Pflege-Initiative und Gegenvorschlag im Vergleich

Nur mit der Initiative kommen die Pflegenden wieder auf die Beine

Christian Egg

Die Umfragen zur Pflege-Initiative zeigen rekordmässige Ja-Werte. Das ist auch gut so, weil der Gegenvorschlag zu schwach ist.

PFLEGE AM LIMIT: Protestaktion der Pflegerinnen und Pfleger des Universitätsspitals Zürich. (Foto: Keystone)

Rekordverdächtige 78 Prozent wollen laut der ersten SRG-Umfrage am 28. November Ja zur Pflege-Initiative sagen. Diese verlangt: Bund und Kantone müssen für eine genügende Anzahl diplomierter Pflegefachpersonen sorgen, und diese sollen gewisse Leistungen direkt mit der Krankenkasse abrechnen dürfen. Der Bund muss zudem Vorschriften erlassen zu den Arbeitsbedingungen in der Pflege und zur ­beruflichen Weiterbildung. Und schliesslich dafür sorgen, dass die Pflege in Spitälern, Heimen und in der Spitex angemessen durch die öffentliche Hand entschädigt wird.
Die Pflegenden leiden seit Jahren an Spardruck und Unterbesetzungen. Und sie haben hartnäckig auf ihre Si­tuation aufmerksam gemacht. So hartnäckig, dass sogar die rechte Mehrheit im Parlament eingesehen hat, dass die Initiative sehr gute Chancen hat. Sie hat deshalb einen sogenannten indirekten Gegenvorschlag gezimmert.

Der Gegenvorschlag ist nicht ­«sofort» umsetzbar.

GEGENVORSCHLAG: AM ZIEL VORBEI

Er greift aber nur zwei der fünf Forderungen der Initiative auf. Bund und Kantone sollen in den nächsten acht Jahren rund eine Milliarde Franken zur Verfügung stellen, um die Ausbildung in der Pflege zu forcieren. Und Pflegende sollen gewisse Leistungen direkt mit der Krankenkasse abrechnen dürfen.

Gar nichts ändern will der Gegenvorschlag an den Arbeitsbedingungen, der Weiterbildung und der Entschädigung der Pflegeleistungen. Er wird damit auch nichts ändern an der chronischen Überlastung der Pflegenden. Die führt dazu, dass über 40 Prozent von ihnen den Beruf frühzeitig verlassen. Der Pflegefachmann Patrick Hässig sagte deshalb in der SRF-Arena zum Gegenvorschlag: «Es bringt nichts, oben eine Milliarde reinzuwerfen, wenn unten wieder fast die Hälfte rausfällt.»

Mit allerlei Behauptungen versuchen die Rechten jetzt, Verwirrung zu stiften. In der Hoffnung, dass dies der Initiative schade. work widererlegt die wichtigsten:

BEHAUPTUNG I: «Der Gegenvorschlag ist sofort umsetzbar.»

FALSCH! Alle Kantone müssten ihren Beitrag zum Milliarden-Ausbildungspaket erst noch beschliessen. Das kann Jahre dauern. Und ob der Gegenvorschlag überhaupt in Kraft tritt bei einem Nein zur In­itiative, ist nicht garantiert. Denn im Unterschied zu einem direkten Gegenvorschlag tritt ein indirekter nicht «automatisch» in Kraft, wie die Initiativ-Gegnerschaft glauben machen will. Gegen einen indirekten Gegenvorschlag kann das Referendum ergriffen werden, was zu einer neuen Volksabstimmung führen würde.

Die Initiative dagegen legt Fristen fest. Innert vier Jahren muss das Parlament die Ausführungsbestimmungen verabschieden. Bis es so weit ist, muss der Bundesrat Massnahmen treffen. Und zwar innerhalb von achtzehn Monaten.

BEHAUPTUNG II: «Die Initiative lässt die Gesundheitskosten explodieren.»

FALSCH! Gute Pflege spart Kosten. Eine Studie der Uni Basel zeigt, dass im Pflegeheim 42 Prozent der Spitaleinweisungen vermeidbar wären, wenn mehr qualifiziertes Personal zum Einsatz käme. Und wenn es dank der Initiative schon nur gelingt, Pflegerinnen und Pfleger im Schnitt ein Jahr länger im Beruf zu behalten, spart das jedes Jahr 30 Millionen Franken an Ausbildungskosten. Ausserdem machen Pflegelöhne nur gerade 17 Prozent der Kosten eines Spitals aus.

BEHAUPTUNG III: «Die Initiative bringt nur diplomierten Pflegefachkräften etwas.»

Falsch! Die Initiative verlangt Vorschriften zu Arbeitsbedingungen und Weiterbildung «für die in der Pflege tätigen Personen». Auch die bessere Abgeltung der Pflege durch die öffentliche Hand käme allen Pflegenden zugute.

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