Die internationale Staatengemeinschaft will global 15 Prozent Mindeststeuer für Multis. Da werden 18 Schweizer Kantone noch ziemlich ins Schwitzen kommen. Denn sie liegen an den Hauptorten deutlich darunter.
IDYLLE FÜR STEUERVERMEIDER: In Zug liegt die minimale Gewinnsteuer für Firmen bei 9,08 Prozent. (Foto: Getty)
In den vergangenen Jahrzehnten haben internationale Konzerne und Superreiche immer weniger Steuern auf ihre Gewinne und Einkommen bezahlt. Linke Behauptung? Nein, harte Fakten. Multis verschieben ihre Gewinne in Länder, in denen sie kaum oder keine Steuern zahlen müssen. Das funktioniert zum Beispiel beim Techgiganten Google so: Die Suchmaschinen-Technologie – also die Geldmaschine des Konzerns – gehört offiziell einer Google-Firma auf den Bermudas. Google-Tochterfirmen auf der ganzen Welt zahlen jedes Jahr exorbitante Lizenzgebühren an «Google Bermudas». Das schmälert den offiziellen Gewinn – und damit die Steuern – in jenen Ländern, in denen Google seine Milliarden verdient. Und von den öffentlichen Infrastrukturen profitiert. Die enormen Gewinne von «Google Bermudas» hingegen sind steuerfrei.
Die Schweiz ist dick im Geschäft mit Steuervermeidung.
STEUERVERMEIDER AMAZON
Oder der gewerkschaftsfeindliche Milliarden-Handelskonzern Amazon. Er beutet nicht «nur» Lohnabhängige aus, sondern bezahlt auch keine Gewinnsteuern. Konkret für das Amazon-Rekordjahr 2020: Bei einem Umsatz von rund 48 Milliarden Franken in Europa bezahlte die luxemburgische Firma, über die Amazon die europäische Geschäftesteuer abwickelt, keinen Euro Gewinnsteuern. Doch nicht nur die Techgiganten haben die Steuervermeidung zur Meisterschaft entwickelt. Auch Millionen von weniger gigantischen Unternehmen nutzen das Steuergefälle zwischen den Staaten.
ZWEI SÄULEN
Davon haben grosse Industrieländer jetzt die Nase voll. Als grosse Absatzmärkte entgehen ihnen nämlich Milliarden von Steuereinnahmen. Deshalb beauftragten die 20 grössten von ihnen (G 20) die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) damit, ein umfassendes Reformpaket für eine gerechtere internationale Unternehmensbesteuerung auszuarbeiten. Nach einem drei Jahre dauernden Feilschen stehen jetzt die Eckpunkte.
Die Reform besteht aus zwei Säulen. Die erste soll – verkürzt – Steuereinnahmen umverteilen. Und zwar von jenen Ländern, in denen die Konzerne offiziell ihren Sitz haben, zu jenen, in denen die Gewinne real erzielt werden. Davon wären in der Schweiz höchstens eine Handvoll Schweizer Konzerne betroffen, etwa Nestlé, Novartis und Roche. Unter anderem, weil die Finanzindustrie ausgenommen ist. Zusätzlich würde die Reform allenfalls einige Dutzend Schweizer Ableger von ausländischen Grosskonzernen treffen. Die zweite Säule des Reformpakets besteht aus einer weltweiten Mindeststeuer. Diese soll – verkürzt – so funktionieren: Konzerne mit einem Jahresumsatz ab 750 Millionen Euro sollen auf ihren Gewinnen nicht weniger als 15 Prozent Steuern bezahlen. Zahlt die Tochter eines Konzerns im Ausland aber weniger als 15 Prozent Gewinnsteuer, muss der Multi die so gesparten Steuern im Heimatland bezahlen. Davon wären ein paar Hundert Schweizer Konzerne betroffen und einige Tausend Ableger von ausländischen Multis.
TIEFSTEUERLAND SCHWEIZ
Es muss nicht immer die Karibik sein: Für Firmen und Grossverdienende ist die Schweiz ein Steuerparadies (siehe auch Artikel «Willkommen im Paradies für Wirtschaftskriminelle», Seite 12). Helvetien ist dick im Geschäft mit der internationalen Gewinnverschiebung und Steuervermeidung. Die ordentlichen Steuersätze für Firmen liegen aktuell am Hauptort von 18 Kantonen unter dem geplanten OECD-Mindeststeuersatz von 15 Prozent. Und auch bei Kantonen, deren Hauptorte die 15 Prozent erfüllen, liegen manche Gemeinden darunter. Zum Beispiel im Kanton Solothurn.
Berücksichtigen wir weitere Möglichkeiten zur Steuervermeidung wie etwa Patentboxen, liegt der Schweizer Durchschnitt (Hauptorte) der minimalen Gewinnsteuern für Firmen bei 11,06 Prozent. Im Kanton Zug gar bei nur 9,08 Prozent. Kein Wunder, zittern die Steuervermeider-Anlocker dort jetzt schon. Patentboxen und ähnliche «Instrumente» sind zwar weiterhin erlaubt, aber nur wenn dadurch die Gesamtsteuer nicht unter 15 Prozent sinkt.
15-Prozent-Mindeststeuer: Ueli Maurer sucht schon neue Schlupflöcher
MAURER: Freund der Superreichen und Multis. (Foto: Keystone)
Der Mindeststeuer-Entscheid der OECD ist erfreulich. Er beschert nämlich auch der Schweiz zusätzliche Steuereinnahmen. Und er macht den internationalen Steuerkannibalismus ein bisschen weniger aggressiv.
SCHLAUMEIEREIEN. Doch statt Freude zu zeigen, werkelt das Finanzdepartement unter SVP-Bundesrat Ueli Maurer schon fiebrig an neuen Schlupflöchern. Zugunsten der Multis und der Superreichen werden neue Schlaumeiereien ausgetüftelt. Dabei gäbe es für die erwartbaren Mehreinnahmen viel gescheitere Verwendungszwecke: etwa für die Entlastung der unteren und mittleren Einkommen, für die Energiewende, die Bildung oder das Gesundheitswesen.
Die Wirtschaftsverbände haben Maurer schon mal ihren Wunschzettel diktiert. Darunter: Bundessubventionen für Löhne und Sozialabgaben und Steuersenkungen für Superverdienende. Und selbstverständlich stehen alle Steuergeschenke darauf, die sie von ihren Parlamentarierinnen und Parlamentariern bereits haben aufgleisen lassen, zum Beispiel die Abschaffung aller Stempelabgaben, die Abschaffung der Industriezölle, die Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Obligationen und so weiter und so fort. Alles immer zugunsten der Firmen und der Superreichen, alles auf Kosten der öffentlichen Hand – also von uns allen.