Wegen «dogmatischer Technokraten» an der Verbandsspitze:

Riesenkrach bei Baumeistern

Jonas Komposch

Der Baumeisterverband greift die Büezerlöhne an. Das ist der Walliser Sektion zu blöd. Sie schert aus. Die Hardliner toben.

ÜBERRASCHUNG! Baumeister-Chef Gian-Luca Lardi will die Büezerlöhne kleinhalten und liebäugelt sogar mit einem vertragslosen Zustand in der Branche. Doch der Walliser Baumeisterverband grätscht ihm rein. (Foto: 13 Photo)

Es war ein selten geharnischter Brief, den der Walliser Baumeisterverband (WBV) kürzlich im Briefkasten hatte. Nichts weniger als ­«Rebellion» und «Verrat» wird seinen Mitgliedern darin vorgeworfen. Wer das Schreiben verfasst hat, will WBV-Präsident Serge Métrailler auf Anfrage nicht verraten. Klar ist aber: Es waren Baumeister aus anderen Kantonen. Was war passiert?

Die Walliser Baumeister hatten sich im Dezember mit den Gewerkschaften auf eine generelle Lohnerhöhung für das Jahr 2022 geeinigt. Sie beträgt 1,2 Prozent. Hinzu kommen individuelle Erhöhungen von 0,3 Prozent der Lohnsumme, die auf mindestens ein Drittel der Büezer verteilt werden müssen. Kein Riesensprung also, aber immerhin ein Teuerungsausgleich «plus». Trotzdem ist das für viele Baumeister der «Üsserschwyz» ein Skandal. Denn der Walliser Abschluss lässt sie alt aussehen.

Die Meister haben keinen Grund, zu jammern.

WENIGER FÜR BÜEZER

Unzählige Bauarbeiter werden nämlich auch in diesem Jahr Reallohnverluste erleiden. Wegen der Teuerung. Und weil im November der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) erneut jede generelle Lohnerhöhung verweigerte. Das sei «nicht möglich», hiess es, die Gewinnmargen seien zu tief. In Wahrheit haben die Meister keinen Grund, zu jammern. Die Branche boomt: Rekordwerte bei den Baugesuchen, historisches Höchstniveau bei den Investitionen und noch bessere Konjunkturaussichten für die kommenden Monate. Trotzdem holt der SBV schon zum nächsten Angriff aus.

Die Verbandsmehrheit will nämlich den Landesmantelvertrag (LMV) für die Arbeitenden verschlechtern. Gewisse Chefs stehen offen dazu. Zum Beispiel Rolf Graf, der Baumeisterpräsident der Region Basel. Hinsichtlich der LMV-Neuverhandlungen, die am 28. Februar beginnen, schreibt er: «Klares Ziel der Baumeister ist, massgebliche Verbesserungen für die Arbeitgeber zu erreichen.» Konkreter wurde unlängst sein Freiburger Kollege Germain Wicht: Es brauche einen «unternehmensfreundlicheren» LMV mit «finanzierbaren Löhnen» und «flexibleren Arbeitsmodellen». Im Klartext: Mehr chrampfen für weniger Geld.

Andere SBV-Sektionen üben dagegen leise Selbstkritik, etwa jene aus Solothurn: Die «gescheiterten Lohnverhandlungen 2022» seien «kein gutes Omen für die anstehenden GAV-Vollverhandlungen».

KÜHLE ABRECHNUNG

Dass eine Vertragsverschlechterung nicht nur unwürdig, sondern angesichts des Fachkräftemangels auch unvernünftig wäre, betonen gewerkschaftlich organisierte Bauleute schon lange. Jetzt gibt ihnen endlich auch ein Unternehmerverband recht. Im Januar veröffentlichte der angegriffene WBV nämlich eine kühle Abrechnung mit den Hardlinern im SBV (in ganzer Länge nachzulesen hier: rebrand.ly/sbvkritik).

Die nationalen Lohn- und LMV-Verhandlungen seien von «Dogmatismus» geprägt, schreibt der WBV. Denn: «Der Kampf wird eher gegen eine Gewerkschaft geführt als für das Wohlergehen der Arbeitnehmer und der Unternehmen.» Eine klare Abfuhr erteilt das Wallis auch Drohgebärden wie jenen von SBV-Boss Gian-Luca Lardi.

«ZENTRALISMUS»

Der FDPler liebäugelte im «Tages-Anzeiger» offen mit dem vertragslosen Zustand. Dazu der WBV: «Der frontale Angriff, den gewisse Technokraten seit mehr als einem Jahr gegen unsere Vereinbarungen führen, stellt die sozialen Errungenschaften, den Schutz der korrekten Unternehmen (…) sowie den notwendigen gemeinsamen Kampf gegen die Schwarzarbeit in Frage.» Legitimiert würden diese Angriffe mittels «ausländischer Studien oder gezielter Rechtsgutachten», aber «ohne jemals den Puls vor Ort zu nehmen».

Da mache der WBV nicht mit. Mit der Lohnerhöhung wolle er stattdessen die «exemplarische Haltung der Arbeitnehmer» während der Pandemie würdigen. Diese Position habe der WBV auch «mit Nachdruck in der Region Romandie vertreten, die diesen Grundsatz geteilt» habe. Standhaft blieb letztlich aber nur das Wallis. Der Neuenburger Baumeisterverband etwa ist zwar ebenfalls für eine Lohnerhöhung von 1,5 Prozent. Doch um es sich nicht mit dem SBV zu verscherzen, gab er seine Position bloss als «Empfehlung» heraus. Daher kritisiert der WBV auch den Verbandszentralismus, «der weit von jeglicher Realität entfernt» sei. Mit entsprechender Parole endet die zweiseitige Abrechnung: «immer Partner, nie Befehlsempfänger». Irgendwie sympathisch, diese Walliser!

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