Jean Ziegler ‒ la suisse existe

Die gefolterten Kinder Palästinas

Jean Ziegler
Jean Ziegler

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Waled Ryiad, ein schmächtiger, 14 Jahre alter Junge aus dem Dorf Biddu bei Ramallah, wurde auf dem Heimweg von der Schule von fünf als Palästinenser verkleideten Agenten des israelischen Inland-Geheimdienstes Shin Bet über­fallen. Die Agenten schlugen ihn mit Stöcken und Fäusten bis aufs Blut. Dann fesselten sie ihn, stülpten ihm einen Sack über den Kopf, warfen ihn in einen gepanzerten Jeep und fuhren ihn in eine nahe Siedlerkolonie. Dort ging die Folter weiter. Die Agenten drohten dem Jungen, ihm die Hände zu brechen, sie quälten ihn mit Nahrungs- und Schlafentzug und beschimpften seine Familie und seine Religion. Drei Wochen später wurde er wegen «Terrorismus» von einem Militärgericht verurteilt. Sein Vergehen: Er hatte Steine gegen Panzer der Besatzungsmacht geworfen.

Seit 2000 wurden über 12’000 Jugendliche von israelischen Militärs verhaftet und gequält.

«WIE DIE KANINCHEN». Seit dem Jahr 2000 wurden über 12’000 Jugendliche, viele unter 12 Jahre alt, meist Knaben, aber auch Mädchen, von israelischen Militärs verhaftet, gequält, verurteilt. Einige von ihnen erhielten Gefängnisstrafen von über 15 Jahren. Beispiel: Im Dorf Hares im Distrikt Nablus verhafteten israelische Geheimdienstagenten fünf Kinder und Jugend­liche im Alter zwischen 13 und 17 Jahren. Sie wurden geschlagen und in monatelanger Einzelhaft gepeinigt. Dann verurteilte sie ein Militärgericht zu 15 Jahren Gefängnis. Vorwurf: Sie hatten Soldaten mit Steinen beworfen. Verletzt wurde dabei niemand. Doch die fünf Verurteilten von Hares sind noch weitere acht Jahre in einem Militärgefängnis in Beersheba eingelocht. Ihr Leben ist zerstört.

Michel Warschawski ist einer der einflussreichsten Schriftsteller Israels. Er schreibt: Israelische Soldaten schiessen auf palästinensische Kinder «wie auf Kaninchen» (in «Le Courrier», 2. 11. 2021). In den ersten sieben Monaten dieses Jahres erschossen die Soldaten 12 Kinder unter zehn Jahren. Viele weitere wurden schwer ­verletzt oder invalid. Die Soldaten zielen auf die Beine der Kinder.

Verbrecher fürchten nichts so sehr wie die Transparenz. Die Misshandlungen und die Isolationshaft von palästinensischen Kindern wird akribisch dokumentiert von palästinensischen und internationalen Nichtregierungsorganisationen. Einige palästinensische NGO werden von der EU, aber auch von der Schweiz unterstützt. Beispiel: Das EDA finanzierte bis vor kurzem die palästinensische NGO «Addameer».

ABSURDER «UNTERSUCHUNGSBERICHT». November 2021: Israels Verteidigungsminister Benny Gantz verbietet sechs palästinensische NGO wegen «Terrorverdachts». Gantz überreicht allen ausländischen Geldgebern einen 74seitigen «Untersuchungsbericht». Die EU und selbst die US-Regierung lehnen den Bericht und den Terrorvorwurf als absurd ab. Nur Bern nimmt ihn dankbar in Empfang. Bundesrat Ignazio Cassis streicht die Beiträge an Addameer. Eine Gruppe schweizerischer NGO schreibt an den Bundesrat. Keine Antwort.

Cassis beugt sich gehorsam dem Willen der israelischen Folterer.

Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Aus­schusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Im letzten Jahr erschien im Verlag C. Bertelsmann (München) sein neustes Buch: Die Schande Europas. Von Flüchtlingen und Menschenrechten.

7 Kommentare

  1. Nagel Margrith

    Sie diskutieren über die „Dokumentation der Misshandlungen an palästinensischen Kindern“und sind nicht empört über diese Kinderrechtsverletzungen! Sie können das auch bei der UNO, bei israelischen NGOs oder zahlreichen anderen Quellen nachlesen. Die israelische Armee wird alles machen um „solche Vorfälle“ zu verschweigen und das wirksamste Mittel ist NGOs als Terrororganisationen zu delegitimieren.

    • Peter Bitterli

      Hauptsache, Sie sind „empört“. Genau das ist ja der Zweck. Brave Nagel! Empörungsrhetorik ist das zeitgeistige neue Deppendenken. Als würden die „Kinder“ aus ihren Eliteschulen gezerrt und gefoltert. Die werden von ihren kriminellen Regimes funktionalisiert und missbraucht, und würden sich mit Gewinn gegen diese selber wenden, was sie aber nicht tun, da sie von denen dumm gehalten werden. Zwecks Empörungsrhetorik.

      • Arthur Künzler

        Sie sind ein Ignorant! Und haben von den Zuständen dort offensichtlich keine Ahnung und gefallen sich noch als Provokateur. Schämen Sie sich!

        • Peter Bitterli

          Ja, Künzler, Scham ist die letzte Stufe in der Abfolge der Raketenzündungen der Empörungs-, Moralin- und Tabuisierungs-Rhetorik. Immer schön im pseudoreligiösen Vokabular. Und immer sauber auf den Mann. Linksdenk halt.

  2. Peter Bitterli

    „Die Misshandlungen und die Isolationshaft von palästinensischen Kindern wird akribisch dokumentiert von palästinensischen […] Nichtregierungsorganisationen.„ Super Quelle, Ziegler! „Addameer“ ist im übrigen nichts Anderes als ein karitativer Arm und daher eine Geldquelle palästinensischer Terrororganisationen.

    • Hans Bauer

      Ja wer soll es dann sonst dokumentieren? Die Israelische Armee etwa?

      • Peter Bitterli

        Ich gehe davon aus, dass die israelische Armee als Armee eines demokratschen Staates solche Vorfälle „akribischer“ dokumentiert als mit internationalen Geldern durchgefütterte „palästinensische Nichtregierungsorganisationen“, ja. Die kriegen ja die Kohle genau für die Vorfälle, und im übrigen ist dort unten gleich gar nichts „Nichtregierung“.

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