Ratgeber

Gehaltserhöhung: Wer zaghaft in die Lohnverhandlung steigt, hat schlechte Karten

Martin Jakob

Auch wenn Ihr Gesamtarbeitsvertrag für ein Mindestmass an Lohngerechtigkeit sorgt: ein bisschen mehr darf’s trotzdem sein. work sagt, wie Sie eine Lohnverhandlung erfolgreich führen.

DAS KOMMT IN DIE (LOHN-)TÜTE: Gute Arbeit soll gut entschädigt sein – und bessere besser! (Foto: Dreamstime)

«Sind Sie zufrieden mit Ihrem Lohn?» Diese Frage stellte das Meinungsforschungsinstitut Sotomo 2019 rund 10’000 Personen in der Schweiz. Als «eher unzufrieden» oder «unzufrieden» bezeichneten sich 41 Prozent der Befragten. Falls Sie auch zu dieser Gruppe gehören, sollten Sie prüfen, ob mehr Lohn für Sie drinliegt. Oder anders gesagt: ob Ihre Firma bereit ist, ­Ihrer Arbeit einen höheren Wert beizumessen. Und weil die Initiative von Ihnen ausgeht, müssen auch die Argumente von Ihnen kommen.

MEHRWERTE AUSWEISEN

Der Königsweg zur Lohnerhöhung führt über Ihren Leistungsausweis. Haben Sie die vereinbarten Ziele übertroffen? Ein internes Projekt zum Erfolg geführt? Eine Weiterbildung abgeschlossen, die für Ihren Job von Nutzen ist? Mehr Verantwortung übernommen? Haben Sie der Firma durch Neuaufträge zu Mehrumsatz verholfen oder durch kluges Verhandeln eine Ersparnis herausgeholt? Haben Sie Vorschläge eingereicht, die zur Verbesserung von Arbeits­abläufen führten? Konnten Sie die Reklamationsquote senken?

All dies sind starke Argumente für eine Lohnaufbesserung – vor allem, wenn Sie Belege vorzeigen können. Am besten notieren Sie sich Ihre Erfolge jeweils. So geht in der Hitze des Gefechts nichts vergessen.

Führen Sie mit Blick aufs Lohngespräch ein Erfolgstagebuch.

HEIKEL: LOHNVERGLEICHE

Verdienen andere in vergleich­barer Position mehr als Sie, ist das zwar unbefriedigend, aber nicht in jedem Fall ein starker Verhandlungspunkt. Sicher: wenn der Lohn­unterschied auf Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zurückzuführen ist, gilt es zu handeln (work berichtete: rebrand.ly/lohndiskrimi). Bei Lohndiskriminierung können Sie auch juristisch gegen Ihren Arbeitgeber vorgehen. Lassen Sie sich von der Unia beraten!

Verdient hingegen Ihr Vis-à-vis im Team für die gleiche Arbeit bei – nach Ihrer Einschätzung – gleicher Leistung deutlich mehr, sollten Sie diesen Umstand sicher nicht als einziges Argument anführen. Denn vielleicht hat sich Ihr Kollege bei den Vorgesetzten bisher einfach besser verkauft. Oder hat in den Qualifikationsgesprächen stets besser abgeschnitten. Haben Sie Ihre Leistungen (siehe oben) in schönen Farben ­geschildert, können Sie aber ­ergänzend auf die Ungleichheit hinweisen.

Ebenso heikel ist es, im Lohngespräch die Resultate aus dem SGB-Lohnrechner vorzulegen. Der ist zwar ein tolles Instrument, um den eigenen Marktwert als Arbeitskraft grob einzuschätzen, und eine gute Hilfe für die Lohnverhandlung bei einer Stellenbewerbung (www.lohnrechner.ch). Als Argument für Sie, warum man ­Ihnen gerade jetzt eine Lohnerhöhung gewähren sollte, eignet sich der Lohnrechner aber weniger.

UNTAUGLICHE GRÜNDE

Firmen sind Firmen und keine Wohltätigkeitsvereine. Begründen Sie Ihren Wunsch nach höherem Lohn deshalb nie damit, dass Sie mehr Geld brauchten. Auch wenn die Ursachen dafür nachvollziehbar klingen. Dass Ihr Partner die Stelle verloren hat, der bevorstehende Familienzuwachs Sie zwingt, eine grössere, teurere Wohnung zu mieten, oder eins der Kinder eine kostspielige Ausbildung beginnt, mag tatsächlich Ihr Budget ins Wanken bringen. Aber Ihr Wert für die Firma steigt damit leider nicht.

