Ratgeber

Wie Sie aus Einsamkeit herausfinden – und Einsamen helfen

Martin Jakob

«Bleiben Sie zu Hause!» riet der Bundesrat beim Ausbruch von Corona. Wer sich schon zuvor oft einsam fühlte, litt durch das «Social Distancing» doppelt. So können Sie Einsamkeit lindern.

EINSAM: Trotz Instagram, Whatsapp, Facebook und Co. fühlen sich auch junge Menschen oft unangenehm allein. (Foto: Getty)

«Eine Leere, eng und dunkel», beschreibt eine Einsame im Portraitfilm «Einsamkeit hat viele Gesichter»* ihr Lebensgefühl. Sie ist ­pensioniert, alleinstehend und gehört damit zu einer Bevölkerungsgruppe, die oft unter andauernden Einsamkeitsgefühlen leidet. In der gängigen Vorstellung, wen das Einsamsein treffe, nehmen ­ältere Menschen sogar einen Spitzenplatz ein.
Doch Einsamkeit kann jede und jeden treffen. Nach einer im November publizierten Umfrage des «Migros-Magazins» fühlen sich 17 Prozent der Menschen in der Schweiz sehr oft oder eher oft einsam. Aus der schweizerischen Gesundheitsbefragung des Bundesamts für Statistik geht hervor, dass Menschen mit Migrationshintergrund von Einsamkeit überdurchschnittlich betroffen sind. Und in internationalen Studien stechen jeweils zwei Altersgruppen hervor: Neben den Menschen im Rentenalter fühlen sich junge Erwachsene zwischen 15 und 25 Jahren besonders oft einsam. Noëmi Seewer forscht am Institut für Psychologie an der Universität Bern zu Einsamkeit. Sie sagt: «Eine weitere Häufung von Einsamkeitsgefühlen finden wir ums Alter 50 bis 60.»

Allen drei Lebensphasen sei gemeinsam, dass sie im Zeichen ­eines Übergangs stünden. Bei den Jungen ist es beispielsweise die ­Abnabelung vom Elternhaus. Menschen um 50 machen oft eine Phase der privaten und beruflichen Neuorientierung durch (nicht zufällig spricht man von «Wechseljahren»). Und Menschen im Rentenalter können von den Kontakten zur Arbeitswelt abgekoppelt sein und verlieren langjährige Vertraute durch deren Tod. «Bei solchen Übergängen verändern sich soziale Netze – sie können verloren gehen oder an Be­deutung verlieren», sagt Noëmi Seewer. Dann heisst es, sich der veränderten Umstände gewahr zu werden und das soziale Netz wieder zu stabilisieren.

Aber: Wer allein ist, muss sich deswegen nicht unbedingt einsam fühlen. Solange das Alleinsein ein frei gewählter Zustand ist, kann er durchaus als positiv empfunden werden. Einsamkeit beginnt erst dort, wo jemand unter dem Alleinsein leidet. Psychologin Seewer: «Einsamkeit kann verstanden werden als sozialer Durst. Sie kann uns signalisieren, dass etwas mit unseren sozialen Beziehungen nicht in Ordnung ist, und uns motivieren, aktiv zu werden. Genauer gesagt entstehen Einsamkeits­gefühle, wenn die Anzahl oder Qualität der gewünschten sozialen Beziehungen nicht den eigenen Wünschen entspricht.»
Wie aber kann dieser Durst gelöscht werden?

In der Schweiz fühlen sich 17 Prozent der Menschen sehr oft oder eher oft einsam.

