Ausgebremst: Gericht erklärt Uber zum Arbeitgeber

Uber verliert – und fährt weiter seine Verzögerungstaktik

Christian Egg

Gleich zwölfmal sagt’s das Zürcher Sozialversicherungsgericht: Uber ist Arbeitgeber. Somit schuldet der US-Taxidienst den ­Fahrerinnen und Fahrern mehrere Hundert Millionen Franken.

GEPRELLTE ARBEITER: Der Taxidienst Uber findet immer wieder neue Ausreden, um seine Fahrerinnen und Fahrer nicht anzustellen und keine Sozialleistungen zu bezahlen. (Foto: Getty)

Seit bald neun Jahren weigert sich der US-Taxidienst Uber, für seine Fahrerinnen und Fahrer in der Schweiz Beiträge an AHV, Suva und Co. zu zahlen. Schon fast so lange liegen deshalb die Suva und die Zürcher Ausgleichskasse mit Uber im Clinch. Die anderen Kantone, in denen Uber tätig ist, haben ihre Verfahren ebenfalls nach Zürich delegiert.

Jetzt hat das Zürcher Sozialversicherungsgericht entschieden: Uber-Fahrerinnen und -Fahrer sind Angestellte. Die Argumentation des US-Giganten (Börsenwert rund 85 Milliarden Dollar), er sei nur Vermittler von Selbständigen, verfing nicht. Das Gericht hat vielmehr detaillierte Anweisungen von Uber an seine Chauffeurinnen und Chauffeuren festgestellt. Etwa, dass sie zehn Minuten am Treffpunkt warten müssen, wenn sich ein Fahrgast verspäte. Dass die Firma nur von «Empfehlungen» spreche, sei «irrelevant», so die Richterinnen und Richter. Denn wer sich nicht daran hält, riskiert den Rausschmiss aus der Uber-App, sprich: eine fristlose Kündigung. Deshalb sieht das Gericht hier ein klares «Unterordnungsverhältnis», und das sei typisch für ein Angestelltenverhältnis.

Gleich in zwölf parallel geführten Verfahren entschied das Gericht so. Und in mehreren an­deren Kantonen urteilten Gerichte ebenfalls: Uber ist ein Arbeitgeber. Die US-Firma schuldet ihren Fah­rerinnen und Fahrern somit seit 2013 Sozialversicherungsbeiträge. Laut einer Schätzung der Unia sind das mehrere Hundert Millionen Franken.

«Firmen wie Uber bringen unser Gerichtssystem an seine Grenzen.»

KANTONE SIND AM BALL

Doch Uber denkt nicht daran, zu bezahlen. Sondern zieht die Zürcher Urteile ans Bundesgericht weiter. Unia-Chefjuristin Regula Dick befürchtet gar, dass auch ein Entscheid der höchsten Instanz nicht das Ende der Geschichte wäre: «Ich traue es Uber zu, dass sie weitere Tricks finden. Etwa das Argument, die Urteile bezögen sich auf die Vergangenheit und man habe seither die Bestimmungen geändert.»

Firmen wie Uber, sagt sie, brächten unser Gerichtssystem an seine Grenzen: «Sie können jeden Einzelfall anfechten und damit um Jahre verzögern.» Zielführender wäre ein entschlossenes Durchgreifen der Kantone. Aber einzig in Genf ist der Wille spürbar, bei Uber das Recht durchzusetzen. So zwang der Kanton 2020 die Tochterfirma Uber Eats, seine Kurierinnen und Kuriere anzustellen – damals eine Weltpremiere (work berichtete: rebrand.ly/Uber-Vertrag). Jetzt bekommen sie den kantonalen Mindestlohn von 23 Franken pro Stunde.

Leichtes Spiel, so Juristin Regula Dick, hat Uber auch wegen Lücken in unseren Gesetzen: «Heute müssen die Sozialversicherungen den Vermittlungsplattformen wie Uber mühsam beweisen, dass sie Arbeitgeberinnen sind. Sinnvoller wäre es, wenn die Firma das Gegenteil beweisen müsste.»

NEUE WEGE

Genau diesen Weg will jetzt die EU-Kommission beschreiten. Sie hat im Dezember eine Gesetzesvorlage verabschiedet mit dem Ziel, geschätzte 4 Millionen Plattform-­Arbeitende in den Mitgliedsstaaten besser zu schützen (siehe Kasten). So sollen etwa Essenskurierinnen und Chauffeure automatisch als Angestellte gelten. Und hätten damit in vielen Ländern Anrecht auf einen Mindestlohn, auf bezahlte Ferien, Kündigungsschutz und Lohn im Krankheitsfall. Alles Dinge, von denen Uber-Fahrer in der Schweiz derzeit nur träumen können.

EU: Klare Regeln für Plattformen

Anhand von fünf Kriterien sollen in der EU künftig digitale ­Plattformen eingestuft werden. Für den Status als Arbeitgeberin spricht, wenn eine Firma˜ den Preis der Dienstleistung festlegt,

  • die Arbeitenden aus der ­Distanz überwacht,
  • ihnen untersagt, Aufträge ­abzulehnen oder die Arbeits­zeiten selber zu bestimmen,
  • das Tragen einer Uniform ­vorschreibt oder
  • ihnen verbietet, für andere ­Firmen tätig zu sein.

Sobald zwei dieser fünf Kriterien erfüllt sind, soll die Firma ­automatisch als Arbeitgeberin gelten. Dieser Entwurf für eine verbindliche Richtlinie geht nun an den EU-Ministerrat und das Europa-Parlament.

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