Seien Sie selbstbewusst und mutig, aber bleiben Sie konstruktiv.

VERHANDELN, NICHT STREITEN

Manche Expertinnen finden, das jährliche Mitarbeiter- oder Quali­fikationsgespräch sei der beste Zeitpunkt für eine Neuverhandlung des Lohns – da werde schliesslich über erbrachte Leistungen ­geredet. Andere sehen das lockerer: Der beste Zeitpunkt sei immer dann, wenn genügend gute Argumente vorlägen. Coach Rolf Summermatter, Referent des Movendo-Kurses «Auf Stellensuche mit 50+», findet vor allem die Vorbereitung und das Auftreten wichtig. «Selbstbewusst, mutig und offen in die Verhandlung steigen, aber dem Gegenüber mit Wertschätzung begegnen», empfiehlt er. «Aber keinen Streit anzetteln und konstruktiv bleiben.»

Dazu gehört auch, einen Misserfolg nicht als endgültige Niederlage zu werten. Coach Summermatter sagt: «Auch wenn ich meine Lohnvorstellung im Moment nicht durchbringe, habe ich das Thema bei den Vorgesetzten auf die Agenda gesetzt. Die wissen jetzt: Ich möchte mich finanziell verbessern. Und warum nicht die Frage stellen, was ich tun könne, um mein Lohnziel doch zu erreichen? Dann wird aus der Lohnverhandlung ein Gespräch über meine berufliche Entwicklung in der Firma.»

MEHR ALS FIFTY-FIFTY

In der Sotomo-Umfrage zur Lohnzufriedenheit kam übrigens auch das Thema Lohnerhöhung zur Sprache. 40 Prozent der Befragten gaben an, in den vergangenen fünf Jahren mindestens einmal eine Lohnerhöhung eingefordert zu ­haben. Davon hatten 62 Prozent – also fast zwei Drittel – vollständig oder teilweise Erfolg. Immerhin: Die Chancen, sich durch eigenes Verhandeln finanziell zu verbessern, liegen also über Fifty-fifty.

So lieber nicht!

Man lernt ja auch von schlechten Beispielen. Der Song «Hey Boss, ich brauch’ mehr Geld!» von Gunter Gabriel landete 1974 weit vorne in der Hitparade – nachzu hören unter rebrand.ly/heyboss – und brachte dem Country-Schlagersänger ein schönes Fuder Tan­tiemen ein. Aber mehr Lohn hätte er damit kaum erfolgreich ­ausgehandelt. Warum? Song hören, work-Artikel ­lesen. Dann liegt die Antwort auf der Hand.


GAV-Löhne  Nach oben offen

Wer arbeitet, soll auch anständig verdienen und vom Lohn gut leben können. Zudem ist es nur fair, die Mitarbeitenden angemessen an den Erfolgen der Unternehmen zu beteiligen. Mit dieser Haltung führen die Gewerkschaften Lohn­verhandlungen für ganze Branchen und einzelne Berufsgruppen. In Gesamt­arbeitsverträgen sind die Resul­tate verbindlich festgehalten.

UNTERGRENZEN. In über 260 Gesamtarbeitsverträgen ist die Unia Vertragspartnerin, gesamtschweizerisch sind die Löhne von rund der Hälfte der Angestellten durch GAV-Mindestlöhne gegen unten abge­sichert. Manche GAV ­enthalten zudem Bestimmungen, wie und wann ein Lohn zu steigen hat (etwa abhängig vom Alter oder von der Erfahrung im Beruf). Im Interesse chronisch schlecht ­bezahlter Berufsgruppen setzen sich die Gewerkschaften ausserdem für Mindestlöhne ein, die mittlerweile in fünf Kantonen Gesetz sind.

GAV GILT! Wer in einer Firma mit Gesamtarbeitsvertrag arbeitet, ist also vor Dumpinglöhnen gut geschützt. Erfüllt Ihr Lohn die vertraglich gesicherten Mindestanforderungen? Wenn nicht, müssen Sie nicht lange verhandeln, sondern schlicht auf die Einhaltung des GAV pochen. Und wenn ja: die Absicherung des Lohns gegen unten bedeutet natürlich nicht, dass er gegen oben gedeckelt ist!

Alle GAV im Volltext und ­mit praktischen Suchhilfen: www.gav-service.ch

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