TELEFON ODER THERAPIE

Andauernde Einsamkeit ist ungesund, auch das belegen zahlreiche Studien. Sie sei etwa so schädlich wie Rauchen oder Fettleibigkeit, heisst es. Ein Grund mehr, dem ­Käfig zu entrinnen. «Gegen Einsamkeit gibt es keine Pille», sagt Psychologin Seewer, «und es bringt auch nicht viel, sich kopflos in Beziehungen zu stürzen.» Sie empfiehlt stattdessen, sich zunächst über ein paar Dinge klar zu werden. Wieso ist es schlimm für mich, allein zu sein? Wie gehe ich auf andere Menschen zu – wenn überhaupt? Wie sieht mein soziales Netz heute aus, pflege ich es und nehme mir auch Zeit dafür? Welche Kontakte fehlen mir besonders, und was suche ich in sozialen Beziehungen? Nach dieser Selbstbefragung lässt sich Abhilfe besser planen – und der Schritt nach draussen wagen. Möglich­keiten für den ersten Schritt gibt es etliche (siehe Spalte rechts): Telefondienste, deren Mitarbeitende im Zuhören geschult sind, die ­motivieren können und bei Bedarf spezialisierte Beratungsstellen kennen. Selbsthilfegruppen in der Region. Oder Organisationen, die zu offenen Tischgesellschaften einladen.

Manchen Menschen erscheinen allerdings schon diese ersten kleinen Schritte als zu gross. Zu viele Rückweisungen haben sie erlebt und zu viele Verletzungen, wenn sie sich jemandem öffneten. In solchen Fällen empfiehlt Noëmi Seewer, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies gilt auch, wenn sich jemand anhaltend traurig und hoffnungslos fühlt – das sind Symptome einer Depression – oder gar Suizidgedanken hat.

ACHTSAME BEGEGNUNGEN

Wer selber ein abwechslungsreiches soziales Leben führt, beachtet die einsamen «Mauerblümchen» der Gesellschaft oft nicht. Doch sie leben unter uns. Vielleicht im Mehrfamilienhaus Tür an Tür mit Ihnen: Wie wär’s, wenn Sie sie grüssen? Und die peinliche Enge im Lift für einen Wortwechsel nutzen? Oder Sie haben eine Tante im Pflegeheim: Wieso nicht hin und wieder zu ­Besuch gehen, statt im Advent eine Karte zu schreiben? Sie müssen keine Heilige, kein Heiliger werden: Ein wenig Achtsamkeit reicht, um lichte Momente in den Tag von Einsamen zu streuen. Und falls Sie Ihr Engagement auf eine höhere Stufe heben wollen, bieten Ihnen Organisationen wie die im Text rechts genannten ­einige Möglichkeiten zur Freiwilligenarbeit. Womit Sie Ihr eigenes soziales Netzwerk gleich mal angenehm vergrössern.

Selbsthilfe via Internet

Sind Sie volljährig, fühlen sich ­einsam und möchten sich mit ­diesen Gefühlen auseinander­setzen? Die Universität Bern führt eine Studie durch, in der sie ­untersucht, ob Einsamkeit mit ­einem internetbasierten Selbst­hilfeprogramm reduziert werden kann. Informationen zur Studie und zur Anmeldung: rebrand.ly/unistudie.


Anlaufstellen  Hier gibt’s Hilfe

REDEN

Gesamtschweizerische, kosten­lose Angebote (Auswahl):

  • malreden.ch
    Telefongesprächsdienst für Seniorinnen und Senioren, täglich 14 bis 20 Uhr, 0800 890 890.
  • 143.ch
    Die Dargebotene Hand, Gespräche per Telefon oder im Chat, Dialoge via Mail. Alle Altersgruppen, 24 Stunden, Telefon 143.
  • 147.ch
    Gesprächsangebot der Pro Juventute für Jugendliche. Beratungsgespräche, Chatten mit Gleichaltrigen.
  • haeschziit.ch
    Onlineforum für ­Jugendliche und junge Erwach­sene ab 17 Jahren.
    meinohrfuerdich.ch Alltagstelefon für jung und alt. Täglich von 14 bis 20 Uhr, 0800 500 400.

