Behörden ermitteln gegen die Confiserie Werth in Delémont:

Monsieur Profiterole*

Christian Egg

Die Mitarbeitenden arbeiten gratis, denn ihren Lohn zahlt der Staat: So wollte Confiseur Veya mit Corona-Hilfen tricksen. Er selber sieht das alles ganz anders.

SCHÖNER SCHEIN: Tolle Torten aus der Confiserie, aber auch schräge Tricks vom Patron. (Foto: ZVG)

Die Sache sei ihr von Anfang an lusch vorgekommen, sagt Carine Durand**. Normalerweise arbeitet sie zu 80 Prozent als Verkäuferin und im Service der Confiserie Werth in Delémont. Zu Beginn der Corona-Pandemie habe ihr Patron Roger Veya für sie Kurzarbeit angemeldet, obwohl das Geschäft nicht schliessen und sie weiterarbeiten musste.

Er habe alle rund 35 Mit­arbeitenden zu einem Einzelgespräch geladen und seine Idee erklärt: Die Beschäftigten beziehen Kurzarbeitsentschädigung, 80 Prozent ihres Verdienstes. Doch sie arbeiten ­weiter. Ohne Lohn von ihm.

Das ist illegal. Kurzarbeitsentschädigung gibt’s nur für Stunden, in denen die Mitarbeitenden nicht arbeiten können. Für alle gearbeiteten Stunden muss ihnen das Geschäft den vollen Lohn bezahlen.

«Wir haben alle genug von Veyas
Mätzchen.»

MITMACHEN UND TSCHÜSS

Confiserie-Chef Veya weist die meisten Vorwürfe gegen ihn zurück (siehe Kasten). Doch Verkäuferin Durand denkt, er sei sich seines Tuns voll bewusst gewesen: «Er räumte ein, er habe nicht das Recht, das zu tun. Aber er sehe keine andere Möglichkeit, den Betrieb zu retten. Entweder wir würden das akzeptieren, oder wir könnten gehen.» Fast alle hätten es geschluckt, sagt Durand. Auch sie. «Wer will schon mitten in der Pandemie den Job verlieren?»

Zeitweise habe sie sogar mehr als ihr Pensum gearbeitet, immer wieder fünf statt vier Tage pro Woche. Ohne ­einen Franken Lohn, nur mit der Kurzarbeitsentschädigung von netto 1900 Franken pro Monat.

Ab Januar schalten mehrere Mitarbeitende die Unia ein. Die will von Veya wissen, was los sei. Doch der trickst weiter. Er beantragt beim Kanton auch noch Corona-Härtefallgelder für den Betrieb – und bekommt sie. Am 25. Februar trifft die Zahlung ein: 150’000 Franken. Und nicht nur Durand fragt sich: «Wofür hat er das Geld gebraucht?»

UND PLÖTZLICH: KONKURS!

Nur sechs Tage später, am 3. März, landet Veya den nächsten Coup: Er lässt die Firma in den Konkurs treiben. Wegen einer unbezahlten Rechnung von gerade mal 14 000 Franken. Damit wird es für die Mitarbeitenden noch schwieriger, ihre Löhne einzufordern. Für Verkäuferin Durand liegt es auf der Hand: «Den Konkurs hat er eingefädelt, um die Schulden los zu werden.»

Trotz Konkurs bleibt der Betrieb geöffnet. Denn flugs übernimmt eine neue Besitzerin das Geschäft. Laut Durand ist Veyas Freundin die neue Geschäftsführerin: «Aber nur auf dem Papier. Sie hat einen Schönheitssalon und keine Zeit für die Confiserie. Chef ist nach wie vor Roger Veya.»

Baptiste Moreau**, ein anderer Mitarbeiter, bestätigt: Trotz seinen Tricksereien sei Veya noch immer fast jeden Tag in der Confiserie: «Wirklich arbeiten sieht man ihn aber kaum. Er trinkt Kaffee und überwacht uns.»

