Baselland: Erfolg der Gewerkschaften gegen Arbeit rund um die Uhr

Kantonsgericht schützt den Sonntag

Johannes Supe

Die Arbeit am Wochen­ende nimmt zu. Allzu ­freigebig bewilligen ­Ämter sogar die Büez am Sonntag. Ein aktuelles Urteil aus Baselland schiebt dem jetzt einen Riegel vor.

ARBEITSZEIT: Die Unternehmen brauchen triftige Gründe, um das Nacht- oder Sonntagsverbot aufzuweichen – Termindruck alleine reicht nicht. (Foto: Keystone)

Sonn- und Feiertage sind freie Tage – und sollen es auch bleiben. Doch immer wieder versuchen Firmen, ihre Belegschaft auch am Wochenende einzuspannen. Ein bemerkenswertes Urteil des basellandschaftlichen Kantonsgerichts setzt dem Treiben nun enge Grenzen. Und hält fest: Sonntagsarbeit ist nicht zulässig, wenn es nur darum geht, gesetzte Termine einzuhalten.

Anlass für das Urteil waren die Ereignisse rund um den 1. Mai 2018. An dem hätte eigentlich Ruhe sein sollen, schliesslich ist der 1. Mai in Baselland ein dem Sonntag gleichgestellter Feiertag. In Muttenz aber laufen die Maschinen. Fast 200 Arbeiter aus verschiedenen Bauberufen chrampfen – auf einer kantonalen Baustelle. Sie sollen in aller Eile den Campus der Fachhochschule Nordwestschweiz hochziehen. Das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (Kiga) hatte die Feiertagsarbeit durchgewinkt.

Doch die Sache fliegt auf, denn Arbeiter hatten sich schon zuvor an die Unia gewandt. «Wir waren aber überrascht, wie viele Leute an dem Tag arbeiten mussten», sagt Manuel Käppler zu work. Er ist bei der Unia Aargau-Nordwestschweiz mit dem Vollzug der Gesamtarbeitsverträge (GAV) betraut. Rasch interveniert die Gewerkschaft, beanstandet die lasche Bewilligungspraxis des Kiga. Das Amt will hingegen keinen Fehler sehen. Auch der Regierungsrat des Kantons weist eine Beschwerde der Unia ab.

Sonntagsarbeit ist nicht zulässig, wenn es nur darum geht, gesetzte Termine einzuhalten.

AMT RÜGT

Dabei kommt allerhand Erstaunliches ans Licht. Etwa, dass das Generalunternehmen HRS dem Kiga gegenüber von 8 Firmen sprach, die arbeiten müssten. Später stellte sich heraus, dass ganze 21 Unternehmen am Feiertag tätig wurden. Die Behörde aber beanstandete das nicht etwa, sondern stellte nachträgliche Bewilligungen aus.

Auch teilte HRS dem Amt zunächst mit, dass die Feiertagsarbeit nötig geworden sei, da kurzfristig Mängel für eine unverschiebbare Arbeit aufgetreten seien. Gegenüber den eigenen Subunternehmen kommuniziert HRS anders. Denen schreibt das Generalunternehmen in einem Mail: «Sämtlichen Unternehmen, welche zur Einhaltung der Termine noch dringende Arbeiten auszuführen haben, eröffnet sich (mit der Arbeitsbewilligung; die Red.) die Gelegenheit, ihr Personal am 1. Mai 2018 in der Zeit von 6.00 Uhr bis 17.00 Uhr auf der Baustelle zu beschäftigen.» Ging es also tatsächlich darum, zu starken Termindruck auszugleichen? Das vermutet die Unia und wendet sich ans Kantonsgericht. Ende 2020 erhält sie recht.

SCHUTZ WICHTIGER ALS PROFIT

Im schriftlichen Urteil, das nun vorliegt, wird das Gericht deutlich. Das Kiga hätte die Feiertagsarbeit nicht bewilligen dürfen. HRS und seine Sub­unternehmen hätten nicht darlegen können, dass die Arbeit dringend am Feiertag hätte erledigt werden müssen. Und weiter: «Blosse Zweckmässigkeitsüberlegungen genügen nicht, um das Nacht- oder Sonntagsverbot aufzuweichen.» Ans Kiga gerichtet, heisst es im Urteil zudem: «Sonntagsarbeit kann daher nur bewilligt werden, wenn alle ­anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.» Unia-Mann Käppler vermutet, dass das Urteil weitergehende Konsequenzen haben könnte. Mittlerweile sei bekannt geworden, dass in Baselland jährlich über 200 Ausnahmebewilligungen für Sonntagsarbeit erteilt werden. Nun aber habe das Gericht entschieden, dass die Sonntagsarbeit eine absolute Ausnahme bleiben müsse. Käppler weiter: «Das Gericht hält auch fest, dass nicht wirtschaftliche Interessen für die Bewilligung entscheidend sind, sondern der Schutz der Arbeiter.»


Wochenend-Arbeit  Was ist mit den Samstagen?

Relevant für die Samstagsarbeit sind weniger gesetzliche Vorgaben als vielmehr die je nach Branche geltenden Gesamtarbeitsverträge (GAV). Für das Bauhaupt- und Ausbaugewerbe finden sich hier oft ähnliche Formulierungen. Zwar soll der Samstag im Grundsatz frei bleiben, allerdings sind Ausnahmen zulässig und müssen den zuständigen Kontrollinstanzen nur gemeldet werden.

TERMINDRUCK. Manuel Käppler von der Unia Aargau-Nordwestschweiz und Stefan Wüthrich, Leiter der Unia Bern, sind sich einig: Befriedigend ist das nicht. Wüthrich: «Die Samstagsarbeit nimmt seit Jahren tendenziell zu. Die Firmen melden sie uns und begründen sie mit lapidaren Aussagen wie ‹unausweichlicher Termindruck›. Ablehnen oder verbieten können wir sie nicht.»

Besser ist es im Wallis. In einem regionalen GAV für den Bau sind schärfere Regeln vorgesehen, hier dürfen die Kontrollinstanzen Samstagsarbeit auch ablehnen. Martin Dremelj von der Unia Oberwallis: «Bei uns genügt es nicht, dass die Termine zu eng sind. Solche Anträge auf Samstagsarbeit lehnen wir ab.» Ähn­liche Formulierungen will die Unia auch über das Wallis hinaus in den GAV verankern.

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