Polizei meldet Baudelikte in Davoser WEF-Tempel:

Luxushotel baut zum Dumpingtarif

Jonas Komposch

Der «Seehof» in Davos GR ist die WEF-Residenz der Reichen und Mächtigen. Stammgast Bill Gates hat darin seine persönliche Suite. Jetzt wird das Fünf-Sterne-Haus billig ­renoviert – von einer zweifelhaften Baufirma aus Rumänien.

LUXUS-HOTEL, SCHÄBIGE LÖHNE: Das Davoser WEF-Hotel Seehof baut um. Mit zweifelhaften Arbeitsbedingungen. (Illu: Ninotchka.ch)

Regen, Wind und Temperaturen im einstelligen Bereich. So garstig beginnt dieser Maimorgen in Davos. Hier, auf 1506 Metern über Meer, liegt stellenweise noch schmutziger Altschnee – definitiv kein Ambiente für Touristenmassen, wie sie im Winter die Alpenstadt fluten. Die Zwischensaison hat aber auch praktische Seiten. Viele Betriebe nutzen die Ruhe für Renovationsarbeiten. So auch das Hotel Seehof, das traditionsreiche Fünf-Sterne-Haus an bester Lage zwischen Bahnhof und Parsennbahn. Immer am WEF geht hier exklusiv die globale Polit- und Wirtschaftselite ein und aus. Darunter Könige wie ­Abdullah II. von Jordanien, Staatspräsidenten wie Jair Bolsonaro aus Brasilien und milliardenschwere Unternehmer wie Bill Gates. Weil dieser seit über zwanzig Jahren Stammgast ist, gibt’s im «Seehof» sogar eine «Gates-Suite». An diesem Morgen aber ist von Glanz und Gloria nichts zu spüren. Im Gegenteil.

Müssen rumänische Bauarbeiter die Fehler eines Milliardenkonzerns ausbaden?

EINGEFLOGEN AUS BUKAREST

Mulden voller Bauschutt stehen vor dem Luxusresort. Und aus dem Innern dröhnt ohrenbetäubender Lärm von Spitzhämmern. Dann kommt ein Arbeiter heraus, entleert eine Garettenladung Betonbrocken und zündet sich eine Zigarette an. work raucht mit. Und erfährt: Auf der «Seehof»-Baustelle werken 14 Baubüezer plus ein Chef. Sie alle arbeiten für die rumänische Baufirma Admi Bau Technik SRL und stammen aus der Region Bukarest. Dort hatten die meisten von ihnen ein Flugzeug nach Zürich bestiegen. Das war Anfang April. Per Minibus ging’s weiter nach Davos, in eine Herberge, die für die nächsten drei Monate ihr neues Zuhause sein sollte.

KANTON ERMITTELT

Wie es ihm hier gefalle, will work vom rumänischen Baukollegen wissen. «Gut» sei die Unterkunft, ebenfalls «gut» die Arbeit auf der Hotelbaustelle, und sogar «sehr gut» gefielen ihm die Bündner Berge. Drei weitere Rumänen gesellen sich hinzu. Auch sie seien zufrieden, sagen sie. Und der Lohn? Wie gut ist der? Beklemmende Stille, prüfende Blicke, dann winkt der älteste der Runde ab und sagt: «… der ist geheim.» Vielleicht sage der Chef mehr dazu. Der sei aber gerade an einer Sitzung und erst in einer Stunde wieder da. Zu finden ist der Chef aber auch nach zwei Stunden nicht. Und von den Arbeitern will keiner seine aktuelle Telefonnummer haben. Eine durchaus verständliche Zurückhaltung, denn Recherchen zeigen: work ist nicht die erste interessierte Besucherin.

