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Malerin Nina Zingg (23): «Mit ein bisschen Farbe sieht’s besser aus!»

Ralph Hug

Ob schleifen, grundieren, ­anstreichen oder mit der Spritz­pistole hantieren: Malerin Nina Zingg macht’s mit Leidenschaft. Ebenso gerne steigt sie in den Ring.

TROTZ FRAUEN IN DER MINDERHEIT. Nina Zingg (23) fühlt sich als Malerin rundum wohl. (Foto: Daniel Ammann)

Sie stürmt herein, reicht kurz, aber kräftig die Hand, verschwindet in der Küche, ruft «mit oder ohne?» und setzt sich erwartungsvoll hinter den Krug mit frischem Mineralwasser. Es ist Feierabend, 18.30 Uhr. Nina Zingg kommt grad von der Büez, etwas verspätet. Die 23jährige hat soeben Dutzende von Hanteln gelb angestrichen. Müssen Malerinnen jetzt auch noch Hanteln färben? «Nein, nein», wehrt sie ab. Das war eine Arbeit in der Freizeit, sie hat noch Ferien. «Mit ein bisschen Farbe sieht’s einfach besser aus im Fitnessraum», sagt sie. Und zeigt ein Handyfoto zum Beweis.

MIT VERVE. Die Hanteln gehören dem Boxclub Arbon. Dreimal pro Woche ist Nina dort im Training. Soeben hat sie von ihrem Freund neue Boxhandschuhe bekommen, ganz aus Leder, 160 Franken das Paar, nicht gerade billig. Die alten aus Kunstleder waren schon ziemlich durch. Nun freut sie sich auf die nächsten Sparring-Runden (siehe Sideline). Die junge Powerfrau dreht nicht nur in der Freizeit auf, sondern auch im Job: «Wenn schon, dann richtig!» so ihr Credo. Halbe Sachen mag sie nicht. Und lacht dabei laut und herzlich mit ihrer leicht rauchigen Stimme.

Nina Zingg arbeitet bei Fabrizio Faes, einer Malerfirma im benachbarten Arbon TG. Vier Angestellte sind im Team. Die Firma erledigt sämtliche Malerarbeiten, sei es aussen oder innen. Die meisten Aufträge kommen aus der Region. Bei Bedarf fährt das Team auch nach Zürich oder ins benachbarte Ausland, etwa nach Frankreich. Alles schon passiert. Für Nina Zingg kein Problem, denn was ihr am Malerinnenberuf besonders gefällt, ist seine Vielseitigkeit. «Kein Tag ist wie der andere, mir ist es noch nie langweilig geworden», versichert sie ohne Zögern.

Ob schleifen, grundieren, anstreichen, Farben mischen oder mit der Spritzpistole hantieren – Zingg nimmt alles fachkundig und mit Verve in Angriff. Selbst schwere Farbkübel in den fünften Stock zu wuchten macht ihr nichts aus. «Training!» sagt sie sich dann. Sie hat kein Pro­blem mit einem Job, der sie jeden Tag physisch fordert.

Beinahe wäre sie Gipserin geworden. Das hätte ihr genauso gut gepasst. Doch leider war nach dem Schulabschluss keine Lehrstelle frei. Dass sie weder Coiffeuse noch Pflegerin noch Köchin werden wollte, ist ihr nach dem Schnuppern schnell klar geworden. Als Malerin ist Nina Zingg im richtigen Beruf. Da fühlt sie sich rundum wohl.

VIELFÄLTIG: Hanteln spritzen in der Freizeit, mit Pinseln hantieren im Job.

MIT HUMOR. Heute arbeiten viele Frauen im Malergeschäft. Sie sind aber nach wie vor in der Minderheit. Keine Probleme damit, wo es doch auf dem Bau ziemlich rau zu- und hergeht? Nicht für Nina Zingg. Mit ihrer direkten, offenen Art und ihrer kräftigen Erscheinung ist sie unter Berufskollegen schnell akzeptiert. Klar höre sie manchmal «blöde Sprüche». Aber dann nehme sie es mit Humor. Kommt ihr mal einer wirklich schräg, dann weiss sie sich zu wehren. Mit Worten. Das hat sie übrigens schon lange vor dem Boxen gelernt. Es gibt nicht viel, was Zingg im Job wirklich ärgert. Sie wird nur dann etwas nervös, wenn ein Kunde bei der Renovation seiner Wohnung nicht von der Stelle weicht und jeden ihrer Arbeitsschritte beobachtet und kontrolliert. «Misstrauen mag ich nicht», sagt sie. Trotzdem kann sie ein solches Verhalten verstehen: «Wir sind ja bei den Leuten zu Hause, in ihrer Privatsphäre, und das vertragen nicht alle gleich gut.»

Schon während der Lehrzeit ist Nina Zingg der Unia beigetreten. Der Vorarbeiter hat ihr gesagt: «Wär das nicht auch etwas für dich? Ist immer jemand da, wenn du Probleme hast.» Das hat ihr eingeleuchtet, und sie sagte sich: Eine gute Sache, warum nicht? Heute ist sie ein aktives Mitglied in der Unia-Regionalgruppe, zudem amtet sie als Delegierte für die Berufskonferenz Maler/Gipser. In der Frauengruppe hat sie schon so manches Transparent mit Parolen für gleichen Lohn bemalt. «Hat Spass gemacht», sagt sie, zupft das Poloshirt zurecht und lacht wieder ihr herzliches Lachen. Nina geht die Dinge optimistisch an. Am Wochenende ist dann auch mal Ausspannen angesagt. Für Bequemlichkeit ist gesorgt: Das riesige Sofa füllt fast die Hälfte ihrer Stube. Da lassen sich gut Kräfte sammeln für künftige Runden – im Beruf wie auch im Sport.


Nina Zingg  Boxerin

Nina Zingg ist 1998 geboren, wuchs in der Bodenseeregion auf und ging hier zur Schule. Ein Jahr weilte sie mit der Familie in der Türkei, kehrte dann aber wieder in die Schweiz zurück. Jetzt wohnt sie zusammen mit ihrem Freund in Steinach SG, wenige Schritte vom Bodenseeufer entfernt. Ihre Mutter ist im benachbarten Arbon TG zu Hause.

FAIRNESS. Auf der Suche nach einem Freizeitsport landete Nina Zingg beim Boxclub Arbon. Dort hat sie eine einzige Kollegin, der Rest sind alles Männer. Doch das macht ihr nichts aus: «Was zählt, ist die Atmosphäre.» Nina ist vom Boxsport fasziniert. Hier gehe es in erster Linie um Selbst­behauptung, Körperbeherrschung und Fairness, stellt sie klar. Hanteln, Springseil und Liegestütze sind für die Muskeln. Gefragt sind ebenso schnelle Reaktion und Treffsicherheit.

LIZENZ. Im Sparring übt Nina gut geschützt mit Kopf- und Mundschutz sowie dem für Frauen obligatorischen Brustschutz. Und das schon seit zehn Jahren. Eine gröbere Verletzung am Fuss zwang sie zu einer längeren Pause. «Das ist jetzt aber verheilt», sagt sie. Einen echten Ringkampf hat sie noch nicht bestritten. Dies ist auch nur mit einer Lizenz möglich. Strebt sie das an? Nina lässt die Antwort aus. Doch ihre Augen sagen alles.

Nina Zingg ist Unia-Mitglied. Sie verdient für ihr 100-Prozent-Pensum rund 5000 Franken.

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