FDP-Noser & Co. wollen Arbeitsgesetz faktisch abschaffen

16-Stunden-Tage und 67-Stunden-Woche

Clemens Studer

Die Schweiz ist mit ihrem Arbeitsgesetz im Vergleich zu anderen europäischen Ländern schon heute extrem unfreundlich mit den Arbeitenden. Jetzt wollen die Rechten es noch mehr schleifen.

MIT DEM VORSCHLAGHAMMER: FDP-Ständerat Ruedi Noser möchte die ohnehin schon schwachen Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen am liebsten gleich ganz beseitigen. (Foto: Keystone)

In zwei Jahren sind eidgenössische Wahlen. Und die rechten Parteien von SVP bis GLP wollen ihren Sponsorinnen und Sponsoren noch liefern, was sie ihnen für die Millionen-Parteispenden versprochen haben. Dazu gehört auch: Sie wollen den bereits jetzt schon sehr schwachen Schutz der Lohnabhängigen durch das Arbeitsgesetz weiter abschwächen.
Den neusten Anschlag auf den Gesundheitsschutz startete der frühere CVP-Ständerat Konrad Graber. Angeblich, um das Problem von Buchhaltungsfirmen und Revisionsgesellschaften zu beseitigen. Weil diese in den Zeiten der Jahresabschlüsse überproportional viel zu tun hätten, sollten dort neu auch 16-Stunden-Tage und 67-Stunden-Wochen möglich sein. Nach mehreren parlamentarischen Schlaufen lag eine leicht modifizierte Variante vor. Jetzt soll die Revision «nur» noch solche Beschäftigte treffen, die brutto mehr als 120’000 Franken im Jahr verdienen oder einen Bildungsabschluss auf Tertiärstufe haben.

«Mindestens 150’000 Arbeitnehmende wären nicht mehr geschützt.»

WARNER BUNDESRAT

Der Bundesrat warnte vor dem ständerätlichen Modell dieser «Jahresarbeitszeit». Und zwar, weil die Gewerkschaften nicht einbezogen worden seien. Formal waren das zwar die Arbeitgeberverbände auch nicht, real haben sie diese Schwächung des Arbeitnehmendenschutzes aber in Auftrag gegeben. Das vorliegende Modell hätte «geringe Erfolgschancen», sagte der Bundesrat. Zu dieser Einsicht dürfte wesentlich beigetragen haben, dass die Gewerkschaften unmissverständlich mit dem Referendum drohten.

In der «Allianz gegen Stress und Gratisarbeit» waren unter anderem auch die Schweizerische Gesellschaft für Arbeitsmedizin, der Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte, der Schweizerische Verband der Berufsorganisationen im Gesundheitswesen und der Schweizerische Bankpersonalverband dabei. Letzterer im Unterschied zu dem vom Zürcher Rechts-SP-Ständerat Daniel Jositsch präsidierten «KV Schweiz» und zu «Angestellte Schweiz».

Der Protest wirkte, das Geschäft wurde sistiert und eine Arbeitsgruppe von Gewerkschaften und Arbeitgebervertretungen eingesetzt. Ziel: ausloten, was unter Beachtung des Gesundheitsschutzes der Lohnabhängigen allenfalls auf Verordnungsweg innerhalb des bestehenden Gesetzes möglich wäre.

KAHLSCHLÄGER NOSER

Doch statt auf die Resultate der Arbeitsgruppe zu warten, die dem Vernehmen nach gut unterwegs ist, rennt die rechte Mehrheit der ständerätlichen Wirtschaftskommission (8 Rechte, 4 Fortschrittliche) mit dem Kopf durch die Wand. Auf Antrag des Zürcher FDP-Ständerates Ruedi Noser weitet sie den schon inakzeptablen Graber-Vorstoss weiter aus. Der Noser-Vorschlag will jetzt quasi für alle Arbeitnehmenden, die in Firmen arbeiten, die irgendetwas mit «Beratung» zu tun haben, die Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen weitestgehend abschaffen. Und damit speziell auch das Verbot von Nacht- und Sonntagsarbeit. Wegfallen soll der Schutz für «Vorgesetzte» und «Fachspezialisten» mit einem «höheren Bildungsabschluss». Arbeitsgesetzexperte Luca Cirigliano vom SGB kommentiert: «Das ist ein eigentlicher Gummiparagraph.» Denn, so Cirigliano: «Damit wären mindestens 150’000 Arbeitnehmende in Sachen Arbeitszeit nicht mehr vom Arbeitsgesetz geschützt.»

STOPPER VOLK

Bevor der Gesamtständerat über diese faktische Abschaffung des Arbeitsgesetzes für viele Lohnabhängige entscheidet, wird sich noch der Bundesrat äussern. Frühestens in der Sommersession wird der Ständerat über Nosers Kahlschlagantrag entscheiden. Danach ist der Nationalrat an der Reihe. Klar ist jetzt schon: Die Gewerkschaften werden das Referendum ergreifen, falls die bürgerlichen Mehrheiten in National- und Ständerat ihre Pläne durchsetzen.

1 Kommentar

  1. Martin Geisser

    Das ist unglaublich. Ein weiter Schritt um die Schere weiter zu öffnen. So geht es nicht.

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