Logistikfirma Swissjust: work zu Besuch in Buenos Aires

Compañeros feiern ihren Erfolg mit Appenzeller Biberfladen

Jonas Komposch

Hohe Entschädigungen und Rückzug von Strafanzeigen – das haben sich 25 entlassene Büezerinnen und Büezer ­von Swissjust Argentina hart erkämpft. work-Redaktor Jonas Komposch hat diesen Erfolg mitgefeiert.

LOHN DER HARTNÄCKIGKEIT: Die früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Swissjust haben sich durchgesetzt. Ein Grund zum Feiern fürs ganze Team um Mardonio Racedo (7. von rechts, neben work-Redaktor Jonas Komposch). (Foto: ZVG)

Für ein rauschendes Fest fehlte zwar das Geld. Doch einen geselligen Grillabend liessen sich die 25 ehemaligen Arbeiterinnen und Arbeiter der argentinischen Logistikfirma Swissjust in Buenos Aires nicht nehmen. Zumal die Unia-Jugend Ostschweiz Finanzhilfe, fast ein Kilo Schokolade und ­einen originalen Appenzeller Biberfladen beigesteuert hat. «Als kleine Geste der internationalen Solidarität», wie der Arboner Gewerkschaftssekretär Lukas Auer erklärt. Über den Atlantik gebracht hatte die süsse Ware wiederum der Schreibende in seinen Weihnachtsferien.

(Foto: ZVG)

Die freundschaftlichen Bande zwischen der Unia und dem Büezerkollektiv in Argentinien bestehen seit letztem Frühling. Damals hatte Swissjust, eine Partnerfirma des florierenden Appenzeller Kosmetikmultis Just, die ganze Belegschaft in ein verlängertes Wochenende geschickt – bloss, um das Logistikzentrum heimlich leerzuräumen und für immer zu schliessen (work berichtete: rebrand.ly/unjust).

Einen derart miesen Rauswurf mitten in der Coronakrise liessen sich die Geschassten aber nicht gefallen. Kurzerhand besetzten sie ihren langjährigen Arbeitsort. Und harrten über zehn Monate aus! Das hat sich gelohnt: Am 30. Dezember verpflichtete sich Swissjust schriftlich, den Ex-Mitarbeitenden Abgangsentschädigungen von bis zu 20 Monatslöhnen zu zahlen. Bereits ist das meiste Geld eingetroffen. Protestführer Mardonio Racedo (41) ­ist stolz: «Die Kapitalisten zahlten einen ­hohen Preis für den Angriff auf uns. Sämtliche Abfindungen sind deutlich höher als das, was sie uns ursprünglich angeboten haben.»

Swissjust hat auch die Klagen zurückgezogen.

KOMMT EINE GENOSSENSCHAFT?

Swissjust unterzeichnete zudem eine Vereinbarung, die Strafanzeigen gegen Racedo zurückzuziehen. Ihm hatte die Firma ­unter anderem Hausfriedensbruch vorgeworfen. Im Gegenzug gaben die Arbeiterinnen und Arbeiter das besetzte Logistikzentrum an den Eigentümer zurück.

Wo sie aber in Zukunft arbeiten werden, sei noch völlig ungewiss, sagt Mardonio Racedo. Denn die Stellensuche im krisengebeutelten Andenstaat gestaltet sich äusserst schwierig. Erschwerend kommt die Arbeitslosenquote hinzu, die wegen Corona ­in die Höhe geschnellt ist. Laut Regierung leben seither schon über 40 Prozent der Bevölkerung in Armut. Doch die Swissjust-Compañeros haben Ideen. Racedo: «Wir überlegen uns, eine Genossenschaft zur Gipsplattenproduktion zu gründen.» Um über die Runden zu kommen, hätten sie bereits während der Besetzung Gipsplatten hergestellt. Und auch mit dem Arbeiten im Kollektiv und demokratischen Entscheidungsprozessen hätten sie nun reichlich Erfahrung. Racedo ist sogar überzeugt: «Wenn wir Lohnabhängige am Arbeitsplatz demokratische Versammlungen abhalten, dann ist alles möglich – sogar eine gerechte Gesellschaft!»


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