Moreau hat zwar jetzt einen Arbeitsvertrag von der neuen Firma. Aber bis Redaktionsschluss noch keinen Franken Lohn gesehen, weder für März noch für April. Er sagt: «Wir haben alle genug von Veyas Mätzchen! Entweder er bezahlt subito, oder wir stellen die Arbeit ein.»

Im Unterschied zu Moreau stieg Durand schon im März aus. Nach dem Konkurs habe ihr Veya einen wei­teren Trick vorgeschlagen, erzählt sie: «Ich solle mich arbeitslos melden und trotzdem für ihn arbeiten. Ende Monat gebe es jeweils ‹ein kleines Couvert›, wie er es ausdrückte.» Sie sagte Nein. Aber sie weiss: «Ende März hat er tatsächlich links und rechts Couverts mit Geld verteilt.» Aber nicht an alle.

DIE BEHÖRDEN ERMITTELN

Mitte April machte die Unia die ganze schräge Geschichte publik. Unia-Mann Patrick Cerf unterstützt jetzt die geprellten Mitarbeitenden, «etwa im Kontakt mit Behörden, damit sie trotz Konkurs zu ­ihren Löhnen kommen». Wenn nötig werde man auch gerichtlich gegen Veya vorgehen. Für den findet Cerf klare Worte: «Er hat allen etwas aufgetischt: nicht nur dem Staat, sondern auch den Mitarbeitenden. Damit ist jetzt Schluss.»

Und in der Tat: Sowohl der Kanton Jura als auch das Staats­sekretariat für Wirtschaft (Seco) haben in der Sache Ermittlungen aufgenommen. Zwar lieferte Veya falsche Stundenabrechnungen. Doch die Ämter fragten bei den Mitarbeitenden nach und kamen so dem Patron auf die Schliche. Das Ergebnis der Untersuchung steht noch nicht fest. Gut möglich, dass die Behörden am Schluss dem Confiseur Veya eine gesalzene Rechnung präsentieren.

* beliebtes Süssgebäck, auf deutsch: Windbeutel
** Namen geändert

Roger Veya: «Sie kamen freiwillig»

Zum Bschiss mit der Kurzarbeitsentschädigung schreibt Confiseur Veya: «Wir haben eine Art Rotation eingerichtet mit den Leuten in Kurzarbeit.» Einige Mitarbeitende in Kurzarbeit hätten «ihre Kollegen freiwillig unterstützt, ohne dass ich darum gebeten habe». Niemals habe er gesagt, wer nicht einverstanden sei, könne gehen, und auch nicht vorgeschlagen, dass Arbeitslose neben dem Stempeln schwarzarbeiten sollten. Auch habe er «immer die Löhne bezahlt».

ÜBERFORDERT. Er sei «sieben Tage pro Woche» im Betrieb, um «jeden Tag kämpfen zu können», sagt Veya, der den Betrieb 1997 mitgründete. Mit der Härtefallzahlung habe er die wichtigsten Lieferanten bezahlt «und jeden Tag gehofft, dass der Gläubiger im letzten Moment den Konkurs abwendet». Es stimme, dass seine Freundin bereits einen anderen Betrieb führe. «Aber sie führt auch die Konten der Confiserie.» Die neue Firma habe alle März- und Aprillöhne bezahlt. Und die Stundenabrechnungen, die er den Behörden geliefert habe, seien «nicht ganz falsch» gewesen.

2 Kommentare

  1. Es bedeutet enorm viel Aufwand, die unredlichen Machenschaften eines Arbeitgebers wie Roger Veya aufzudecken. Würden die Behörden aber nur halb so viel tun wie sie bei einem Verdacht gegen die Arbeitnehmenden agieren, wäre so ein Fall rasch erledigt. Das schlimmste aber sind die laschen Strafen, die jeden Arbeitgeber zu einem Betrug verlocken!

  2. Mathias

    Das ist doch nur die spitze des eisberges.
    Es braucht mehr kontrollen von unvoreingenommenen

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