Rechts blinken, links abbiegen
Die Schweiz wählt mehrheitlich rechts. Das zeigt sich an der mal mehr, mal weniger deutlichen rechtsbürgerlichen Mehrheit im Bundesparlament. Und wenn immer mal wieder das «linke Parlament da oben in...
Das Zürcher Luxushotel Baur au Lac ist zwar noch kein Take-away. Doch letzte Woche bot es seiner Klientel ein «Thanksgiving @ Home» an. Schon ab 340 Franken gab es einen saftigen Truthahn, ofengeschmort vom Sternekoch, dazu glasierte Marroni, Rotkraut und Cranberry-Jus. Für einen kleinen Aufpreis war auch Champagner zu haben oder der passende Rote. Alles frei Haus. Bis in die gute Stube geliefert. Aber nicht vom Hotelportier. Auch nicht von einem dieser internationalen Kurierkonzerne, die ihr Personal mit lottrigen Drahteseln und grellen Uniformen losschicken. Nein, das feine Haus vertraut auf Smood.
Das einstige Genfer Start-up hat sich schliesslich in wenigen Jahren zu einem smarten, landesweit tätigen KMU gemausert. Und der Jungspund-CEO und Multimillionär Marc Aeschlimann hat noch lange nicht genug. Marktleader will er werden! Solcher Tatendrang begeistert gewisse Kreise. Beinahe hat man den Mann zum «Unternehmer des Jahres» gekürt.
Das ist die schöne neue Welt der «Gig-Economy»!
DIVERS. Doch dann machten die «Smoodeurs», die Fahrerinnen und Fahrer des Lieferdienstes, nicht mehr mit. Sie, die so unterschiedliche Hintergründe haben: Leute in ihren Zwanzigern, die ihr Studium finanzieren müssen, prekäre Grenzgänger aus Frankreich, junge Arbeiter mit migrantischen Wurzeln, aber auch Mittvierziger und ältere, für die der Stellenmarkt wenig Alternativen bietet. Sie alle streiken. Weil sie nonstop auf Achse sein müssen und trotzdem nicht leben können von ihrem Lohn. Viele haben mir ihre Geschichte erzählt. Niemand von ihnen hat bei Smood jemals über 3000 Franken verdient. Die meisten tragen monatlich nur 1500 bis 2500 Franken heim. Hinzu kommt das ständige Wettrennen um knappe Schichten. Die Verkettung mit einer Kontroll-App, die aus Arbeitskollegen gnadenlose Konkurrenten macht. Es sei wie in «Hunger Games»-Filmen, sagt Smood-Kurierin Anna Victoria (21): «Alle gegen alle.»
FRÜHINDUSTRIELL. Plattformarbeit nennt man diese Arbeit, die jedes Privatleben raubt. Das Phänomen wächst rasant und global. Laut Expertinnen werden bald eine halbe Milliarde Menschen allein mit online ergatterten Kleinaufträgen über die Runden kommen müssen – die schöne neue Welt der «Gig-Economy»! Uralt sind dagegen ihre Ausbeutungsmethoden. Arbeit auf Abruf, Stücklohn oder Subunternehmertum sind seit der Frühindustrialisierung bekannt. Und über die App kontrolliert der Tech-Manager seine Fahrer wie einst der Industrielle seine Fliessbandarbeiterinnen. Diese sahen sich wenigstens noch. Die modernen Kuriere hingegen sind allein unterwegs. Isoliert und vereinsamt. Sie kennen sich nicht einmal.
EPIZENTRUM. Doch die streikenden Smood-Leute haben’s geschafft! Vive les smoodeurs! Noch nie zuvor hat ein solcher Streik die Schweizer Delivery-Branche erfasst. Anderswo geht schon längst die Post ab. Die deutsche Friedrich-Ebert-Stiftung zählte in den letzten drei Jahren 527 Proteste und Streiks in 36 Ländern. Wobei Europa das Epizentrum ist. Auch hierzulande kann die Bewegung jederzeit wachsen. Schon brodelt’s bei Divoora im Tessin. Und der weihnächtliche Konsumrausch steht erst noch bevor!
Zuerst etwas Sozialneid und Klischeehopsen gegen das „Baur“. Dann gegen einen innovativen CEO. Und dann endlich vereinsamen Kuriere, weil sie sich nicht gegenseitig kennen. Ja, die Welt ist böse, und der Mensch ist des Menschen Wolf. Was tun? Vielleicht hilft Gendern?