersten Mal zu 31 bis 45 Einstelltagen, beim zweiten Mal zu 46 bis 60 Einstelltagen.
  • Tipp 9: Melden Sie Zwischenverdienste in jedem Fall an. Zwar sinkt in der Folge die Höhe der ­Arbeitslosenentschädigung. Der Zwischenverdienst und die Kompensationszahlung der ALV sind zusammen aber immer höher als die Arbeitslosenentschädigung (siehe auch «Das offene Ohr» vom 1. 10. 2021). Und vor allem verletzt die Nichtmeldung Ihre Melde- und Auskunftspflicht, was je nach Schwere des Falls mit bis zu 60 Einstelltagen geahndet wird und erst noch eine Strafanzeige nach sich ziehen kann.
  • Tipp 10: Sorgen Sie für ein gutes persönliches Verhältnis zu Ihrem Berater oder Ihrer Beraterin beim RAV, verhalten Sie sich transparent und erwerben Sie Vertrauen. So wirkt sich der Ermessensspielraum der Beratenden bei einem Verstoss zu Ihren Gunsten aus.

Darum Unia-Arbeitslosenkasse

Was viele nicht wissen: Wer sich arbeitslos meldet, kann seine ­Kasse frei wählen. Und wählt mit Vorteil die Arbeitslosenkasse der Unia. Sie ist als grösste Kasse ­
der Schweiz erfahren und leistungsfähig, und vor allem legt sie die Gesetze – die für alle Kassen gleichermassen gelten – arbeitnehmerfreundlich aus. Denn dazu sind Ermessensspielräume da.

RECHTSSCHUTZ. Für Mitglieder der Gewerkschaft Unia gilt: Sollten Sie mit einem Entscheid des RAV, der Arbeitslosenkasse oder anderer Amtsstellen einmal dennoch nicht einverstanden sein, geniessen Sie den vollen Rechtsschutz der Unia – auch in einem Fall, in dem die Unia-Arbeitslosenkasse involviert ist. Denn Gewerkschaft Unia und Unia-Arbeitslosenkasse sind voneinander unabhängige Körperschaften. In einem Konflikt wird die Gewerkschaft Unia die Ein­sprache für Sie verfassen. Es kann also durchaus vorkommen, dass eine Einsprache der Gewerkschaft Unia Erfolg hat und die Korrektur einer Kassenverfügung der Unia-Arbeitslosenkasse bewirkt.


Wartezeit  Je nach Lohnhöhe

Nicht für alle, die sich als arbeitslos anmelden, ­setzen die Entschädigungszahlungen sofort ein. In ­vielen Fällen kommt es zunächst zu einer Wartezeit. Anders als die Einstelltage sind diese Wartezeiten unabhängig vom Verhalten der Ver­sicherten. So lauten die ­Regeln:

Keine Wartezeit: Ver­sicherte mit einem Jahresverdienst bis 36 000 Franken oder, falls eine Unterhaltspflicht gegenüber Kindern besteht, bis 60 000 Franken. Sie erhalten ab dem ersten Tag Taggelder.

Fünf Tage Wartezeit: Alle Versicherten mit Unterhaltspflicht gegenüber Kindern und einem Jahresverdienst ab 60’001 Franken sowie Versicherte ohne Unterhaltspflicht gegenüber Kindern und einem Jahresverdienst zwischen 36’001 und 60’000 Franken.

Längere Wartezeit: Bei gutverdienenden Versicherten ohne Unterhaltspflicht gegenüber Kindern verlängert sich die Wartezeit je nach Höhe des anrechenbaren Jahresverdiensts. Sie beträgt 10 Tage bei einem ­Verdienst zwischen 60’001 und 90’000 Franken, ­15 Tage bei einem Verdienst zwischen 90’001 und 125’000 Franken und 20 Tage bei einem ­Verdienst über 125’000 Franken.

Bei der Bemessung der Wartezeit spielt es keine Rolle, ob und in welcher Höhe der Partner oder die Partnerin im gemeinsamen Haushalt ebenfalls Lohn
bezieht.

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