Seit Dezember ist das Tessiner Mindestlohngesetz in Kraft. Doch sieben Lohndrücker-Firmen haben sich rausgeschlichen – mit miesen Maschen.
TISIN: Die Pseudo-Gewerkschaft der rechten Lega dei Ticinesi. (Foto: ZVG)
Vom Ja an der Urne bis zum Inkrafttreten des Gesetzes dauerte es über sechs Jahre. Doch seit dem 1. Dezember ist er endlich da – der Tessiner Mindestlohn! Er beträgt vorerst bescheidene 19 Franken. Doch selbst das ist manchen Firmen zu viel. Cebi Micromotors in Stabio, Plastifil in Mendrisio und Ligo-Electric in Ligornetto wollten partout an ihren 16-Franken-Stundenlöhnen festhalten – und schritten zur offenen Sabotage des Volksverdikts. Im Nu stampften sie einen neuen Arbeitgeberverband aus dem Boden. Und die rechte Lega dei Ticinesi lieferte mit ihrer Pseudo-Gewerkschaft Tisin das passende Gegenstück (work berichtete).
Manchen Firmen sind selbst 19 Franken zu viel.
ABFUHR VOR BUNDESGERICHT
Die beiden Neo-Sozialpartner hatten nur ein Ziel: einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) abschliessen, bevor das Mindestlohngesetz in Kraft tritt. Denn wo bereits ein GAV besteht, ist der kantonale Mindestlohn nicht zwingend – eine verheerende Gesetzeslücke, vor der die Unia schon immer gewarnt hat. Mini-Löhne sichern wollte auch Gipienne aus Balerna, ein Verpackungsdienstleister, bei dem ausschliesslich italienische Grenzgängerinnen und Grenzgänger arbeiten. Gipienne zog bis vor Bundesgericht, um das Mindestlohngesetz zu bodigen. Auch Cebi und Ligo legten Rekurs ein. Die beiden Elektrotechnik-Firmen wollten verhindern, dass die Löhne im Normalarbeitsvertrag (NAV) der Tessiner Apparatebau-Branche auf das neue gesetzliche Niveau angehoben werden. Einen NAV können Kantone diktieren, wenn eine Branche durch besonders häufiges Lohndumping auffällt. Ende November dann der Paukenschlag: Das Bundesgericht schmetterte alle Beschwerden ab. Und das brachte noch mehr Manager ins Schwitzen: jene von Ideal-Tek in Balerna sowie von Tecnomatic und Tecnomec in Stabio. Sie schlossen sich in letzter Sekunde dem Dumping-GAV der Lega-«Gewerkschaft» an.
EINE KÜNDIGUNG
Was die betroffenen Belegschaften davon hielten, interessierte sie wenig. So wurden die Tecnomatic-Mitarbeitenden erst am 29. November zusammengetrommelt und
einem Tisin-Vertreter vorgestellt. Dann legte man ihnen neue Arbeitsverträge vor – mit der Aufforderung, zu unterzeichnen. Da machte eine Arbeiterin nicht mehr mit. Sie forderte den gesetzlichen Mindestlohn. Tags darauf hatte sie, als Einzige, die Kündigung auf dem Tisch – «wegen Restrukturierungen», wie es hiess.