TREFFEN

  • femmestische.ch
    Femmes-Tische und Männer-Tische sind moderierte Gesprächsrunden in verschiedensten Sprachen. Sie sind offen für alle interessierten ­Menschen – mit oder ohne Migrationshintergrund.
  • tavolata.ch
    Gemeinsam Kochen, Essen und Geniessen. Wegen Corona zurzeit mehrheitlich digitale Treffen. Motto: «Zusammen isst man weniger allein.»
  • nachbarschaftshilfeschweiz.ch
    Netzwerk eigenständiger Genossenschaften, Vereine und Pro­jekte, die sich in der Nachbarschaftshilfe mit Zeitgutschriften engagieren.
  • selbsthilfeschweiz.ch
    Verzeichnis der Selbsthilfegruppen, mit Themenfilter (siehe «Einsamkeit»).

THERAPIEREN

3 Kommentare

  1. Was gegen Einsamkeit helfen kann
    Vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag. Wir haben den Eindruck, dass sich nicht jeder einsam fühlt, der allein ist. Aber für viele Menschen ist Einsamkeit ein schweres Thema, besonders dann, wenn sie wenig Möglichkeiten haben, am sozialen Leben teilzunehmen.
    Das betrifft speziell kranke, alte und arme Menschen. Einsamkeit ist weitverbreitet und die Corona-Zeit hat das Alleinsein für viele Menschen zum Trauma gemacht. Die Folgen können sehr schwerwiegend sein, bis hin zum Selbstmord.
    Wir haben es selbst erlebt: Keine Ansprache von Dritten, keine wirkliche persönliche Nähe zu anderen und kein Austausch kann sehr einsam machen. Und es betrifft nicht nur alte Menschen. Es geht durch alle Alters- und Gesellschaftschichten.
    Wir haben beobachtet, dass Menschen, die über einen längeren Zeitraum einsam sind, erhebliche Folgen am Körper und an der Seele erleiden können. Viele Betroffene entwickeln Angstzustände, Suchtkrankheiten und Depressionen.
    Das Thema Einsamkeit ist manchmal schambesetzt. Aber das sollte es nicht sein. Jeder kann in die Lage kommen, den Anschluss an soziale Kontakte zu verlieren. Lassen Sie uns aufmerksam sein und einander begegnen. Fangen wir in den Familien an, treffen wir uns am Stammtisch, laden wir unsere Nachbarn zum Kaffeetrinken ein und unternehmen wir mit Gleichgesinnten Ausflüge.
    Eigentlich müsste niemand einsam sein, wenn wir alle auf uns schauen. Das Problem ist wahrscheinlich in der Anonymität der Großstadt weiterverbreitet als auf dem Land, wo sich die Leute noch kennen und in vielen Vereinen begegnen.
    Die kirchlichen Angeboten sollten beim Thema Einsamkeit auch nicht unterschätzt werden. Viele Kirchengemeinden bieten neben dem sonntäglichen Gottesdienst schöne Freizeitangebote an wie Chorsingen oder Lesungen mit Diskussionen.

  2. Hagleitner

    ich bin viel alleine habe IV Renne und Fülle mich manchmal alleine gelassen

  3. Hans Baumann

    gute Text aber wenn man bereits so kaputt ist , der Geist abgefackelt und das Gefühl und der Glaube an die Menscheit unter dem Hintern weggesprengt ,heisst nur noch Tiefschläge und kein Erfolgserlebnis mehr hat ,ist es fast unmöglich wieder auf die Beine zu kommen heisst fast nicht zu machen den Tatsache ist wenn man mal ganz unten ist bleibt man unten ,den dann ist man der Verlierer der Zeit und der Gesellschaft und Verlierer haben keinen Platzt mehr in der Gesellschaft,die werden gnadenlos terminiert und wegradiert ,solche Leute will man nicht mehr ,den wer JUNG , SCHÖN , GESUND UND ERFOLREICH IST , GELD HAT und von dennen man provietieren kann , dann bist du willkommen bist du mal ALT , MÜDE, BRINGST KEINE LEISTUNG MEHR ,
    HAST PECH IM LEBEN , HAST ALLES VERLOREN UND BIST ANGESCHLAGEN ,dann zählst du nichts mehr ,dann bsit du in der Gesellschaft weniger Wert als der Dreck an deinen Schuhen Tatsache und selber erlebt

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