Schon am 8. April gab es im «Seehof» eine Visite – und zwar von der Arbeitskontrollstelle Graubünden. Diese überprüfte, ob die rumänische Baufirma das Entsendegesetz über die ­minimalen Arbeits- und Lohnbedingungen für in die Schweiz entsandte Arbeitnehmende befolge. Resultat: Fehlanzeige! Sämtliche der 15 Rumänen arbeiteten bereits, obwohl dies erst ab dem 12. April legal gewesen wäre. Und schon wenige Tage später landete auch die Kantonspolizei einen Treffer. Dies offenbar zufällig, denn Kapo-Sprecher Markus Walser will auf Anfrage bloss eine einfache Verkehrskontrolle bestätigen. work weiss aber, dass die Polizei zwei Rumänen ohne gültige Meldebestätigung registrierte. Der Fall liegt nun beim Bündner Arbeitsamt (Kiga), wie Marcel Gross, Abteilungsleiter Arbeitsbedingungen, bestätigt. Näher dazu äussern könne er sich aufgrund des laufenden Verfahrens nicht. Nur so viel: «Nach unserer Kenntnis unterliegen alle Tätigkeiten der Admi Bau im ‹Seehof› einem ­allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrag.» Das heisst: die ­paritätischen Berufskommissionen der Sozialpartner sind zuständig für Lohnkontrollen. Und solche scheinen dringend nötig, wie die sonderbaren Aussagen des «Generaladministrators» der Admi Bau zeigen.

2200 Euro Lohn? Das wäre ein sträflicher Fall von Lohndumping.

2200 EURO MONATSLOHN?

Am Telefon entschuldigt sich dieser für die begangenen «Fehler». Nun sei aber alles in Ordnung. Und überhaupt arbeite Admi Bau gut mit der lokalen Wirtschaft zusammen, beziehe zum Beispiel die Baumaterialien hauptsächlich aus der Schweiz. Just in dem Moment fährt vor dem «Seehof» ein LKW vor und entlädt ­Sanitärmaterial – «aus Deutschland», wie der Chauffeur weiss. Auf die Frage, wie viel die rumänischen Bauleute verdienten, reagiert der Admi-Administrator ausweichend. Das habe er gerade nicht im Kopf – und sagt dann: «Alle haben einen Nettomonatslohn von mindestens 2200 Euro.» Trifft diese Angabe tatsächlich zu, handelt es sich um einen sträflichen Fall von Lohndumping. Warum aber engagiert ein Davoser Luxustempel eine Baubude aus Rumänien – und nicht eine lokale Firma?

IMMO-RIESE IM HINTERGRUND

«Früher wäre so was absolut undenkbar gewesen!» Das sagt Ernst Wyrsch, Präsident von Hotelleriesuisse Graubünden und bis 2019 Verwaltungsratspräsident des «Seehofs». Heute aber hat im «Seehof» die Berliner Luxuskette Precise Hotels GmbH das Sagen. Auf eine Anfrage reagiert Precise nicht. Fakt ist aber: Die Kette pachtet den «Seehof» von Aroundtown, einem deutschen, aber im Steuerparadies Luxemburg domizilierten Immobilienfonds. 25 Milliarden Euro schwer soll Aroundtown sein und damit der grösste Gewerbe-Immobilien-Konzern an der Frankfurter Börse.

In Davos allerdings hatte der Immo-Riese keine glückliche Hand. Kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie kaufte er den «Seehof» für 54 Millionen Franken. Ein guter Deal für den vormaligen Eigentümer Stefan Götz (87). Zur «Hotelrevue» sagte dieser kürzlich, dass er heute nicht einmal mehr die Hälfte des Preises erhalten würde. Müssen rumänische Bauarbeiter also die Fehlinvestition eines Milliardenkonzerns wettmachen? Auf Kosten ihrer rechtmässigen Ansprüche und des Schweizer Lohnniveaus? Es wird sich weisen. Die Unia hat sich des Falles bereits angenommen. work bleibt dran.

2 Kommentare

  1. Brigitte Straumann

    Wir waren 12 Jahre lang Stammgast im Seehof und es war immer sehr schön und gemütlich.
    Wenn ich jetzt so einen Bericht lese wird mir schlecht und ich werde wütend. Es geht immer nur ums Geld, pfui!!
    Man sollte das Hotel meiden.

  2. Opprecht Fabio

    Sauerei so was 5 Sterne und den so was …
    Baustelle Einstellen

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