Strafuntersuchung eingestellt, work entlastet:

Schlappe für Reinigungsfirma AAAB

Marie-Josée Kuhn

work hat sich nicht ­wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung ­strafbar gemacht. Das eröffnet die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern.

AB INS MUSEUM! Wer verschickt denn heute noch Faxe? (Foto: Shutterstock)

Der Artikel über die Geschäftspraktiken der Hotel-Reinigungsfirma AAAB war schon gedruckt. Und auch schon online gestellt. Da erreichte work eine superprovisorische Verfügung des Handelsgerichts Zürich, die dessen Publikation «vorsorglich» verbot. AAAB hatte diese Verfügung erwirkt, weil sie argwöhnte, der Artikel könne «persönlichkeitsverletzend» sein.

DIE TECHNIK

work hätte sich dieser amtlichen Verfügung sicher nicht widersetzt, hätte die Redaktion davon gewusst. Doch das tat sie bei Redaktionsschluss am 2. Dezember 2020 nicht. Das Handelsgericht Zürich hatte die Verfügung zwar gleichentags abends per Fax verschickt. Allerdings an eine Fax-Nummer, die von der Redaktion schon ewig nicht mehr bewirtschaftet wird. Wer verschickt denn heute noch Faxe? work hat deshalb auch schon lange kein Faxgerät mehr.

«Die elektronische Einreichung kann nur über eine anerkannte Zustellplattform erfolgen.»

DIE BELEHRUNG

So kam es denn, dass Chefredaktorin Marie-Josée Kuhn erst am 4. Dezember von der gerichtlichen Verfügung erfuhr – und zwar durch work-Anwältin Regula Bähler. work reagierte sofort und liess den Artikel erst einschwärzen, später nahm sie ihn ganz vom Netz. Und liess ihn auch von den Suchmaschinen und sozialen Medien löschen. Das besänftigte die AAAB aber in keiner Weise. Im Gegenteil: Sie reichte am 16. Dezember eine Strafanzeige wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung ein. Und behauptete, work habe sich mit der Publikation des AAAB-Artikels wider besseres Wissen strafbar gemacht. Der Zeitung drohte eine Busse von 10’000 Franken im «Widerhandlungsfall». Es folgten polizeiliche Einvernahmen und jetzt schliesslich der Entscheid, der work entlastet. Und das Handelsgericht Zürich belehrt, wie es die superprovisorische Verfügung korrekt hätte zustellen sollen.

Punkt 1: «Das Gericht kann Zustellungen nur auf dem elektronischen Weg zustellen, wenn die ­Adressaten dieser Kommunikationsform vorgängig zugestimmt haben.»

Punkt 2: «Überdies kann die elektronische Einreichung nur über eine anerkannte sichere Zustellplattform erfolgen (z. B. Incamail der Schweizer Post).»

Punkt 3: «Gerichtliche Dokumente gelten grundsätzlich als zugestellt, wenn sie von der ­Adressatin oder dem Adressaten von der Zustellplattform heruntergeladen worden sind. Verfügt die Person hingegen nicht über ein eigenes Postfach bei der Zustellplattform, so muss das Gericht entweder das entsprechende Dokument selbst oder eine Einladung zum Herunterladen der Daten auf postalischem Weg zustellen.»

Dies alles sei aber so den Akten nicht zu entnehmen. Hingegen habe das Handelsgericht die Verfügung korrekt über Incamail an die Rechtsvertreterin von work geschickt. Sie sei am «4. 12. um 14 h 31» dort eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war die Berichterstattung aber schon erfolgt. Somit sei der Tatbestand des Ungehorsams nicht erfüllt. Die Strafuntersuchung wird deshalb eingestellt. Die entsprechende Verfügung liegt im Entwurf vor. AAAB kann dagegen vorgehen.

Doch: Wenn das keine Schlappe für die klagefreudige AAAB ist!

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